Hagen. . Cemile Giousouf (35), die Kandidatin der Hagener CDU, kämpft für einen Sitz im Bundestag. Dabei fällt auf: Das Thema, das auch viele überregionale Medien interessiert, spielt bei den Bürgern so gut wie keine Rolle: ihr Glaube.

Mal wird ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen, mal kommen Bürger freudestrahlend auf sie zu. Cemile Giousouf (35), die Kandidatin der Hagener CDU, kämpft für einen Sitz im Bundestag -- unsere Zeitung hat sie an einem Tag begleitet. Am Ende fällt auf: Das Thema, das auch viele überregionale Medien interessiert, spielt bei den Bürgern so gut wie keine Rolle: ihr Glaube. Bei einem Erfolg wäre Cemile Giousouf die erste Muslimin, die für die CDU in den Bundestag einzieht.

Im Warenkorb

Lohnt sich das? Cemile Giousoufs Tag beginnt im Warenkorb der Caritas am Boeler Kirchplatz. In jenem sozialen Laden also, in dem Bedürftige zu einem symbolischen Preis Lebensmittel und Hygieneartikel bekommen. Hier will sie eine gute Stunde mit anpacken, den Ehrenamtlichen helfen. Eine große Außenwirkung erzielt sie damit nicht. Dass die Zeitung mit dabei sein würde, konnte sie vorher nicht wissen. Doch die CDU-Kandidatin sagt: „Mir ist es wichtig, die sozialen Strukturen der Stadt kennenzulernen.“

Cemile Giousouf zieht sich eine Plastikschürze an, bindet die Haare zum Zopf und packt mit an. Sie hilft Evelin Wichert dabei, die angelieferten Brötchen zu sortieren und in Tüten zu portionieren. Man kommt ins Gespräch. Nicht die große Politik bewegt, sondern der drohende Abriss der Emster Quelle. Der „Witz des Jahrhunderts“, sagt Evelin Wichert. Was sie sich von der Kandidatin wünscht? „Dass sie etwas von den Eindrücken hier mitnimmt in die Politik“, sagt die Emsterin. Und? Was bleibt nun hängen? „Ich mache mir von allen Terminen Notizen, veröffentliche sie auf meiner Internetseite“, sagt Cemile Giousouf. Aber sie sagt auch: „Ich werde die Verhältnisse nicht einfach ändern können.“

Der Helfer Marktplatz

Ohne Pause geht es weiter. Marktplatzwahlkampf -- doch die Bedingungen sind nicht einfach in Helfe. Es gibt nur zwei Stände, wenige Leute sind unterwegs. Da kann sich Cemile Giousouf freuen, dass Brigitte Sezeorski direkt auf sie zukommt: „Ich wollte Frau Giousouf persönlich kennenlernen.” Seit mehr als 20 Jahren wähle sie die CDU. Hat sie Bedenken, weil die Kandidatin diesmal Muslimin ist? „Das ist okay, Mensch ist Mensch.”

Auch bei Hussein Malik wird die Kandidatin ihren Wahlkampf-Flyer los. Der gebürtige Pakistaner steht mit seinem Kleidungsstand auf dem Markt. Er wohnt in Haspe, ist seit acht Jahren deutscher Staatsbürger und Muslim. Doch Cemile Giousosuf zieht im Gespräch nicht die Glaubens-Karte. „Was? Sie ist Muslimin. Das hat sie gar nicht gesagt“, sagt Malik. Spielt die Glaubens-Frage eine Rolle? Marianne Cramer, CDU-Ratsfrau und Ortsunionsvorsitzende, sagt: „Bei den Bürgern eigentlich nicht. In der Partei war es zunächst so. Da gab es auch Vorbehalte.“

Im „Häuserkampf“

Die Besuche bei der AWO und im Betriebskindergarten der KB Schmiedetechnik im Lennetal werden schon fast zur Erholung, bevor es am späten Nachmittag in den „Häuserkampf“ geht. Von Tür zu Tür gehen, klingeln, sich vorstellen. Mit CDU-Ratsherr Detlef Reinke ist sie in der Schwarzwaldstraße in Halden unterwegs. Gutbürgerlich ist das Viertel, doch der Start zäh: Viele Türen öffnen sich erst gar nicht.

Dann bellt zum Schrecken von Cemile Giousouf der Hund -- sie hat Heiden-Respekt vor Vierbeinern. Und das Herrchen sagt auch noch: „Ich bin SPD-Wähler. Seit 40 Jahren.“ Und es gibt die ältere Frau, die zwar mit dem Enkelkind die Tür öffnet, sie aber gleich wieder zuwirft: „CDU? Da habe ich genug von.“ Ziehen sie solche Reaktionen runter? Cemile Giousouf setzt ein Lächeln auf: „Nein, das gilt ja nicht meiner Person.“ Und schließlich hat sie Glück, spricht länger mit einem älteren Ehepaar, das ihr zusagt: „Kein Angst, wir wählen Sie.“ Der Senior spricht von sich aus den Glauben an: „Wir machen uns Sorgen wegen des Islams.“ Cemile Giousouf nimmt sich Zeit, versucht den Unterschied zwischen friedlichem Glauben und Extremismus klar zu machen. Fast am Ende der Straße, bei Andreas Sie­berling, kann Cemile Giousouf zumindest hoffen. Er wird wählen gehen, weiß aber noch nicht, wen. Er findet es gut, dass die Kandidatin klingelt: „Schön, dass mal jemand hier zu uns nach Halden kommt.“