Altenhagen. . Der Kleiderladen „Kind und Kegel“ ist die wohl einzige Konstante in Altenhagen. Menschen kamen und gingen, nur das Team des Ladens war immer vor Ort, bot Kleidung für weniger gut betuchte Menschen in dem Stadtteil.
Altenhagen hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten rasant verändert. Menschen und Geschäfte kamen und gingen, in großen Teilen wird der Stadtteil heute von Einwandererfamilien dominiert, und wenn es eine Konstante gibt zwischen Alexanderstraße und Märkischem Ring, dann heißt sie Veränderung. Die Zeitläufe überstanden hat der Kleiderladen des Kinderschutzbundes an der Ecke von Spichern- und Friedensstraße. Seit 39 Jahren ist Ulrike Werner (70) dort als ehrenamtliche Helferin tätig: „Günstige Anziehsachen haben die Menschen, die hier leben, immer gebraucht.“
Wandel und Erneuerung
Von Wandel und Erneuerung in Altenhagen können Ulrike Werner und die 14 weiteren Mitarbeiterinnen ein Lied singen, der Second-Hand-Shop ist so etwas wie der Seismograph von Altenhagen. Mal hätte diese, mal jene Nationalität unter der Kundschaft dominiert, Albaner, Türken, Deutsche, Italiener, Marokkaner und andere würden sich bis heute in zügigem Wechsel die Klinke in die Hand geben. Über Sitten und Gebräuche, Vorurteile und Vorlieben der unterschiedlichen Gruppen wissen die Frauen vom Kleiderladen bestens Bescheid. „Früher haben wir nebenan noch einen Milchladen betrieben“, erinnert sich Ulrike Werner. „Und zwischen den Klamotten haben Kinder ihre Hausaufgaben gemacht.“
Denn Hausaufgabenhilfe und Essensausgabe gehören ebenfalls zu den Aufgaben des Kinderschutzbundes, auch wenn sich viele Aktivitäten inzwischen in die Zentrale in der Potthofstraße verlagert haben. Leiterin Christa Burghardt berichtet, Kinderarmut sei schon immer ein Thema in der Stadt gewesen, derzeit lebten 10.000 Hagener Kinder und Jugendliche mit ihren Eltern von Hartz 4 oder Arbeitslosengeld 2: „Armut hat viele Facetten. Das Fehlen warmer Winterkleidung gehört dazu.“
Spielplatzhosen und Kinderjeans
Dennoch strömen nicht nur mittellose Menschen in den Kleiderladen mit der offen einsehbaren Fensterfront unweit des Altenhagener Schulzentrums. Auch Normalverdiener suchen nach einem Schnäppchen wie gebrauchten Spielplatzhosen oder Kinderjeans, was die Schwellenangst beim Betreten des Shops für die wirklich Bedürftigen reduziert.
Angesichts der niedrigen Preise lassen sich die Mitarbeiterinnen auf keine Feilscherei ein, auch wenn manche Kunden immer mal wieder versuchen, die ohnehin niedrigen Preise zu drücken. Doch der Second-Hand-Shop ist kein Trödelmarkt. „Schließlich fließt der Erlös einer guten Sache zu, dem Kinderschutzbund“, betont Annette Lehmann (69).
Gespür für wirkliche Notlagen
Mit den Jahren haben die Helferinnen das nötige Gespür für wirkliche Notlagen ausgebildet. Wenn sich eine Mutter leise nach dem Preis einer Kinderjacke erkundige, dann sage sie ihr, sie solle sich die Ware in Ruhe ansehen, das mit dem Geld regele man schon, berichtet Ulrike Werner.
Andererseits wird dem Laden-Team warm ums Herz, wenn sich eine Frau, die gestern einige Kleidungsstücke eingekauft hat, heute mit einem Kuchen oder einem Pfund Kaffee zurückmeldet: „Wenn wir erleben, dass diejenigen sich freuen, denen wir geholfen haben, dann freuen wir uns wiederum“, sagt Else Wenderoth (75).
Seit Jahrzehnten dabei
Die meisten Helferinnen sind seit Jahrzehnten dabei, doch inzwischen liebäugeln viele mit dem Abschied aus dem Ehrenamt. Rosi Duisberg (70) etwa will sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Deshalb sucht der Kinderschutzbund neue Frauen, die etwas Sinnvolles tun und an einem Nachmittag pro Woche im Kleiderladen mithelfen wollen.
Neben dem Gefühl, etwas Gutes zu tun, vermittelt die Tätigkeit auch ein Bild vom Auf und Ab in Altenhagen, einem Stadtteil, in dem Veränderung eine Konstante ist.