Hagen. Für den ehemaligen Rektor der Fernuniversität, Ulrich Battis sind politische Fremd-Importe wie die designierte Bundestagskandidatin Cemile Giousouf ein ganz natürliches Phänomen. Schließlich sei die Erststimme eine Persönlichkeitswahl, egal wo die Kandidatin herkomme.
Frank Walter Steinmeier ist so ein Kandidat. Ehemaliger Kanzleramtschef und heutiger SPD-Oppositionsführer im Bundestag. Sein Wahlkreis: Die kreisfreie Stadt Brandenburg. Sein Geburtsort: Detmold. Oder Annette Schavan, Bundesbildungsministerin. Geboren in Jüchen im Rheinland. Ihr Wahlkreis: Alb-Donau und Ulm.
Cemile Giousouf, designierte Bundestagskandidatin für die Hagener CDU, passt – zumindest vom Bekanntheitsgrad her – nicht in diese Reihe. Aber – und das eint sie mit Steinmeier und Schavan – auch sie soll eine ihr fremde Stadt im Bundestag vertreten. Passt das mit der ursprünglichen Idee der Erststimme eigentlich zusammen?
Politische Fremd-Importe ein natürliches Phänomen
Für Ulrich Battis, ehemaliger Rektor der Fernuniversität und emeritierter Professor der Humbold-Universität Berlin, sind solche politischen Fremd-Importe ein ganz natürliches Phänomen - auch wenn er die Befremdlichkeit durchaus nachvollziehen kann.
Wir erwischen den Wissenschaftler am Telefon in der S-Bahn. Seine erste Reaktion auf unsere Anfrage in Sachen ortsfremde Bundestagskandidaten: „Denken Sie doch mal an Dietmar Thieser. Er ist ja unverkennbar auch kein Sauerländer und hat in Hagen politisch Karriere gemacht.“
Muss man sich in einer Stadt auskennen?
Stimmt. Aber sollten die Thiesers, Steinmeiers und Schavans angesichts der eigentlichen Idee der Erststimme nicht eher die Ausnahme bilden? Sollte der Repräsentant einer Großstadt wie Hagen nicht wissen, dass die Boelerheide nicht Boele ist und dass zwischen Innenstadt und Eilpe erst noch Oberhagen kommt? Muss man nicht wissen, wie eine Stadt tickt?
„Letztlich ist die Erststimme eine Persönlichkeitswahl. Man entscheidet sich für einen Menschen, nicht unbedingt für eine Partei“, erklärt der Staatsrechtler.
Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt seien, spreche nichts dagegen, dass ein Kandidat nicht aus Hagen komme. „Es bleibt natürlich die Frage, ob es einen Wohnsitz oder einen Scheinwohnsitz gibt“, sagt Battis. Zöge Frau Giousouf also tatsächlich nach Hagen, spräche rein rechtlich nichts gegen ihre Wahl.
Gute Einarbeitung kann sich auszahlen
Frank Walter Steinmeier und Annette Schavan seien laut Battis gute Beispiele, wie gut das funktionieren könne. Bei Bildungsministerin Schavan könne es zum Beispiel sein, dass sie – trotz der Querelen um ihre Doktorarbeit – wieder direkt gewählt würde: „Die Wähler honorieren es, wenn man sich gut eingearbeitet hat in eine Aufgabe“, so Battis.
Dieser Aspekt allerdings würde eher für René Röspel sprechen, der seit 1998 stets als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Hagen bzw. seit 2002 des Wahlkreises Hagen – Ennepe-Ruhr-Kreis I in den Bundestag eingezogen ist.