Hagen. . In Bundestags-Wahlkämpfen ist der SPD-Bewerber René Röspel ein routinierter Werber in eigener Sache. Wir haben den Kandidaten auf der Straße und bei Hausbesuchen einen Tag begleitet.
Es fällt ihm diesmal nicht schwer, Wahlkampf zu machen. Das fällt auf bei René Röspel. Denn wenn oft diskutiert wird, ob denn das linke SPD-Wahlprogramm zum Kanzlerkandidaten passt, dann kann diese Frage für Hagen klar beantwortet werden: Kandidat und Programm stimmen überein. Mindestlohn oder Bürgerversicherung sind Leib-und Magen-Themen des SPD-Bundestagsabgeordneten, der zum fünften Mal in den Wahlkampf zieht – unsere Zeitung hat ihn begleitet.
Auf dem Markt in Altenhagen herrscht Multi-Kulti-Flair. Viele Kopftuchträgerinnen sind unterwegs, die ausländischen Wurzeln sind einem Großteil der Menschen anzusehen. Aber René Röspel macht keinen Unterschied. Er zieht über den Marktplatz, verteilt sein Kandidaten-Flugblatt, Kugelschreiber oder die kleinen Kuchen („Weil wir den Kuchen gerechter verteilen wollen“). Für ihn sind alle potenzielle Wähler. Und mit der Strategie liegt er wohl nicht falsch. Viele haben den deutschen Pass.
Wahlprogramme aller Parteien gelesen
Da sind Frauen wie Fairouz Qotit unterwegs. Sie diskutiert intensiv mit Röspel über Kindergeld oder über die Ungerechtigkeit von Studiengebühren. Und der Kandidat appelliert leidenschaftlich dafür, wählen zu gehen. Nur wenige hundert Stimmen hätten 2002 Rot-Grün die Mehrheit gesichert und nur so sei eine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg verhindert worden: „Ein Kanzler Stoiber hätte beim Krieg mitgemacht. Sie sehen: Jede Stimme zählt.“ Fairouz Qotit ist jedenfalls zufrieden nach dem Gespräch: „Ich finde es gut, dass der Kandidat hier so auf die Leute zugeht.“ Und genutzt hat es am Ende auch etwas. Vielleicht nicht für Röspel, aber für Wahlbeteiligung. „Ehrlich gesagt: Ich glaube, ich wäre überhaupt nicht wählen gegangen. Aber jetzt überleg ich es mir.“
Röspel ist inzwischen ein alter Hase in Sachen Wahlkampf. Er weiß, dass er die Zeit nutzen muss, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Zu lange Gespräche wären da hinderlich. Aber der 49-Jährige hat einen eleganten Weg gefunden. Er verteilt das Kandidaten-Flugblatt immer mit dem Spruch: „Da ist auch meine Telefonnummer für nach der Wahl drin. Da bin ich nämlich auch für Sie da.“ Nur sehr wenige sind wirklich abweisend, dafür ist die Themenpalette groß, mit der sich Röspel beschäftigen muss: Mal wird er auf die Bürgerversicherung angesprochen, mal auf die mangelnde Härte der deutschen Gesetze und dann wieder auf die zu geringen Renten für Mütter. Der Abgeordnete kann fast immer parieren. Hat er das Wahlprogramm der SPD wirklich von hinten bis vorne gelesen? „Ja, und auch das der anderen. Das hilft schon mal“, sagt Röspel.
„Da steckt viel Arbeit dahinter“
Der Termin nach dem Altenhager Markt ist eine Rarität. In Gevelsberg ist Röspel gemeinsam mit einem „Partei-Promi“ unterwegs. Mit Klaus Wiesehügel, der in Peer Steinbrücks Schattenkabinett als Arbeitsminister vorgesehen ist. Es geht um berufliche Eingliederung, das Thema liegt Röspel am Herzen. Doch ansonsten verzichtet er gänzlich auf Promi-Unterstützung. Auch Firmenbesuche oder Politiker-Praktika in sozialen Einrichtungen lehnt er in Wahlkampfzeiten ab. „Ich bin ehrenamtlicher AWO-Vorsitzender. Ich kenne viele Einrichtungen und auch viele Firmen. Warum soll ich da im Wahlkampf dann hingehen?“
René Röspel spielt die Karte des erfahrenen, in Hagen verwurzelten Abgeordneten aus. Und des fleißigen Arbeiters: Die Online-Ausgabe der „Zeit“ hatte jüngst erst ermittelt, dass Röspel zu den zehn aktivsten Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion in dieser Wahlperiode gehört. 72 Mal hat er innerhalb der Bundestagsfraktion gesprochen., mehr als Fraktionschef Steinmeier. Er zitiert das nicht ohne Stolz: „Da steckt viel Arbeit dahinter.“
Beim Klinkenputzen
Viel Arbeit - das ist auch das Stichwort für den Nachmittag in Wehringhausen. Hausbesuche stehen an, das klassische Klinkenputzen. Das hat Röspel schon 1994 in Oberhagen gemacht, als er in den Hagener Stadtrat einziehen wollte. Aber er macht sich auch heute noch durchaus Gedanken, ob man damit nicht zu sehr in das Private der Menschen eindringt, die Info-Stände liegen ihm eigentlich mehr. Diesmal hat er SPD-Ratsfrau Uschi Metz an seiner Seite.
Das erste Haus ist taktisch gesehen ein Rohrkrepierer: Von innen in einem verheerenden Zustand, nur einmal wird kurz eine Tür geöffnet, ein Gespräch kommt nicht zustande. Auch in einem großen, recht gepflegten Wohnblock mit mehr als zehn Mietparteien ist es mühsam. Oft geht die Tür gar nicht auf, einmal wird sie brüsk zugeschlagen. Röspel wird nur wenige Kandidaten-Flugblätter los. Dass er sich in einem anderen Haus von Bewohnerin Sonja Lindner Kritik an der SPD wegen der Agenda 2010 anhören muss, kann René Röspel da schon eher ertragen. Immerhin findet sie es gut, dass der Kandidat vorbei schaut. Sie schwankt noch, wen sie wählen soll, lässt aber Sympathie für Rot-Grün erkennen. Eine Steilvorlage für Röspel: „Man kann ja seine Stimmen auch aufteilen und die Erststimme der SPD geben.“ Er setzt auf seinen Persönlichkeitsbonus in Hagen.