Hagen. Kaum vorstellbar: Bei vollen Bezügen bleibt eine Notärztin nach einem Deal mit der Stadt drei Jahre lang daheim. Nun kommt die Sache ans Licht.
Etwas mehr als 28 Jahre war sie ärztliche Leiterin des Rettungsdienstes in Hagen und wäre das nach Informationen dieser Zeitung gern auch bis zum Eintritt in den Ruhestand Mitte 2026 geblieben. Stattdessen ist die jahrzehntelange Führungskraft aus den Reihen der Hagener Feuerwehr aus dem Dienst verschwunden und sitzt seit Mitte 2023 bis Mitte 2026 bei vollen Bezügen daheim. Bis zu 300.000 Euro kostet das den Steuerzahler.
Stadt und Feuerwehr schweigen
Stadt, Feuerwehrleitung und die Betroffene selbst schweigen zu den Vorgängen. Die heute 64-Jährige nimmt auf Anfrage der Redaktion keine Stellung. Aus dem Büro des Oberbürgermeisters, das wie zuletzt regelmäßig im Namen der Feuerwehrleitung antwortet, gibt es nur diese Erklärung: „Die Stadt Hagen gibt keine Auskünfte zu Personalangelegenheiten. Ansonsten kann davon ausgegangen werden, dass die Stadt Hagen verantwortungsvoll mit Steuergeldern umgeht.“
In diesem Fall geht dieser Umgang so: Für knapp 7800 Euro monatliche Vergütung hat die Stadt von der Expertise der erfahrenen und leitenden Rettungsärztin, die zwischendurch sogar drei Führungsfunktionen bekleidete, nichts mehr. Nach Informationen dieser Zeitung wollte die Stadt sie ins Gesundheitsamt versetzen. Ein Schritt, den die oberste Retterin dieser Stadt auf keinen Fall mitgehen wollte. Zumal sie sich für den Einsatz in ihrer bisherigen Funktion weiter tauglich, fit und bereit gefühlt haben soll. Warum die Versetzung? Interne Auseinandersetzungen und viele Fragen rund um den Rettungsdienstbedarfsplan sollen dafür mitverantwortlich sein.
Bei vollen Bezügen zuhause
Vorsorglich reichte die Betroffene nach Informationen dieser Zeitung eine Kündigungsschutzklage ein. Zu einem bereits terminierten Verfahren am Arbeitsgericht kam es aber nicht mehr. Die Stadt und die Betroffene verglichen sich im Vorfeld. Die Vereinbarung: Bei vollen Bezügen braucht die langjährige Rettungsdienstleiterin bis zu ihrem Ruhestand nicht mehr zur Arbeit kommen. Drei Jahre lang.
Ärger mit Veit Lenke?
Die Stadt Hagen und die Leitung der Feuerwehr lassen in diesem Zusammenhang mehrere Fragen der Stadtredaktion unbeantwortet. Die Frage danach, was so Schwerwiegendes vorgefallen ist, dass man sich nach fast 30 Jahren von der Führungskraft trennen will. Wieso, wenn sich die Stadt im Recht sieht, es nicht zu einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht gekommen ist, sondern zu der eben beschriebenen Vereinbarung. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, ob sich der Fall so entwickelt hat, weil der amtierende Feuerwehrchef Veit Lenke Probleme mit der Betroffenen gehabt haben soll.
Viele Fragen unbeantwortet
Die Stadt beantwortet auch nicht die Frage, ob eine solche Freistellung angesichts der hoch verschuldeten Lage dieser Stadt und auch zahlreicher Nicht-Beförderungen innerhalb der Feuerwehr zuletzt, nicht unangemessen sei. Unklar lässt die Stadt auch, wer genau die Vereinbarung zu verantworten hat. Der OB? Der Feuerwehrchef? Der Personalchef?
Während ein neuer Brandschutzbedarfsplan in Hagen seit dem 1. Januar 2020 in Kraft ist, gilt der Rettungsdienstbedarfsplan aus dem Jahr 2017 bis heute als überarbeitungsbedürftig, weil er die Realitäten im Rettungsdienst nicht mehr richtig abbildet. Aktuell befindet er sich im Stellungnahme-Verfahren. Innerhalb der Feuerwehr hat es über die Frage von Ausstattungen, Besetzungen und andere technische Dinge oft Auseinandersetzungen gegeben. 2022 war überdies öffentlich bekannt geworden, dass es bei der Feuerwehr insgesamt eine größere Personalnot gibt, die unter anderem auch durch den Einsatz freiwilliger Feuerwehrleute abgefedert wurde.
Personaldecke bleibt knapp
Im Rettungsdienst bleibt es ebenso knapp. „Im März 2024 werden voraussichtlich zwölf Teilnehmer ihre Vollausbildung abschließen. Weitere zwölf Teilnehmer schließen voraussichtlich im Dezember 2024 ihre Vollausbildung ab. Allerdings liegen bereits jetzt drei Versetzungsgesuche vor, fünf Pensionierungen stehen an und der Stellenplan wurde erheblich ausgeweitet, sodass es auch in Hagen zu vermehrten beruflichen Veränderungen und Laufbahnwechseln kommen wird“, heißt es in einer politischen Vorlage mit Blick auf die Ausbildungsplanung aktuell.
Und weiter: „Die Absolventen der Vollausbildung werden bereits die Bedarfe in 2024 nicht decken können. Für den Grundausbildungslehrgang 2023 konnten drei externe Notfallsanitäter als Brandmeisteranwärter gewonnen werden. Im Grundausbildungslehrgang 2024 werden voraussichtlich ebenfalls drei Notfallsanitäter als externe Einstellungen als Brandmeisteranwärter teilnehmen.“