Hagen. .

Es gibt drei Dinge, die ein Mann in seinem Leben vollbringen soll, und Karl-Heinz Engelhardt (74) hat sie vollbracht: Er hat ein Haus gebaut, einen Baum gepflanzt und ein Kind gezeugt. Ach was, er hat fünf Kinder gezeugt. Und er hat unzählige Bäume gepflanzt.

Er hat sie gepflanzt, vermehrt und veredelt. Apfelbäume, Birnbäume, Kirsch- und Pflaumenbäume. Karl-Heinz Engelhardt ist das, was man ein wandelndes Obstbaumlexikon nennen würde. Am Spalier in seinem Schrebergarten im Alten Holz züchtet er an vier Stämmen 50 Apfelsorten. „Ich glaube, das ist mir angeboren, die Liebe zu den Äpfeln und zum Gärtnern, meine ich. Mein Vater war schon so.“

Süßsäuerlicher Herbstapfel

30 Jahre lang war Engelhardt als Bezirksfachberater in den 41 Hagener Kleingartenanlagen tätig. Der Bezirksfachberater ist so eine Art Oberguru für Baumschnitt, Schädlingsbekämpfung und Gemüseanbau. Denn es handelt sich um Wissenschaften, das muss festgehalten werden. An den Mondkalender glaubt Engelhardt nicht, er ist kein Esoteriker: „Es kommt darauf an, zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun“, nennt er als Grundlage seiner Weisheit. Er spricht mit seinen Pflanzen, natürlich, er streichelt die Äpfelchen, wenn sie keck und rotbackig heranreifen, und er tadelt sie, wenn sie hinter seinen Erwartungen zurückbleiben. „Der Mann lebt und stirbt für seinen Garten“, sagt Roland Rietig (58), Engelhardts Nachfolger als Bezirksfachberater.

30 Jahre seien genug, sagt Engelhardt, jetzt will er sein Wissen und seine Energie ganz in den eigenen Garten investieren. Es ist Apfelblüte, er geht vor seinem Spalier auf und ab, hier hat er den Roten Mantet gezüchtet, dort den Shinko, den Schönen aus Nordhausen, die Rubinette, den Dülmener Rosenapfel. Wie beim Wein gibt es auch bei den Äpfeln klangvolle Namen mit einem Hauch von Weltläufigkeit. Engelhardt trägt dazu bei, dass alte Arten, die kaum noch gezogen werden, erhalten bleiben: den Erwin Bauer etwa, einen kugeligen, saftig süßsäuerlichen Herbstapfel, hat er direkt auf den Ecolette, einen angenehm-neuartigen Tafelapfel, gepfropft. Alt und neu einträchtig benachbart, das ist in Engelhardts Sinn, wenn die Bäumchen nur schon im zweiten Jahr reichlich Früchte tragen. Er hat nicht nur fünf Kinder, sondern inzwischen elf Enkel, und die muss er mit seinen Äpfeln und Birnen versorgen.

"In meinem Garten bin ich der Chef"

Wie man einen Obstbaum richtig schneidet, das ist, wie gesagt, eine Wissenschaft, ein schwieriges Geschäft, Karl-Heinz Engelhardt hat den grünen Daumen, er schneidet nicht zuviel weg, dann produziert ein Baum zuviel Holz und Blattknospen. Der Martini, sagt er, sei sein Lieblingsapfel, er heißt auch Großherzogs Liebling, er sieht so kraulig aus, er hat keine roten Backen, man könnte ihn nie im Supermarkt verkaufen: „Aber geschmacklich ist er unübertroffen.“

Keine Chemie, doziert Engelhardt mit zunehmendem Appetit, nur eine Antriebsspritzung zeitig im Jahr mit Weißöl, das Insekten und deren Brut erstickt. Im weiteren Jahreslauf setzt er auf Meisen und Zaunkönige und Florfliegen, Schlupfwespen, Marienkäfer und Ohrenkneifer, die das Ungeziefer an den Obstherrlichkeiten vertilgen, er ist ein Großinvestor in Sachen Nistkästen und Insektenhotels.

Engelhardt klettert auch wieder auf Bäume, eine Zeitlang konnte er das nicht, war ihm doch unter einem Pflaumenbaum die Leiter weggerutscht. Sehnen und Muskeln in seiner Schulter rissen, er musste operiert werden, und als er wieder in seinen Garten zurückkehren konnte, sah er den Baum scheel an. Er nahm es persönlich, zweifellos. „In meinem Garten bin ich der Chef, nicht du“, sagte er, griff zur Säge und fällte ihn.