Hagen. . Nach dem ersten großen Bombenangriff war Willi Lehmacher mit seiner Kamera unterwegs. Die Fotos eines der ersten deutschen Pressefotografen sind Dokumente von Leid und Elend. Eine Ausstellung im Kunstquartier zeigt die Bilder vom 2. Oktober 1943, einem der schwärzesten Tage der Stadtgeschichte.

Wie oft drückt ein Fotograf im Laufe seines Lebens auf den Auslöser einer Kamera? Unzählige Male im digitalen Zeitalter. Aber auch bei Willi Lehmacher war das mehr als eine halbe Million mal der Fall. Er war zu einer Zeit mit der Kamera unterwegs, in der an Datenspeicherung auf Chips nicht zu denken war. Über 500.000 Negative, Dias und Positive umfasst sein Nachlass, der im Archiv der Stadt Hagen lagert.

Es gibt gute Tage, an denen ein Fotograf auf den Auslöser drückt. Und es gibt schlimme Tage. Tage an denen er Leid und Elend dokumentiert. Das ist Teil seines Berufs. Einer der schlimmsten Tage muss für einen der ersten deutschen Pressefotografen der 2. Oktober 1943 gewesen sein. Der Tag, nach dem alliierte Bomben weite Teile der Hagener Innenstadt in Schutt und Asche legten. Lehmacher begab sich auf einen Rundgang durch die Stadt. Fotos des zerstörten Hagens zeigt der Fachbereich Kultur in einer Ausstellung, die am 1. Oktober im Karl-Ernst-Osthaus-Museum eröffnet wird und an den verheerenden Luftangriff erinnert.

Mehr als 30.000 Hagener ausgebombt

„Die zerstörte Stadt“ heißt die Bilderschau, zu der auch Zeitzeugen eingeladen sind. Zu sehen sind unter anderem Panoramaaufnahmen der Innenstadt, die das ganze Ausmaß des ersten Großangriffs zeigen, bei dem 263 Menschen ums Leben kamen. „Mehr als 30.000 Hagener wurden in dieser Nacht ausgebombt“, sagt Dr. Ralf Blank, Leiter des Fachdienstes Wissenschaft, Museen und Archive. „Über 700 Gebäude wurden zerstört, mehr als 1000 schwer beschädigt.“

Die Fotos von Willi Lehmacher sind Dokumente von Leid und Elend.
Die Fotos von Willi Lehmacher sind Dokumente von Leid und Elend. © WP

In den Mittagsstunden des 1. Oktober reifte im Hauptquartier des britischen Bomber Command der fatale Entschluss, die Stadt Hagen anzugreifen. Die Wettervorhersagen waren gut. Und so starteten in den späten Nachmittagsstunden die Verbände der Royal Airforce mit ihrer tödlichen Fracht. 243 viermotorige Lancaster und später acht zweimotorige Mosquitos. 1150 Tonnen Spreng- und Brandmunition wurden über der Stadt ausgelöst. Rund die Hälfte waren Stab- und Flüssigkeits-Brandbomben, darunter wiederum 224 Luftminen mit einem Gewicht von jeweils 1,8 Tonnen. „Blockbuster“ oder „Cookies“ wurden sie genannt. „Bei ihrer Explosion setzten sie eine gewaltige Druckwelle frei, die ganze Straßenzüge verwüsten konnte“, so Blank.

Fotos sind wichtige Dokumente für die Forschung

Weite Teile der Hagener Innenstadt, Wehringhausen, Altenhagen und Eilpe wurden so in Trümmer gelegt. Lehmachers Aufnahmen dokumentieren das eindrucksvoll. Was sie nicht zeigen, sind verwundete Menschen oder Leichen. Auch zerstörte Industrie- und Verkehrsanlagen sind nicht zu sehen. Blank geht davon aus, dass eine bewusste inhaltliche Auswahl der Bildserie stattgefunden hat.

Lehmacher war mit Genehmigung der Polizeidienststellen und im Auftrag der Stadt unterwegs. Allerdings hat er nicht im Sinne der Nationalsozialisten Aufnahmen inszeniert. „Es sind dokumentarische Momentaufnahmen“, sagt Dr. Ralf Blank, „diese Fotografien zählen zu den wichtigsten zeitgeschichtlichen Beständen der historischen Bildforschung in Westfalen. Sie dokumentieren die Zerstörung einer bis zu den Luftangriffen intakten Stadt, einer heilen Welt.“

Foto des schwer getroffenen Rathauses

Am Spätnachmittag des 2. Oktober war Lehmacher zum ersten Mal mit seiner Kamera unterwegs. Zuerst auf dem Höing, später in der Hagener Innenstadt. Da entstand schließlich auch ein Foto des von Brandbomben schwer getroffenen Rathauses. Die Turmuhr ist am Vorabend um 22.07 Uhr stehen geblieben.