Kuhlerkamp.

Das Hoffen und Bangen hat ein Ende. Die Zu- und Absagen für die Kindergartenplätze zum 1.8.2012 sind raus. Doch der Gang zum Briefkasten endete für viele Familien mit einem langen Gesicht. 292 Eltern von Kindern unter drei Jahren bekamen eine Absage.

Familie Renner kennt das Gefühl. Vor drei Jahren hat es mit dem Kindergartenplatz für ihren damals einjährigen Sohn Tobias nicht geklappt. Über Umwege fanden die Renners und Tagesmutter Andrea Hilgenstock damals zusammen. Im Nachhinein war das für Yvonne Renner und ihren Mann Andreas ein Glücksfall. „Tobias hat einfach noch eine kleinere Gruppe mit familiärer Atmosphäre gebraucht“, ist sich die 28-jährige Mutter heute sicher. „Kleine Kinder gehen hier in der Gruppe mit maximal fünf Kindern nicht unter.“

Nach zwei Jahren bei Tagesmutter Andrea Hilgenstock geht Tobias mittlerweile ganz in der Nähe in den katholischen Kindergarten Maria Königin des Friedens am Kuhlerkamp, obwohl die Familie im Hochschulviertel an der Lützowstraße lebt. So kann die Tagesmutter den fast Vierjährigen bei Bedarf abholen. Tochter Jasmin ist ab Sommer bei Andrea Hilgenstock fest angemeldet. „Wir machen das den Kindern zuliebe und nehmen dafür die Anfahrt gerne in Kauf“, sagt Yvonne Renner. Die 28-Jährige wird im Spätsommer nach 1,5 Jahren in Elternzeit wieder voll als MTA beim Blutspendedienst West arbeiten. „Da kann es auch mal später werden“, weiß sie aus Erfahrung. „Im Kindergarten müsste ich immer pünktlich sein. Bei der Tagesmutter kann ich das individuell absprechen.“

Alltag in der Ersatzfamilie

Gerade sind Tobias und sein Schwesterchen Jasmin bei der Tagesfamilie Hilgenstock zu Besuch. Irena (1) macht ihre ersten Schritte. Paula (2) räumt die Legokiste aus. Und Alessia (1,5) ist auf den Arm des 17-jährigen Tagesbruders geklettert. Alltag in der Ersatzfamilie.

Schon häufig sind die Renners angesprochen worden, ob die Betreuung bei einer Tagesmutter nicht wahnsinnig teuer sei. „Viele Familien denken, sie könnten sich eine Tagesmutter nicht leisten“, hört auch Andrea Hilgenstock immer wieder. „Dabei ist ein Platz nicht teurer als im Kindergarten, und die Zeiten sind wesentlich flexibler.“ Abgerechnet wird ähnlich wie bei einem Kindergartenplatz, gestaffelt nach dem Einkommen der Eltern.

„Das ist in den Köpfen noch nicht angekommen“, weiß auch David Kubitzek, der für die Stadt Hagen den Ausbau der Kindertagespflege vorantreibt. „Auch deshalb läuft der Ausbau der Kindertagespflege schleppend.“

Parallel zur schrittweisen Einrichtung neuer U3-Plätze in den Kitas macht die Ausbildung von neuen Tagesmüttern bei den drei Trägern Caritas, Arbeiterwohlfahrt und Sozialdienst katholischer Frauen gute Fortschritte. 50 der insgesamt 159 städtischen Tagesmütter und -väter warten derzeit noch auf ihren Einsatz. „Die Eltern sind noch zurückhaltend“, weiß Kubitzek. „Mit dem Kindergarten ist man von kleinauf vertraut, mit der Betreuung bei einer Tagesmutter muss man sich erst beschäftigen.“

Tagesmutter Andrea Hilgen­stock ist seit sechs Jahren dabei und bis Sommer 2013 komplett ausgebucht. Dagegen müssen sich Neulinge ihren guten Ruf erst erarbeiten. Das Rüstzeug haben sie in der 160-stündigen Ausbildung bekommen, Herzblut und Idealismus bringen fast alle mit. „Wenn man auf das Geld angewiesen ist, wird es kritisch“, sagt Andrea Hilgenstock über den Verdienst. Die 53-Jährige ist gelernte Verfahrenstechnikerin, Mutter von drei erwachsenen Söhnen und nun von bis zu fünf Tageskindern. Die Motivation für ihren Vollzeit-Job von morgens sieben bis abends sieben nimmt sie nicht aus ihrem Lohn, der aber ein guter „Zuverdienst“ sei. Ein Haus voller Kinder und ein streng geregelter Tagesablauf, um den Alltag mit fünf Tageskindern zu bewältigen – Frühstück, Rausgehen, frühes Mittagessen, Mittagsschlaf, Spielen, Abholzeit – dafür hat sie sich bewusst entschieden: „Weil es Spaß macht und ich damals diese Betreuungsmöglichkeit für meine Kinder nicht hatte.“

Betreuungsprobleme in Hagen

4330 Kinder sind in Hagen derzeit unter drei. Jedes fünfte Kind unter drei geht in die Tagesbetreuung, allerdings werden nur 90 der 885 betreuten Kleinkinder von einer Tagesmutter betreut.

56 Familien nutzen bei der Betreuung durch eine Tagesmutter die zeitliche Flexibilität, das heißt: Ihr Kind wird auch in den Randzeiten, zum Beispiel bis in den Abend oder am frühen Morgen, in der Kindertagespflege betreut.

Bis zum Sommer 2013 muss in Hagen im Ausbau der U3-Betreuung noch viel passieren. Dann haben Eltern Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz im Kindergarten oder bei einer Tagesmutter. 32 Prozent der unter Dreijährigen sollen dann einen Betreuungsplatz angeboten bekommen, davon zehn Prozent bei einer Tagesmutter.

Momentan sind noch Plätze bei Tagesmüttern frei. Die Träger der Kindertagespflege im Überblick:

  • - Stadt Hagen, Fachbereich Jugend und Soziales, Berliner Platz 22, Sigrid von Dolenga; 207 4449.
  • - Caritas: Fachdienst für Kindertagespflege, Schwerter Straße 130, Heike Depprich, Nadine Kollbach, Jasmin Mielke; 48 33 190.
  • - Arbeiterwohlfahrt: Kindertagespflegebüro Hagen, Böhmerstraße 11, Britta Riedl, Marion Battista; 38 141.
  • - Sozialdienst katholischer Frauen: Fachdienst Kindertagespflege, Hochstraße 83b, Yvonne Knura; 367430.

Weitere Informationen unter www.kindertagespflege-in-hagen.de.