Hagen. Für 300.000 Euro muss eine Notärztin drei Jahre bei vollen Bezügen zu Hause bleiben. Nun äußert sich die Bezirksregierung zu dem Fall.
Während die Staatsanwaltschaft Hagen wie berichtet prüft, ob der Fall einer für drei Jahre bei vollen Bezügen freigestellten Chef-Notärztin der Stadt Hagen (Gesamtvolumen: 300.000 Euro) strafrechtliche Relevanz hat, sieht sich die Bezirksregierung Arnsberg zu einer Beurteilung des Falls noch nicht imstande. Wie berichtet, möchte die leitende Notärztin, die diese Position seit über 28 Jahren bekleidet, gerne weiterarbeiten - darf es aber nicht. Stattdessen traf die Stadt einen Vergleich mit ihr. Die Vereinbarung: Sie bleibt drei Jahre lang bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand bei vollen Bezügen daheim.
„Alle Kommunen sind verpflichtet, mit den verfügbaren Haushaltsmitteln sparsam und wirtschaftlich umzugehen, das gilt natürlich auch für die Stadt Hagen. Im vorliegenden Fall ist eine Beurteilung der Frage allerdings mangels hinreichender Sachverhaltskenntnisse zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich“, erklärt die Bezirksregierung Arnsberg, wo auch die Kommunalaufsicht angegliedert ist, auf Anfrage der Redaktion. Soll heißen: Ob hier mit öffentlichem Geld im Geheimen fahrlässig umgegangen worden ist, steht auch für die Bezirksregierung noch in den Sternen.
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Arnsberg tappt im Dunklen
In Arnsberg sei unklar, ob das Rechnungsprüfungsamt der Stadt als Kontrollinstanz schon tätig geworden wäre, erklärt die Bezirksregierung am Mittwoch. Dabei hatte die Stadt Hagen dies bereits am Dienstag verneint. Und überdies heißt es aus Arnsberg: „Personalangelegenheiten der Stadt werden grundsätzlich nicht-öffentlich behandelt.“ Unterdessen mehren sich Reaktionen in Richtung der Redaktion aus der Feuerwehr- und der medizinischen Kulisse, dass an der Fachlichkeit und Expertise der langjährigen Notärztin keinerlei Zweifel bestehen. Wenngleich sich die Betroffene, die auf Anfrage der Redaktion keine Stellung zum Fall bezieht, überaus leidenschaftlich für ihren Rettungsdienst eingesetzt haben und dabei viele Male angeeckt sein soll.
Der Personalrat der Feuerwehr erklärt, dass er konkrete Fragen der Redaktion nicht beantworten werde, „da uns andere Informationen zu den angesprochenen Themen vorliegen. Daher werden wir uns auch nicht zu den Fragen äußern. Die Personalnot im Rettungsdienst wird durch den jetzt im Beteiligungsverfahren vorliegenden Rettungsdienstbedarfsplan in Angriff genommen. Von daher hoffen wir auf eine breite Zustimmung zum Bedarfsplan im Rat im Frühsommer diesen Jahres. Damit können ausstehende Personalvakanzen nachhaltig geregelt werden“, erklärt das Gremium.
Die Politik hatte bereits reagiert und unisono erklärt, dass sie ahnungslos über die Freistellung der Notärztin seit Mitte 2023 gewesen sei. In der Sache war bereits ein Arbeitsgerichtsverfahren terminiert. Das fand aber nicht statt, weil Stadt und Betroffene sich vorab verglichen, nachdem die Notärztin Schutzklage gegen ihre außerordentliche Kündigung eingereicht hatte. Wieso man ihr kündigte und wieso die Stadt das Verfahren nicht durchzog, bleibt unklar. Möglicherweise können Prüfungen der Staatsanwaltschaft hier Licht ins Dunkel bringen. Die Politik fordert indes Aufklärung durch den Oberbürgermeister. Die wird, wenn überhaupt, aber nur nicht-öffentlich erfolgen.
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„Öffentlichkeit offenbar nicht gewollt“
„Ohne nähere Hintergründe zu wissen, ist es schon verwunderlich, wie man als leitende Notärztin, nach so vielen Jahren, so ins Abseits geraten kann“, erklärt Ratsherr Michael Gronwald für die Wählergemeinschaft Hagen Aktiv. Und weiter: „In der Position dürften Behandlungsfehler auszuschließen sein, da sich der Aufgabenbereich anders darstellen dürfte. Es scheinen wohl eher persönliche Gründe im Verhältnis zum Chef der Feuerwehr, bei der letztendlichen Freistellung eine Rolle gespielt haben. Üblich in solchen Fällen ist ein Gütetermin vor dem Arbeitsgericht, was womöglich Abstriche für die Ärztin bedeutet hätte. Mit der Weiterzahlung des Gehalts ohne Tätigkeit ist man einer öffentlichen Diskussion aus dem Weg gegangen. Das war offensichtlich gewollt. Die Personalhoheit liegt beim Oberbürgermeister. Da es sich offensichtlich um ein abgeschlossenes Verfahren handelt, erwarte ich von der Verwaltung eine klare Stellungnahme. Die Bürger, und dazu zählen wir uns als Hagen Aktive auch, haben ein Recht darauf zu erfahren, was aus unseren Steuergeldern wird.“
Der Blick nach Iserlohn
Zwischen Stadt und der Betroffenen soll es nach WP-Informationen ein erfolgloses Mediationsverfahren gegeben haben. Der Personalrat der Stadt war formell beteiligt worden. Weder die Stadt- noch die Feuerwehrspitze äußern sich auf Anfrage.
Im vergangenen Jahr war vor dem Hagener Landgericht ein ebenso schlagzeilenreicher Fall zu Ende gegangen, der in der Nachbarstadt Iserlohn spielte. Dort wollte der zum Tatzeitpunkt 2019 amtierende Bürgermeister erwiesenermaßen einen Ordnungsamtsmitarbeiter loswerden. Und zwar gegen eine Abfindung von 250.000 Euro. Zuschulden kommen hatte der sich nichts, stellte das Gericht später fest. Einen Kündigungsgrund gab es nicht. Der ehemalige Personaldezernent der Stadt Iserlohn wurde wegen Untreue und der betreffende Mitarbeiter wegen Beihilfe zur Untreue verurteilt. Der Auftrag dazu war aber vom Bürgermeister gekommen. Dieser war während des Prozesses erkrankt, nicht verhandlungsfähig und konnte dem Gericht die Hintergründe des Deals nicht aufklären.