Hagen. . Dr. Doris Beißel leitet die Abteilung für Viszeralchirurgie im Josefs-Hospital. Sie ist eine von derzeit drei Chefärztinnen in Hagen. Frauen haben es in der Männerdomäne schwer.
Die Postkarte, die sie in der Hand hält, zeigt ein eigenartiges Foto. Eine Frau geht neben einem Mann. Er trägt einen leichten Six-Pack. Sie schleppt die schwere Kiste Bier mit 20 Flaschen. „Frauenpower“, steht auf der Karte. Die Chefärztin lächelt, als sie das Bild hervorkramt. Frau Doktor hat Humor, einen gesunden. Denn ihre Interpretation des Wortes „Frauenpower“ fällt ganz anders aus.
Seit Anfang des Jahres ist Frau Dr. Doris Beißel (52) im Amt, als eine von ganz wenigen Chefärztinnen in Hagen. Sie ist leitende Ärztin für Viszeralchirurgie im Josefs-Hospital der katholischen Krankenhaus GmbH in Altenhagen. Mit anderen Worten: Sie ist Expertin für operative Eingriffe im Bauchraum.
Kein Halbgott in Weiß
Dabei ist Dr. Doris Beißel anders. Anders als diejenigen, die sich von Patienten gerne als Halbgötter in Weiß feiern lassen und als kleine Diktatoren gegenüber Untergebenen auftreten. Sie erfüllt nicht das Klischee des Chefarztes, der sich vornehmlich um die Behandlung von Privatpatienten kümmert. Unter einem solchen Alpha-Tier hatte sie selbst drei Jahre lang arbeiten müssen. „Es war beruflich die schlimmste Zeit, die ich durchmachen musste“, sagt sie.
Dr. Doris Beißel ist zweifache Mutter. Alleinerziehend. Für Engagement in Pflegschaften und Schulen fehlte die Zeit. Ihre Töchter sind 15 und 16 Jahre alt. „Als die beiden geboren waren, bin ich vier Jahre lang zu Hause geblieben“, sagt Dr. Doris Beißel, „das war mir wichtig. Heute sind sie ein bisschen stolz auf mich.“
Mehr Studentinnen als Studenten
An den Unis sei die Zahl der Medizinstudentinnen größer als die der Studenten. Ein Umstand, der sich an den Spitzen der Abteilungen in den Kliniken keineswegs spiegelt. „Für viele ist die Familienplanung gleichbedeutend mit dem Ende des Aufstiegs“, sagt Dr. Doris Beißel. „Frauen, die voll arbeiten, gelten schnell als karrieresüchtige Rabenmütter.“
Dr. Doris Beißel aber musste und wollte auch als alleinerziehende Mutter arbeiten. Unterstützt hat sie dabei eine gute Freundin. „Mit dem Angeboten, die unser Sozialstaat bereit hält, kommt man als Medizinerin nicht weit“, sagt sie, „man braucht im Grunde eine Pflegemutter, die rund um die Uhr Gewehr bei Fuß steht. Ich habe mir keinen Beruf ausgesucht, der für eine Frau geschaffen ist, sondern einen, in dem ich Erfüllung finde.“
Zwölf-Stunden-Job
Heute hat Dr. Doris Beißel einen Zwölf-Stunden-Job. Freizeit kommt oft kurz. Trotzdem nimmt sie sich Zeit, wo sie keine hat. Zu Hause und in der Klinik. Auch um jenen Ehemann zu beruhigen, der sie mal eben auf dem Flur abfängt und dessen Frau sie am Tag zuvor operiert hat. „Ihre Frau ist auf einem sehr guten Weg.“
Zum Chefarztposten ist sie auch gekommen, weil sie selbst leidvoll erfahren hat, dass ein Wechsel an der Spitze einer Abteilung auch negative Folgen haben kann. Das war ein Grund für ihre Bewerbung. Sie wurde genommen.
Paritätische Besetzung
„Ich versuche, die Arztstellen in der Abteilung paritätisch zu besetzen“, sagt sie, „ich glaube, dass es gut fürs das gesamte Team ist, wenn Frauen und Männer zusammenarbeiten.“ Sie will auf Kooperation statt Konfrontation setzen. Diskussionen zulassen, statt die eigene Auffassung durchzudrücken.
Und dann gibt es da noch die Anekdote von der Frau, die sich einst schon einmal im Klinikum in ihrem Heimatort um eine Chefarztstelle beworben hatte. „Der Vorsitzende des Kuratoriums der Klinik hat mich abgelehnt“, sagt Dr. Beißel. „Seine Begründung lautete, dass er es sich nicht vorstellen könne, von einer Frau operiert zu werden.“ Vermutlich trägt er heute ein Sixpack - und seine Frau den Kasten.