Hagen. Der Anzeigenhauptmeister tritt im Capitol Hagen auf - vorher verteilt er aber Knöllchen in der Stadt. Ein besonderer Streifzug durch die Straßen.

Gleis 7 am Hagener Hauptbahnhof, kurz vor 22 Uhr. Der Zug rollt ein, und ein junger Mann in neongelbem Warnanzug, mit rotem Helm und Fahrrad steigt aus. Es dauert keine fünf Sekunden, bis die ersten ihn erkennen und nach Selfies fragen. Mehr oder weniger über Nacht ist Niclas M. durch eine TV-Reportage zur Internet-Kultfigur geworden - als selbsternannter Anzeigenhauptmeister, der in seiner Freizeit Falschparker dokumentiert und an die Ordnungsämter meldet.

Mit dem Zug kam Niclas M. in Hagen an. Bis zum Clubauftritt wurde er von einem Security-Mann begleitet.
Mit dem Zug kam Niclas M. in Hagen an. Bis zum Clubauftritt wurde er von einem Security-Mann begleitet. © Alex Talash | Alex Talash

Niclas M. wird von Jugendlichen umringt, die ihm auf die Schulter klopfen, Fotos machen wollen. „Manchmal kann das auch nerven“, sagt der 19-Jährige, der mittlerweile überall erkannt wird. Er hatte sich selbst, sagt er, dazu entschlossen, mit seinem Hobby an die Öffentlichkeit zu gehen.

Jetzt tut er genau das in Hagen - an die Öffentlichkeit gehen. Und zwar auf besondere Art: Er wird an diesem Abend im Capitol als Gast auftreten. „Das ist erst die zweite Clubshow, die ich überhaupt mache - ich freue mich. Und in Hagen war ich noch nie“, sagt er.

Immer wieder wird Niclas M. erkannt und nach Fotos gefragt. Ein Security-Mann vom Capitol kümmert sich darum, dass ihm unterwegs nichts passiert.
Immer wieder wird Niclas M. erkannt und nach Fotos gefragt. Ein Security-Mann vom Capitol kümmert sich darum, dass ihm unterwegs nichts passiert. © Alex Talash | Alex Talash

Die ersten Knöllchen: Parken entgegen der Fahrtrichtung

Und da sein selbstgesetztes Lebensziel ist, in jeder Gemeinde Deutschlands einmal ein Knöllchen ausgestellt zu haben, kann er Hagen natürlich nicht verlassen, ohne auch hier den Falschparkern einen kleinen Denkzettel zu verpassen. Die Redaktion fragt nach und darf ihn dabei ein Stück begleiten. Begleitet wird er auf seinem Weg durch die Stadt bis zur Diskothek auch von einem Security-Mann vom Capitol. Nur um sicherzugehen.

Kaum aus dem Zug, schon die ersten Fans: Der Anzeigenhauptmeister kann kaum noch unerkannt auf den Straßen unterwegs sein.
Kaum aus dem Zug, schon die ersten Fans: Der Anzeigenhauptmeister kann kaum noch unerkannt auf den Straßen unterwegs sein. © Alex Talash | Alex Talash

Denn in der Vergangenheit hatte es schon Übergriffe auf den jungen Mann gegeben, der sich durch sein gnadenlos korrektes Verhalten nicht nur Freunde macht. Er nimmt sein Hobby sehr genau, Ausnahmen gibt es nicht. „Dass Leute aggressiv sind, kommt nur selten vor“, sagt er. Mit einem Kleinbus geht es durch die Straßen von Hagen. In einem ruhigen Wohngebiet steigt er aus. Drei Autos haben entgegen der Fahrtrichtung geparkt. „Das kostet 15 Euro.“

Die Dokumentation dauert nur wenige Sekunden. Er fotografiert die Autos. Erst, wenn er zu Hause ist, wird er die Verstöße über eine App an das Ordnungsamt melden. Ob seine Anzeigen immer auch verfolgt werden, weiß er nicht in jedem Fall.

Es wird noch so 10 bis 15 Jahre dauern, bis ich mit allen Städten durch bin.
Niclas M. - selbsternannter Anzeigenhauptmeister, über sein Ziel, in jeder Stadt mal ein Knöllchen geschrieben zu haben

In mehreren hundert Gemeinden habe er mittlerweile schon Knöllchen verteilt. In Hagen waren das seine drei ersten. „Etwa 10.000 Gemeinden fehlen mir noch. Ich habe zu Hause eine Deutschlandkarte, auf der ich alles abhake. Es wird noch so 10 bis 15 Jahre dauern, bis ich mit allen Städten durch bin“, sagt der Anzeigenhauptmeister. Manchmal reiche schon eine fehlende TÜV-Plakette.

12 Anzeigen in Hagen geschrieben

Vor dem Club-Auftritt im Hagener Capitol verteilte der Anzeigenhauptmeister einige Knöllchen in Hagen.
Vor dem Club-Auftritt im Hagener Capitol verteilte der Anzeigenhauptmeister einige Knöllchen in Hagen. © Alex Talash | Alex Talash

Es erwischt auch einen Fahrer, der am Markt auf dem Fahrradstreifen hält. M. zückt auf der Fahrt immer wieder sein Handy und dokumentiert. „Es gibt eigentlich keinen Tag, an dem ich keine Anzeige schreibe oder keine Lust habe. Mit meinem Rad bin ich bestimmt schon 10.000 Kilometer gefahren“, sagt der junge Mann, der schon längst auf zwei Rädern unterwegs war und Knöllchen geschrieben hat, bevor er zur Berühmtheit wurde. Er lasse sich auch nicht einschüchtern, sagt er selbst.

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Bis 23 Uhr hat er zehn Anzeigen aufgenommen. Bevor es zum Hotel geht, sind es zwölf - in den verschiedensten Straßen der Stadt. Ein Ergebnis, mit dem man durchaus zufrieden sein kann, findet Niclas M., der auch keine Entschuldigungen für Parkverstöße akzeptiert. Auf den Hinweis der Reporterin, man könne doch auch mal ein Auge zudrücken oder eine Parkregel vergessen haben, schmunzelt er ausnahmsweise. „Das lernt man aber doch in der Fahrschule.“

Falschparker melden

Auch in Hagen werden über die App, die der Anzeigenhauptmeister nutzt - Weg.li - jede Woche zahlreiche Parkvergehen von Privatpersonen gemeldet. Aber werden sie auch alle bearbeitet - und wie viele sind es? „Wir können im System nicht zwischen Privatanzeige und hoheitlicher Feststellung filtern“, erklärt Stadt-Sprecherin Clara Treude dazu. Grundsätzlich könne aber jeder jederzeit Vergehen an das Ordnungsamt melden (ordnungsamt@stadt-hagen.de). Dabei reiche es „Foto, Ort, Datum und Uhrzeit zu zusenden.“