Hagen. Mitarbeiter der Deutschen Bank haben sich möglicherweise vor dem Prozess der Stadt Hagen gegen das Kreditinstitut abgesprochen und bewusst falsch ausgesagt. Für Rechtsanwalt Dr. Jochen Weck könnte das Prozessbetrug sein.
Rund 40 Millionen Euro hat die Stadt Hagen durch hochriskante Zinswetten einst in den Wind geschossen. Jetzt besteht Hoffnung, dass zumindest ein Teil dieses Geldes zurück in die Stadtkasse fließt. Denn ähnlich wie bei den Zeugenaussagen im Kirch-Prozess hat es möglicherweise auch im Verfahren der Stadt Hagen Falschaussagen und unzulässige Absprachen unter den Zeugen der Deutschen Bank vor der Beweisaufnahme gegeben. Das meint der Münchner Rechtsanwalt Jochen Weck, der für zahlreiche Kommunen erfolgreich Prozesse gegen die Deutsche Bank und die ehemalige West LB führt.
Im Jahr 2008 hatte auch die Stadt Hagen gegen die Deutsche Bank vor dem Landgericht Wuppertal geklagt. Mit Beratung einer anderen Kanzlei und ohne Erfolg. Denn in Wuppertal kassierte die Stadt eine herbe Schlappe. Also zog man vor dem Oberlandesgericht in Berufung.
Klage zurückgenommen
Als sich aber auch hier eine Niederlage abzeichnete, nahm die Stadt ihre Klage zurück und einigte sich Ende 2010 außergerichtlich mit der Bank. So verzichtete die Bank zwar auf einen (relativ geringen) Teil ihrer Forderungen, unter dem Strich blieb aber ein dickes Minus von rund 39 Millionen Euro.
In dem Prozess in Wuppertal gab es Auffälligkeiten, die dem aktuellen Verhalten der Deutschen Bank im Kirch-Verfahren ähneln. Sagt zumindest Dr. Jochen Weck. Er hat im Zusammenhang mit einem anderen Verfahren die Protokolle aus Wuppertal studiert. Dabei ist ihm aufgefallen, dass gleich drei Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen der Deutschen Bank in ihren Zeugenaussagen den von vornherein vorhandenen negativen Marktwert der Geschäfte in Abrede gestellt haben. Aus seiner Sicht sind das zielgerichtete Falschaussagen nach erfolgter „Absprache“. Denn der Vorwurf gegenüber der Bank bestand gerade in der unterlassenen Aufklärung über diesen anfänglichen negativen Marktwert. Den gab es auch bei den Geschäften der Stadt Hagen tatsächlich.
Feststellung des Bundesgerichtshofs
„Damit könnte möglicherweise auch hier der Vorwurf des Prozessbetrugs erhoben werden“, erklärt der Jurist. Weder ein Anwalt noch die Partei selbst darf Einfluss auf die Angaben von Zeugen vor Gericht nehmen. Es dürfen keine Hinweise gegeben werden, was Zeugen aussagen sollen. In diesem Fall sehe es aber genau danach aus. Denn dass solch zweifelhafte Geschäfte, die Kommunen und Unternehmen bundesweit verkauft wurden und den Kunden nicht selten Verluste in Millionenhöhe beschert haben, von vornherein einen negativen Marktwert haben, steht fest. „Deswegen hat der Bundesgerichtshof höchstrichterlich festgestellt, dass darüber aufzuklären ist“, sagt Weck.
Den Mitarbeitern der Deutschen Bank, die diese komplexen Zinswetten konstruiert und verkauft haben, müsse dieser negative Marktwert bekannt gewesen sein. Wenn drei Bankangestellte das nacheinander in einem Verfahren in Abrede stellen, könne das kaum Zufall sein.
Ermittelt bald der Staatsanwalt?
Wenn Strafanzeige erstattet wird, könnte ein solches Prozessverhalten staatsanwaltschaftliche Ermittlungen nach sich ziehen. Die Stadt Hagen selbst kann vor diesem Hintergrund Anzeige erstatten.
Dass in Zinswetten-Verfahren mit allen Mitteln agiert wird, hat auch Dr. Weck selbst erlebt: „Solch abgestimmte Zeugenaussagen können wir aus eigener Wahrnehmung bestätigen. Es gibt sogar Fälle, in denen Dokumente nachträglich für das Gerichtsverfahren gefälscht wurden.“