Vorhalle. . Der MGV Vorhalle hat sich im vergangenen Jahr aufgelöst, weil die aktiven Sänger immer weniger wurden. Doch zum Schwätzchen treffen sich die ehemaligen Chorbrüder auch heute noch gerne.

Wenn 120 Jahre Tradition einfach zusammenbrechen, können auch die gestandensten Männer ihre Emotionen nicht mehr zurückhalten. Die Mitglieder des MGV Vorhalle verabschiedeten sich Ende letzten Jahres voneinander, der Verein wurde aufgelöst. Der Nachwuchs habe gefehlt. Und die „Sturheit älterer Herren gegenüber Veränderung“ habe dem Verein ebenfalls im Weg gestanden.

Neue Leute blieben aus

So begründet es der ehemalige Vorsitzende Peter Glitsch. Ihm ist anzumerken, wie unwohl er sich fühlt, als er über die Gründe des Scheiterns spricht. Nicht aus Frust oder Wut. Er ist traurig, dass es den MGV Vorhalle nun nicht mehr gibt. Seinen Sangesfreunden geht es ähnlich. Heinz Müller war über 30 Jahre Mitglied beim MGV. Er ist ein Ur-Vorhaller, die Tränen steigen ihm in die Augen, als er die Gründe für die Auflösung nennt: Nachwuchsmangel, zu alte Mitglieder, die Bereitschaft, einen Posten im Vorstand zu belegen, fehlte. „Egal, was wir gemacht haben, wir haben es nicht geschafft, neue Leute für unseren Chor zu bekommen“, sagt der ehemalige Notenwart betrübt.

Am Ende waren nur noch elf Männer übrig. Eine Anzahl, die für einen Chor auf Dauer zu gering ist. „Wir singen vierstimmig. Ab und zu musste unser Dirigent schon einspringen, weil dann jemand krank geworden war. Das ist nicht tragbar auf lange Sicht“, erklärt Wilfried Witulski, ehemals Kassierer beim MGV Vorhalle. So wirklich verstehen kann es niemand, warum der MGV es nicht schaffen konnte. Schließlich würden andere Vereine auch überleben. Zwar teilweise mit Mühe und Not, aber sie schaffen es. Peter Glitsch ist sich aber bewusst, dass die Mitglieder des MGV es sich teilweise selbst zuzuschreiben haben.

Jugend will sich nicht binden

1992, als die Vorhaller 100-jähriges Bestehen feierten, kam zum ersten Mal die Diskussion auf, Frauen aufzunehmen. „Wir hatten damals überlegt, uns mit einem Frauenchor zusammenzuschließen. Aber das wurde relativ zügig abgelehnt von den Männern“, so der 65-Jährige. Im Nachhinein vielleicht eine Entscheidung, die nicht so klug war. Denken die Sänger zumindest heute. Denn die Nachwuchssorge wurde mit den Jahren immer größer.

Selbst aus dem engsten Familien- und Bekanntenkreis war niemand zu motivieren. Oftmals kamen Ausreden wie „Ach, ich kann doch gar nicht singen“, andere sagten zu einer Chorprobe zu, seien aber niemals aufgetaucht. Warum gerade die jungen Männer keine Lust auf eine solche Gemeinschaft haben, die bei dick und dünn zusammenhält, ist den ehemaligen Mitgliedern sonnenklar. „Die jungen Leute wollen sich nicht binden. Deshalb haben ja auch Sportvereine Probleme. Diese festen Tage und Zeiten sind anscheinend nichts für die Jugend“, meint Günter Somborn.

Nur für das Gemeinschaftsgefühl

Der 79-Jährige feiert in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag. Er hofft, dass seine ehemaligen Sangesbrüder dann ein Ständchen für ihn übrig haben. Zurzeit treffen sich die Freunde jeden zweiten Donnerstag im Monat, um an alte Zeiten zu erinnern. Ohne Gesang, nur für das Gemeinschaftsgefühl. „Ich bin gespannt, ob wir das lange durchhalten. Oftmals funktioniert das nur eine bestimmte Zeit, aber dann werden andauernd Leute verhindert durch private Termine“, sagt Peter Glitsch.

Die Mitglieder des MGV Vorhalle haben sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Nun wollen sie einen Schlussstrich ziehen. Auch wenn sie noch lange wehmütig an die glorreichen Zeiten des MGV zurückdenken werden.