Hagen. . Hagens Oberbürgermeister Jörg Dehm ist aus Hagen weggezogen. Er wohnt nun wieder vollständig bei seiner Familie in Mülheim. Seinen Zweitwohnsitz in Hagen-Wehringhausen hat er aufgegeben. Mit seinem Umzug zurück nach Mülheim trifft Jörg Dehm bei allen Fraktionen auf nur wenig Verständnis.

Der Umzug von Oberbürgermeister Jörg Dehm (CDU) in seine Mülheimer Heimat hat am Wochenende über alle Parteigrenzen hinweg heftige Kritik ausgelöst. SPD-Parteichef Timo Schisanowski warf dem Verwaltungschef gar Wortbruch vor und forderte ihn angesichts der jüngsten Entwicklung erneut auf, sich bereits im Herbst 2014 zum Kommunalwahltermin dem Votum der Wähler zu stellen: „Angesichts der schwierigen und dringend zu lösenden Aufgaben in unserer Stadt ist eine Hängepartie bis zum OB-Wahltermin im Herbst 2015 nicht vertretbar.“

CDU-Fraktionschef Röspel zeigt sich entsetzt

Aber auch CDU-Fraktionschef Wolfgang Röspel machte gestern im Gespräch mit dieser Zeitung deutlich, dass er die von Dehm genannten privaten Gründe zwar respektiere, den Schritt, seine Wehringhauser Zweitwohnung ganz aufzugeben, jedoch für äußerst unglücklich halte: „Ich bin entsetzt über sein Verhalten.“ Die CDU habe damals ganz bewusst einen Verwaltungsfachmann von außen nach Hagen geholt. „Wir sind aber immer davon ausgegangen“, so Röspel weiter, „dass er mit seiner Familie in der Stadt eine Wohnung bezieht – Herr Huyeng hat dies längst getan.“ Dennoch zeigte sich der CDU-Fraktionschef überzeugt, dass sich Dehm auch künftig hundertprozentig für seine Aufgabe engagieren werde und er auch weiterhin der geeignete Fachmann bleibe, die Probleme der Stadt zu lösen. Der Bürger werde trotz des Wegzuges den Unterschied nicht merken. Allerdings ist sich Röspel bewusst, dass es auch zu innerparteilichen Verwerfungen kommen werde: „Die Kommunalwahl im Herbst 2014 wird jetzt auch zum Prüfstein für die persönliche Zukunft von Jörg Dehm – das lässt sich nicht trennen.“

„Die Stadt braucht einen Oberbürgermeister, der sich sprichwörtlich 24 Stunden am Tag für seine Stadt und Bürger einsetzt und nicht einen Kapitän, der in schwerer See das Schiff verlässt“, kritisierte SPD-Chef Timo Schisanowski. Dehm habe ohnehin Wortbruch begangen, weil er nie mit seiner Familie, sondern nur in einer Zweitwohnung in Hagen gelebt habe. „Wenn er jetzt noch davon spricht, er habe sein Wahlkampfversprechen dreieinhalb Jahre lang gehalten, dann ist das nicht nur selbstgefällig, sondern auch im höchsten Maße unseriös.“ Der SPD-Chef formulierte den Verdacht, dass Dehm die Stadt Hagen „lediglich als lästige Durchgangsstation in seiner weiteren Karriereplanung“ betrachte. Ebenso fehle ihm die für das Amt notwendige Identifikation und Verbundenheit mit der Stadt.

Kopfschütteln bei Claus Thielmann

Kopfschütteln auch bei FDP-Fraktionschef Claus Thielmann: „Jörg Dehms Entscheidung ist zwar menschlich verständlich. Dass der gewählte OB seinen Lebensmittelpunkt zurück nach Mülheim verlegt, ist aber ein schlechtes Beispiel in unserer um jeden Einwohner ringenden Stadt“, ärgerte sich der Liberale. „Die Gemeindeordnung verlangt zwar keine Präsenzpflicht, jedoch hat der erste Bürger unserer Stadt eine Vorbildfunktion und sollte im Stadtgebiet wohnen, so wie er dies vor seiner Wahl zugesagt hat.“

Absolutes Unverständnis auch bei Hagen-Aktiv-Frontmann Josef Bücker: „Für mich ist diese Entscheidung weder plausibel noch angemessen und schon gar nicht bürgernah. Zum einen erhöht sich doch der Aufwand für den Job als OB durch die viele Fahrerei und es entsteht keine zusätzliche Zeit für die Familie – es sei denn, Dehm ließe im Gegenzug den Job dafür schleifen. Zum anderen wäre es nur billig, wenn man als OB von allen Beschlüssen des Rates auch selbst betroffen ist – Residenzpflicht hin oder her. Böse Zungen könnten ihm“, so Bücker weiter, „sonst vorwerfen, dass er sich Steuervorteile verschaffen möchte, denn der Grundsteuer-Hebesatz liegt in Mülheim fast 200 Punkte unter dem in Hagen. Und, was ist eine Verlagerung des Wohnsitzes des Ersten Bürgers in eine weit entfernte Stadt schließlich für ein Signal an die Menschen, die hier leben? Heißt das etwa übersetzt, dass man hier tunlichst die Koffer packen und verschwinden sollte? Bürgernähe zeigt man nicht, indem man sich von den Hagenern bezahlen lässt, aber woanders wohnt.“

Vorbereiteter Abgang von Dehm?

In den Augen von Grünen-Fraktionssprecher Jochen Riechel konterkariere Dehm durch sein Handeln seine Ankündigung, bis 2015 im Amt bleiben zu wollen: „Das wirkt eher wie die Vorbereitung eines Abgangs. Natürlich ist eine private Entscheidung zu akzeptieren, aber der Umzug ist ein Schritt weg aus Hagen und gleichzeitig ein Signal an die CDU, über seine Nachfolge nachzudenken.“ Der OB habe zwar fachliche Stärken. „Doch“, so erinnerte Riechel, „Manager kommen auf Zeit und sind keine nachhaltige Personalie für eine Stadt. Dehms bisherige Erfolgsbilanz ist nicht so prickelnd – die Perspektive in Hagen ist für ihn einfach nicht gut.“