Altenhagen. . Altenhagen war früher ein feines Fabrikantenviertel, in dem große Industrielle ihren Wohnsitz hatten. Heute verfallen Teile des Quartiers mit den einst prächtigen Gründerzeithäuser. Eine Bestandsaufnahme.
Der Verfall wird an vielen Orten des Quartiers offenbar. Schmuddelige Straßenzüge links und rechts, ungepflegte und heruntergekommene Fassaden, Müll und anderer Unrat, den irgendwer an der Ecke hat stehen lassen. Wittekindstraße, Altenhagen: Erst vor Tagen wurde durch den Fund einer Frau, die fünf Jahre lang unbemerkt tot in ihrer Wohnung lag, wieder ein unrühmliches Licht auf den einst so stolzen Hagener Stadtteil geworfen.
Dabei ist Altenhagen so etwas wie die Keimzelle für die Großstadt Hagen, der älteste Stadtteil. Hier liegen die Ursprünge für die Besiedlung des Hagener Stadtgebiets. Hier gibt es auch heute noch gut bürgerliche Gegenden, zum Beispiel am Ischeland. Aber eben auch eine Reihe von abgewirtschafteten Straßenzügen. Altenhagen war ehemals ein Fabrikantenviertel, wo viele große Industrielle der Stadt ihren Wohnsitz hatten. Durch die geringe Zerstörung im Zweiten Weltkrieg sind viele Gründerzeithäuser erhalten. Fast 70 Jahre nach Kriegsende drohen sie nach und nach zu verfallen.
„Wer schlau war, hat seinen Haus vor 20 Jahren verkauft“
Altenhagen trifft ein Schicksal, wie es einige Viertel deutscher Städte getroffen hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderten sich die Wohnstrukturen. Sozial benachteiligte Familien zogen zu, der Anteil von Sozialhilfeempfängern stieg. Außerdem gab es einen starken Zuzug von Migranten. Parallel veränderte sich die Eigentumsstruktur. Viele der alten Eigentümer verkauften ihre Häuser – oft weit unter dem Verkehrswert.
Die neuen Eigentümer investierten nicht mehr ausreichend in die Gebäude, entweder weil sie es finanziell nicht konnten oder es nicht wollten. Eine Abwärtsspirale war in Gang gesetzt. Der Bevölkerungsschwund, unter dem Hagen überproportional zum Bundesschnitt leidet, tut sein Übriges. Denn Viertel, die heruntergewirtschaftet sind, haben mehr Leerstände als gut situierte Quartiere. In halb leer stehenden Mietshäusern bleibt von dem bisschen Mieteinnahme für den Eigentümer kaum etwas übrig, um das Nötigste an Instandhaltungsmaßnahmen zu finanzieren.
„Wer schlau war, hat seinen Haus vor 20 Jahren verkauft“, sagt Bernhard Mertens, selbst Eigentümer einer großen Wohnung in einen gepflegten Haus an der Wittekindstraße. Eigentlich hängt Mertens am Stadtteil Altenhagen. Schon seine Mutter hatte hier eine Eigentumswohnung. „Der Stadtteil hat sich immer weiter nach unten gewandelt“, sagt er und beklagt einen Kulturverfall, der um sich greife. „Hier wird der Müll oft einfach nur an die Straße gestellt.“
Mit Polizei, Ordnungsamt und anderen Behörden bei der Stadt Hagen hat Mertens bereits ausführliche Korrespondenzen geführt. Viel zu selten sei nachhaltig etwas geschehen. Dass jetzt entlang der Wittekindstraße die Gehwege saniert werden, „grenzt ja schon an ein Wunder“, stellt er ernüchtert fest. „Altenhagen hat keine Lobby. Das Viertel wird übersehen.“
„Es ist hier alles andere als furchtbar"
Diesem Vorwurf widerspricht Bezirksbürgermeister Jürgen Glaeser. Es gebe Initiativen, den Problemzonen des Stadtteils zu helfen. Dass man damit eine Umkehr der Abwärtsentwicklung erreichen könne, daran sei aber nicht zu denken. „Als Stadt selbst sind wir zu klamm, um zum Beispiel Immobilienbesitzern mit Zuschüssen Anreize für Investitionen zu geben.“
Durch EU-, Bundes- und Landesprogramme sei aber Geld nach Altenhagen geflossen, mit dem Sinnvolles angestoßen worden sei. Manche Elemente dieser Programme wirken weiter: Zum Beispiel das Altenhagener Stadtteilforum, das Jugendzentrum oder Sprachförderprogramme für Migranten. „Ich denke, dass es sich im Großen und Ganzen um einen liebenswerten Stadtteil handelt.“
Das sagt auch Heinz-Michael Hußmann, der seit Jahrzehnten ein Küchenfachgeschäft an der Adolfstraße unterhält. Um ihn herum sind sie alle nach und nach verschwunden: der Gärtnereibetrieb, der Metzger, der Bäcker oder der Schneider. „Das ist sehr schade und tut dem Stadtteil auch sicher nicht gut.“ Bei allen strukturellen Problemen, die er fast täglich erlebt, zieht er gleichwohl ein positives Gesamtfazit: „Es ist hier alles andere als furchtbar. Wir leben doch ganz gut nebeneinander und miteinander.“