Hagen. Weil ein Kinosaal nicht für Rollstuhlfahrer zugänglich war, wählte Heike Schellenberg einen Film in einem anderen Saal - und wurde dort vergessen. Durch einen Schlaganfall stürzte die Frau vor drei Jahren vom Motorrad und sitzt seitdem im Rollstuhl.

Zuerst konnte die Rollstuhlfahrerin aus Eckesey den mit Oscars überschütteten Film „The Kings´s Speech“ im Cinestar nicht sehen, weil der Raum nicht für Behinderte zugänglich war. Notgedrungen suchte sie sich einen anderen Film aus - und wurde im dunklen Saal vergessen!

Durch den Schlaganfall aus dem Leben gerissen

Bis zu ihrem Schicksalstag vor drei Jahren stand Heike Schellenberg in jeder Beziehung mitten im Leben. Sie war selbstständige (und erfolgreiche) Grafik- und Objektdesignerin, fuhr Motorrad und ging leidenschaftlich gern ins Kino. Es geschah am 25. Mai 2008 auf der A45 in Höhe von Olpe, Heike Schellenberg kehrte mit Freunden aus einem Schwarzwald-Urlaub zurück, als sie plötzlich das Bewusstsein verlor. Das Motorrad warf sie ab, sie flog durch die Luft und prallte hart auf den Asphalt, doch das bekam sie schon nicht mehr mit. Zwei Wochen später erwachte sie im Krankenhaus aus dem Koma. Wie sich herausstellte, hatte sie während der Fahrt einen Schlaganfall erlitten, die Ärzte teilten ihr mit, sie sei nun linksseitig gelähmt. Damit nicht genug: Bei dem Sturz vom Motorrad wurden zwei Brustwirbel verletzt, Heike Schellenberg war dadurch auch querschnittsgelähmt. „Der Unfall hat mich aus dem Leben geboxt“, sagt sie.

Zurück ins Leben gekämpft

Doch sie hat sich wieder heran gekämpft an das Leben. Sie sitzt im Rollstuhl, der linke Arm hängt schlaff herab, aber in Eckesey hat sie eine behindertengerechte Wohnung gefunden, und manchmal trudelt ein Auftrag ein bei www.schellenbergdesign.de. Sie hat Rockkonzerte besucht, die Konzertsäle waren barrierefrei, aber ihre eigentliche Leidenschaft ist nun mal das Kino. Sie wollte so gern „The Kings´s Speech“ sehen, diesen so hochgelobten Film über den stotternden englischen König, es sollte ihr erster Kinobesuch seit drei Jahren sein. Doch als sie mit zwei Freundinnen an der Kasse im Cine­star war, teilte man ihr mit, der Kinosaal sei für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich. Einmal vor Ort, entschieden sich die Frauen für einen anderen Saal, der für Rollstuhlfahrer über den Notausgang erreichbar ist. Doch abgesehen davon, dass dort ein stupider Actionfilm lief, der so gar nicht nach ihrem Geschmack war, musste Heike Schellenberg auch noch in der ersten Reihe sitzen, wo man einige Stühle ausgebaut hatte, um Platz für Rollstuhlfahrer zu schaffen.

Als der Film zu Ende war und es dunkel wurde in Kinosaal 2, hatte die Platzanweiserin, die Heike Schellenberg in den Raum geführt hatte, offenbar vergessen, dass sich ganz vorne noch eine Rollstuhlfahrerin befand. Sie schloss die Tür, Heike Schellenberg und ihre Begleiterinnen konnten nicht hinaus. Glücklicherweise hörte ein aufmerksamer Gast das laute Klopfen der Eingesperrten und befreite sie.

Entschuldigung des Cinestar-Leiters

„Dieser Kinobesuch war die erste harte Diskriminierung, die ich erleben musste“, berichtet Heike Schellenberg. „Ich habe mich so mies gefühlt.“ Was Cinestar-Leiter Frank Lichtenberg nachvollziehen kann: „Wir würden gern mehr tun für Behinderte, aber das ist nicht so einfach“, sagt er zerknirscht. „Beim Bau des Kinos ist wohl nicht ganz richtig geplant worden.“ Zwar seien fünf der acht Säle für Rollstuhlfahrer zugänglich, aber eben nur in der ersten Reihe, wo der Zuschauer den Kopf in den Nacken und den Blick beim Zuschauen hin- und herwerfen muss. Was Frau Schellenberg widerfahren sei, tue ihm Leid, so Lichtenberg, er wolle nun prüfen, ob nicht wenigstens im Logenbereich von Saal 6 behindertengerechte Plätze eingerichtet werden könnten: „In der Nähe des Notausgangs wäre das möglich, aber da muss das Bauordnungsamt mitspielen.“

Jetzt im März sitzt Heike Schellenberg gern im Innenhof ihres Wohnquartiers in der Sonne, sie genießt die Wärme, sie liest Zeitung, das Umblättern fällt schwer mit nur einem funktionstüchtigen Arm. „Als ich noch Fußgänger war, bin ich jede Woche mehrmals ins Kino gegangen“, sagt sie.