Hagen. . Das Experiment, „Verrücktes Blut“ mit Schüler und Studenten zu inszenieren, wurde belohnt. Im Jugendtheater Lutz feierte das anspruchsvolle Stück eine gelungene Premiere.
Klassenniveausenker. Faule, kriminelle Machos. Abzocker. Unterdrücker. Ehrenmörder. Rassisten und Schwesternhasser. Ausdrücke, die politisch sind, einen religiösen Beigeschmack haben und die Realität in einer multi-kulti Klasse widerspiegeln. Sie kommen vor im Stück „Verrücktes Blut“, das im Lutz Premiere feierte.
Strikte Ablehnung
Eine junge, engagierte Lehrerin möchte ihren Schülern mit Migrationshintergrund Kulturwerte vermitteln. Dabei prallt sie jedoch nicht nur auf fehlendes Interesse, sondern gar auf strikte Ablehnung, die in sexuellen Übergriffen, Gewalt und Bedrohung ihren Ausdruck findet. Als aus einem Schülerrucksack eine Pistole fällt, reißt die verzweifelte Lehrerin diese an sich und zwingt die Schüler Schillers „Räuber“ und „Kabale und Liebe“ zu spielen. Entschlossen kämpft sie für Aufklärung und Werte, und es beginnt ein abgründiger Tanz um Macht und Status.
Die Hagener Erstaufführung erhält ihre Brisanz durch die Besetzung: „Das seit gut zwei Jahren sehr erfolgreiche Stück braucht eigentlich ein Profiensemble. Doch trotz vieler Skrupel und einiger Bauchschmerzen haben wir uns dazu entschieden, Jugendliche spielen zu lassen“, erklärt Regisseur Werner Hahn sichtlich erleichtert. Außer einer gelernten Darstellerin wurden die anderen sieben Rollen von Schülern und Studenten aus dem Hagener Umkreis besetzt.
„Mit Thematik indentifizieren“
Hardy Karl-I-Bond sitzt mit einem Freund im Publikum und beobachtet aufmerksam das Geschehen. Er fiebert mit seinem kleinen Bruder auf der Bühne mit: „Ich kann mich mit der Thematik total identifizieren. Ich habe einen deutschen Ausweis, aber afrikanische Wurzeln, weswegen einem oft mit Vorurteilen gegenübergetreten wird. Man ist eben doch irgendwie ein Ausländer. In der Inszenierung werden typische Klischees bedient und damit problematisiert, das gefällt mir.“
Kübra Sekin ist eine der zahlreichen Nachrücker. Obwohl erst im Februar angefangen wurde zu proben, mussten etliche Male die Rollen neu besetzt werden: „Viele sind aus persönlichen Gründen wieder abgesprungen. Erste Theatererfahrungen habe ich in meiner Schulzeit in einer Theater-AG gesammelt, habe sie dann aber nicht weiter vertieft. Jetzt in meiner Studienzeit bin ich in eine Performance-Gruppe gekommen und schließlich bin ich hier gelandet. Es war eine tolle Erfahrung.“
„Diese Art Bildung lohnt sich“
Persönliche Reife, eine Eigenschaft, die die Lehrerin bei ihren Schülern vergebens sucht. Doch Werner Hahn ist sich sicher: „Auch wenn es unglaublich schwierig war, die Schulleitung der Hauptschule Remberg davon zu überzeugen, dass eine Unterrichtsbefreiung von drei Jungen sich als gut erweisen würde, spätestens jetzt sollte man sehen: Diese Art der Bildung lohnt sich.“
„Verrücktes Blut“ wurde 2010 von Nurkan Erpulat und Jens Hillje für die Ruhrtriennale erstellt und wurde von „Theater heute“ zum Stück des Jahres gewählt. Weitere Vorstellungen im Lutz gibt es am 23., 24., 25., 26. und 27. April um 19.30 Uhr sowie am 3., 14., 15 Mai und am Juni um 12 und 19.30 Uhr, sowie am 5. Juni um 12 Uhr. Karten unter 207-3218 oder www.theater-hagen.de.