Hagen-Haspe. Riesiges Glück für Sebastian Weyerhorst und seine Familie: Auf dem Balkon ihrer Wohnung in Hagen-Haspe explodierte in der Nacht zum 14. Januar eine Mehlbombe. Scheiben und Türen wurden durch die Druckwelle zerstört. Verletzt hat sich niemand. Die Polizei ermittelt. Von den Tätern fehlt jede Spur.

Sebastian Weyerhorst (23) saß gerade auf dem Fußboden im Wohnzimmer und spielte an seiner Playstation, als ihn ein dumpfer Schlag auffahren ließ. Er drehte sich um, als auch schon eine ohrenbetäubende Explosion ertönte und dem jungen Mann die Scherben der Balkontürscheibe entgegenflogen.

Im Nu war der Raum eingenebelt, Weyerhorst bekam keine Luft mehr. Geistesgegenwärtig stürmte er ins Nebenzimmer, um seine Lebensgefährtin und das Baby in Sicherheit zu bringen: „Wir wollten nur noch raus. Es war schrecklich.“

Die gewaltige Detonation, die sich am Dienstagabend gegen 23.05 Uhr auf dem Balkon in der Büddingstraße 36a ereignete und zwei Türen, Scheiben und ein Rollo zerstörte sowie Teile der Wohnung verwüstete, war noch in großer Entfernung zu hören. Wie die Polizei rekonstruierte, hatten unbekannte Täter eine sogenannte Mehlbombe auf den Balkon geworfen – ein 5-Kilo-Paket Mehl, das mittels eines „pyrotechnischen Gegenstands“ explodierte. Die Druckwelle war so groß, dass sogar eine doppelt verglaste Tür zur Wohnung von Weyerhorst und seiner Familie in Gänze zerstört wurde. Zudem fing der Mehlstaub Feuer. „Auf dem Balkon brannte es“, berichtet Weyerhorst.

Nachbarn sahen Täter flüchten

Das junge Paar, das sich mit dem sechs Monate alten Baby auf den Hausflur rettete und zunächst bei einer Nachbarin unterkam, hatte noch Glück, dass nicht die gesamte Wohnung ausbrannte und dass die kleine Emily nicht, wie sonst üblich, auf der Spieldecke neben der Heizung im Wohnzimmer lag, denn dann hätte sich der Scherbenregen über sie ergossen. „Gar nicht auszudenken“, so Weyerhorst.

Nachbarn sahen zum Tatzeitpunkt zwei junge Männer zum angrenzenden Friedhofsparkplatz davonlaufen und mit einem roten Kleinwagen flüchten. War die junge Familie ein Zufallsopfer oder Ziel eines geplanten Anschlags? Die Polizei, die wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion ermittelt, wollte sich zu dieser Frage nicht weiter äußern, da bislang keine weiteren Hinweise vorlägen: „Das war aber kein Dummer-Jungen-Streich“, sagte ein Polizeisprecher.

Familienvater hat keine Feinde

„Wenn so eine Bombe neben einem Menschen hochgeht, kann dieser erheblich verletzt werden.“ Sebastian Weyerhorst mag nicht daran glauben, dass ihm jemand einen Denkzettel verpassen wollte oder gar nach dem Leben trachtet: „Wir wohnen noch gar nicht lange hier in Haspe, außerdem habe ich keine Feinde.“

Scheiben durch Spanplatten ersetzt - Mehlstaub in allen Ritzen 
So sah es nach der Explosion der Mehlbombe auf dem Balkon aus. Der Mehlstaub setzte sich in alle Ritzen.
So sah es nach der Explosion der Mehlbombe auf dem Balkon aus. Der Mehlstaub setzte sich in alle Ritzen. © Polizei Hagen

Ein Glaser ersetzte die zerborstenen Scheiben provisorisch durch Spanplatten, doch in die Wohnung mag die Familie zunächst nicht zurückkehren. Den Rest der Schreckensnacht verbrachten die Eltern mit ihrem Kind bei Weyerhorsts Schwiegermutter, wo sie bis auf Weiteres auch bleiben wollen: „Bei mir hat sich regelrechter Verfolgungswahn eingestellt. Ich bilde mir ständig ein, im Flur stehe einer und warte auf mich.“

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Zudem dürfte es geraume Zeit dauern, bis die Folgen der Explosion restlos beseitigt sind. Der feine Mehlstaub hat sich in alle Ritzen gesetzt, leichter Brandgeruch liegt in der Luft. Direkt nach der Detonation habe es gerochen, als sei er mitten in eine Silvester-Knallerei geraten, erinnert sich Weyerhorst. Ob die Täter einen handelsüblichen Böller oder – wofür die Zerstörungskraft spricht – viel stärkeren Sprengstoff verwendeten, ist eine der Fragen, die die Polizei bei ihren Ermittlungen zu beantworten sucht.

Druckwelle kann Feuerwalzen auslösen

Mehlbomben genießen bei Jugendlichen einen zweifelhaften Ruf als Scherzartikel, im Internet kursieren Bauanleitungen. Doch die Druckwelle kann regelrechte Feuerwalzen auslösen. Die Familie in Haspe ist mit dem Schrecken davon gekommen.