Hagen. Der Kündigungsgrund passt kaum zum Stellenplan. Und: Die Beziehung zwischen Personalchef und Rechnungsprüferin steht in der Kritik.
Der Fall der durch die Stadt gekündigten leitenden Notärztin, die drei Jahre lang bei vollen Bezügen zu Hause bleibt (Gesamtvolumen: 300.000 Euro), wird nicht nur an das Rechnungsprüfungsamt, sondern an einen externen Juristen übergeben. Während die Staatsanwaltschaft sich bedeckt hält und erklärt, den Fall weiterhin zu prüfen, mehrt sich - auch aus der Rathaus-Kulisse - die Kritik, dass die persönliche Beziehung des Personalchefs und der Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes eine unabhängige Aufarbeitung des Falls behindern könnte.
Bereits Mitte Mai hatte Oberbürgermeister Erik O. Schulz, der die Personalhoheit hat - einen Sonderprüfauftrag an das Rechnungsprüfungsamt gegeben, um den Sachverhalt, der zur Kündigung führte, aufzuklären. Das unabhängige Prüfamt holte sich im nicht-öffentlichen Teil des Rechnungsprüfungsausschusses diese Woche grünes Licht dafür, einen externen Prüfer hinzuziehen zu dürfen, der den Fall auch rechtlich abklopfen soll. Nach WP-Recherchen hatte sich die Leiterin des Amtes für befangen erklärt, weil sie zuvor Verwaltungsrätin bei der Feuerwehr war, wo der Rettungsdienst ansässig ist.
Kritik an persönlichem Verhältnis
Zu ihrer Person hatte es aus der Rathaus-Kulisse Kritik gegeben, weil sie nach übereinstimmenden Hinweisen an die Redaktion mit dem Personalchef liiert sein soll. Auf Anfrage erklärt die Stadt Hagen, dass die Leitung eines Rechnungsprüfungsamtes mit der Leitung einer Personalabteilung liiert sein könne. „Das Objektivitäts- und Unbefangenheitsprinzip bleibt gewahrt“, heißt es aus der Pressestelle der Stadt. Das persönliche Verhältnis kollidiere in diesem Fall weder mit Vorschriften aus der Gemeindeordnung noch mit zwei innerbetrieblichen Regelungen mit Bezug zu familiären Bindungen, die sich auf die Finanzbuchhaltung und Interessenskollisionen beziehen.
Das erklärt auch die Bezirksregierung Arnsberg: Grundsätzlich sei eine „Nähebeziehung“ im Sinne der Gemeindeordnung zwischen zwei leitenden Mitarbeitenden einer Kommune kein Ausschließungsgrund von der Amtsübernahme bzw. -ausführung. Sollte diese Beziehung zu einem Interessenkonflikt führen, greife in dem Fall jedoch ein „Ausschlusstatbestand mit Anhaltspunkten einer Befangenheit“.
Eine betriebsbedingte Kündigung
Unterdessen ergeben WP-Recherchen, dass in der außergerichtlichen Einigung zwischen Stadt und der Notärztin wohl von einer betriebsbedingten Kündigung die Rede ist. Arbeitsrechtlich ist das dann der Fall, wenn der Arbeitgeber jemanden zum Beispiel wegen betrieblicher Erfordernisse nicht weiterbeschäftigen kann. Die Ursache liegt dann beim Arbeitgeber. Der Wegfall des Arbeitsplatzes kann ein Grund sein. Die beiden anderen möglichen Kündigungsgründe sind die personenbedingte Kündigung (Nichtvorliegen persönlicher Eigenschaften und Fähigkeiten) und die verhaltensbedingte Kündigung (Störung des Betriebsfriedens oder Verletzung von Pflichten). Der Notärztin hätte nach Informationen dieser Zeitung der Weg in ein Arbeitsgerichtsverfahren offen gestanden, in dem die Stadt nach derzeitigem Recherchestand schlechte Karten gehabt hätte. Eine Weiterbeschäftigung wäre eine mögliche Folge gewesen.
Parallel werden Stellen ausgeweitet
Der nach Informationen dieser Zeitung vereinbarte betriebsbedingte Grund steht zumindest im Gegensatz zum Stellenplan der Stadt Hagen, in dem gleich mehrere Stellenausweitungen und Mehrstellen mit Blick auf den ärztlichen Dienst und die Rettungsdienstschule zu finden sind, für die die gekündigte Notärztin ebenfalls die Verantwortung trug. Überdies ist öffentlich, dass im Rettungsdienst Mitarbeiter fehlen und dieser Mangel in der Zukunft noch mehr zum Tragen kommt. Alle Fragen rund um den Kündigungsgrund, die Stellenausweitungen oder mögliche Umstrukturierungen im Rettungsdienst lässt die Stadt Hagen unbeantwortet, da sie keine Personalangelegenheiten kommentiere. Ob die Wahl des Kündigungsgrundes in der Vereinbarung ein Entgegenkommen ist, bleibt ebenso offen. Die Notärztin ist indes nach WP-Informationen in einer Klinik in einer Nachbarstadt tätig
Stadt, Feuerwehrspitze und die Betroffene beziehen auf Anfrage weiter keine Stellung zu dem Fall, über den Stillschweigen vereinbart wurde. Außergerichtlich hatte man sich geeinigt, nachdem man der Notärztin, die neben anderen Führungsfunktionen 28 Jahre lang die ärztliche Leitung des Rettungsdienstes verantwortete, zunächst außerordentlich gekündigt hatte. Nach WP-Recherchen ohne Angabe von Gründen. Als sie Kündigungsschutzklage einreichte, einigte man sich kurz vor einem Gütetermin beim Arbeitsgericht außergerichtlich.
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Keine Fehler begangen
Nach Recherchen dieser Zeitung soll die Notärztin keine Fehler begangen haben, die eine Kündigung rechtfertigen würden. Vielmehr soll sie als auflehnend, penetrant, schwierig und unangenehm wahrgenommen werden. Einer der Gründe dafür soll unter anderem auch die Schieflage im Rettungsdienst sein, wo es seit 2017 keinen aktualisierten Bedarfsplan mehr gibt, der eigentlich alle fünf Jahre fällig werde. So wird sie in der Feuerwehrkulisse als fachlich herausragend, aber schwierig im Umgang beschrieben. Und: Die Notärztin habe keineswegs aufhören wollen zu arbeiten. Einer Versetzung ins Gesundheitsamt soll sie zudem widersprochen haben.
Der erfahrene Hagener Arbeitsrechtler und Anwalt Gerd Pfeifer ist nicht in den Fall involviert, gibt aber eine generelle Einschätzung ab: „Es ist in diesen Zeiten durchaus üblich, jemanden auch mal zwei oder drei Jahre bei vollen Bezügen freizustellen, wenn man der Meinung ist, dass man nicht mehr zusammenarbeiten kann. Das ist aus Bürgersicht natürlich schwierig nachvollziehbar, aber wenn es für ein Unternehmen oder eine Verwaltung und deren Entwicklung wichtig ist, dann muss man die Entscheidung auch manchmal so treffen. Auch außergerichtlich.“
Externer Anwalt wird hinzugezogen
Andererseits könne die Stadt übrigens nicht schlussfolgern, dass ein derartiger Fall arbeitsgerichtlich abgeschlossen bzw. positiv bewertet sei, wenn das Gericht den Eingang bestätigt und das Verfahren für beendet erklärt. Auf dem Standpunkt soll die Stadt nach WP-Informationen nämlich stehen. „Eine inhaltliche Bewertung solcher Vergleiche nimmt das Gericht nicht vor. Außer, es steht offenkundig Sittenwidriges darin. Ansonsten bedeutet das einfach nur, dass der Deckel drauf gemacht wird und keine Gütetermine stattfinden müssen“, so Gerd Pfeiffer.