Hagen. .
Das Erfolgsrezept des indischen Designers Chandra Prakash Jha lautet: Man nehme Hagener Hobbymodels, style sie mit Hilfe einer ortsansässigen Friseurmeisterin und lasse sie von einer Fotografin aus Hagen im Gemeindehaus der Pauluskirche ablichten.
Auf diese Weise begeisterte er im vergangenen Jahr die Berliner Fashion-Week mit seiner Kollektion. Kunden aus aller Welt sind verrückt nach seiner tier- und umweltschonenden Kleidung aus Bio-Seide, die er unter dem Label „Cocccon“ vertreibt.
Jha stellt Herbst/Winter-Kollektion in Berlin vor
Auch in diesem Jahr ist Jha erneut in den „Green Showroom“ der Berliner Fashion-Week ins Nobelhotel Adlon eingeladen, um seine Herbst/Winter-Kollektion für 2013/14 zu präsentieren. Damit diese bei Modejournalisten und Kunden genauso gut wie im letzten Jahr ankommt, setzt er auf die bewährte Erfolgsformel: Modefotos made in Hagen, die den potenziellen Kunden in Form eines digitalen E-Katalogs gezeigt werden.
„Ich lasse keine richtigen Kataloge der Kollektion drucken, da es unnötige Umweltverschmutzung ist“, betont Jha noch etwas müde um 10 Uhr im Friseursalon „AnRo – Delicut“ von Annette Gora. Die 39-Jährige betreibt seit neun Jahren ihren eigenen Salon und verfügt über viel Erfahrung beim Styling der Models für Fotoshootings. „Prakash und ich setzen uns einige Wochen vor dem Shooting zusammen und überlegen, welche Frisur und welches Make-Up zu den ausgewählten Sachen passen“, erklärt sie. „Er lässt mir viel Raum für Kreativität.“ Jha ergänzt: „80 Prozent der Styling-Ideen stammen von ihr.“
Die langen, braunen Haare der 19-jährigen Scarlett Gartmann, die heute bereits zum zweiten Mal für Jha vor der Kamera steht, beschäftigen Gora und Jha sehr. „Wir binden sie am besten auf diese Weise zusammen“, überlegt Gora und bauscht die Haare der Schülerin hoch, während Jha dem Hobbymodel ein mit Pailletten besticktes, schwarzes Hemdkleid unter das Kinn hält. „Ja, das sieht sehr elegant aus.“
Hobbymodels sind natürlicher
Der Designer, der sein Atelier in Wehringhausen betreibt, findet seine Models in der Stadt. „Prakash hat mich auf der Straße angesprochen“, berichtet Scarlett, die das Fichte-Gymnasium besucht. „Am Modeln gefällt mir die Kreativität der verschiedenen Menschen und dass man in unterschiedliche Rollen schlüpfen kann.“ Den Vorteil von Hobbymodels sieht Jha darin, dass sie sich oft natürlicher und selbstbewusster vor der Kamera bewegen als Profis.
Laura Winning (22) ist zum ersten Mal dabei. „Ich lasse alles einfach auf mich zu kommen“, erklärt sie und legt sich einen Seidenschal aus der Kollektion um den Hals. Dagegen verfügt die 20-jährige Laeticia Mankoto bereits über Model-Erfahrung. Sie hat an Modenschauen in Düsseldorf teilgenommen und stand für Fotostrecken vor der Kamera.
Drei Stunden für Frisur und Make-up
„Während des Shootings achte ich darauf, dass mein Gesichtsausdruck nicht angespannt wirkt“, verrät sie. „Außerdem versuche ich den Abend vorher viel Schlaf zu bekommen.“
Die drei Hobbymodels können sich vorstellen, das Ganze zu ihrem Beruf zu machen. Aber sie schätzen ihre Chancen realistisch ein. „Für den internationalen Markt hätte ich schon mit 14 anfangen müssen“, erklärt Scarlett. An einer Castingshow teilzunehmen, käme für die drei nicht in Frage. Laura betont: „Die Mädchen werden dort als Massenware total verheizt.“
Nach drei Stunden Frisuren stecken, Haarsprayschwaden in der Luft, unzähligen Lidstrichen und geöffneten Puderdosen geht es für die vier mit dem Taxi zum Gemeindehaus der Paulus Kirche. Jha hat spontan den Auszubildenden des Friseursalons, Pasquale Castellino (23) als Model gewinnen können, da in seiner Kollektion auch erstmals Herrensachen dabei sind.
Fotoshooting in der Krabbelgruppe
Der Designer ist schon vorgefahren, um der Fotografin Heike Wippermann beim Aufbau des Equipments zu helfen. Das Shooting findet in einem Raum des Gemeindehauses statt, in dem sich normalerweise Krabbelgruppen treffen. Inmitten von Bobbycars, Kuscheltieren und Kasperpuppen bauen Wippermann und Jha Scheinwerfer auf. „Ein Studio zu mieten, würde viel zu hohe Kosten verursachen“, erklärt Heike Wippermann. „Jha und ich kennen durch unser Engagement in der Gemeinde das Pastorenehepaar Schwerdtfeger gut, deshalb dürfen wir den Raum kostenlos nutzen.“ Die Schwerpunkte der selbstständigen Fotografin liegen eigentlich in der Industrie- und Werbefotografie. Modefotos anzufertigen, ist für sie eine willkommene Abwechslung. Bevor die Models startbereit sind, gibt Jha den Seidenschals den letzten Schliff, indem er selbst zum Bügeleisen greift.
Die Scheinwerfer tauchen die Models vor dem grauen Hintergrund in warmes Licht. In Boots statt High-Heels präsentieren sie Jhas Kollektion als hätten sie noch nie etwas anderes gemacht. Zusammen mit Heike Wippermann probieren sie verschiedene Posen und Gesichtssaudrücke aus. „Das Kinn noch etwas höher“, „Nimm die Hände mehr nach unten“, „Jetzt bitte zu mir schauen“ hallt es durch das Gemeindehaus. Mehr als sechs Stunden dürfen die Kuscheltiere der Krabbelgruppe den Anblick des Shootings genießen. Dann gehen die Scheinwerfer aus und Chandra Prakash Jha zieht mit tollen Fotos weiter nach Berlin, um die Modewelt erneut zu beeindrucken.