Hagen. Durch ein neues Programm können in Hagen schon vor der Einschulung Förderbedarfe bei Kindern besser erkannt werden. Wie das funktioniert.
Früher, da gab es hier an der Astrid-Lindgren-Grundschule, wie an jeder anderen auch, ein sogenanntes Schuleingangsspiel. Das hört sich bürokratisch an, hatte aber einen einfachen Zweck: Die Lehrkräfte wollten vor dem Schulstart prüfen, wie fit die Kinder sind. Dabei geht es um Dinge wie Motorik, Sprache, Hören. „Das große Manko war: Es gab keine Vergleichbarkeit, die Ergebnisse waren auch abhängig davon, wie die Lehrkräfte die Situation wahrgenommen haben“, sagt Schulleiterin Daniela Scheuermann. Eine richtige Evaluation sei letztlich oft nicht erfolgt, „wir haben nur wirklich auffällige Schüler in den Blick genommen.“
Das ist längst nicht mehr der Status Quo. Und zwar schon seit drei Jahren. Denn vor drei Jahren wurde das System „eduLOG“, ein Programm der Firma LOG-Media, an der Grundschule mit einem ersten Jahrgang getestet - dabei handelt es sich quasi um ein digitales und standardisiertes Einschulungsscreening, das frühzeitig Förderbedarfe ermitteln und aufzeigen kann. Berichtenswert wird das auch, weil sich in der Zwischenzeit 17 Schulen aus Hagen angeschlossen haben. Die Stadt hat jetzt einen Kooperationsvertrag mit der Firma unterzeichnet und möchte die Nutzung in Hagen ausweiten. Ein Pilotprojekt.
Mit Experten entwickelt
„Förderbedarfe früh feststellen, früh helfen und Chancengleichheit herstellen“, beschreibt Volker Sassenberg das Ziel des Programms mit wenigen Worten. Er ist Geschäftsführer von LOG-Media. Das Gesicht hinter dem Einschulungsscreening, das gemeinsam mit Schulen, Logopäden, Unis und Experten entwickelt und weiterentwickelt wurde. Die Astrid-Lindgren-Grundschule wurde damals durch private Kontakte zu Konrektorin Wiebke Kemper zur Pilotschule. Mit einem ganzen Jahrgang. Mittlerweile gibt es noch piccoLOG - das Programm setzt schon im Kindergarten an, um noch rechtzeitiger reagieren zu können, beispielsweise mit Logopädie-Einheiten.
Ole (9) und Ida (8) gehen mittlerweile in die dritte Klasse. Auch sie haben vor der Einschulung den Test gemacht. „Wir mussten Wörter nachsprechen oder Geräusche erkennen“, erzählen die beiden Drittklässler. „Das hat Spaß gemacht. Manchmal war es auch ein bisschen schwieriger“, ergänzt Ole.
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In rund 20 verschiedenen Aufgabenbereichen werden die Kinder getestet. Am Ende liefert das Programm eine ausführliche Übersicht, wo das Kind altersgemäß gut entwickelt ist und wo es möglicherweise noch Förderbedarfe gibt. „Bei vielen Eltern braucht es eine enge Begleitung“, sagt Wiebke Kemper, bei der Einführung noch Konrektorin der Grundschule. Das werde durch ein multiprofessionales Team sichergestellt. „Wir stehen natürlich auch im engen Austausch mit den Kitas und begleiten die Familien auf dem Weg bis zur Einschulung“, betont Schulleiterin Scheuermann. „Es gibt Fälle, da kommen die Kinder zum ersten Mal zur Schule, und wir sind baff, wie sie sich verbessert haben.“ Natürlich gibt es genauso aber auch die Gegenseite. Denn Voraussetzung ist: Die Familien müssen mitmachen.
Programm funktioniert mit 27 Sprachen
Gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund und Sprachbarrieren kann das System viel bessere Anhaltspunkte liefern. „Das Programm funktioniert auf 27 Herkunftssprachen. So haben wir auch die Möglichkeit, zu schauen, ob Kinder sich einfach noch mit der deutschen Sprache schwertun, oder tatsächlicher Förderbedarf in einigen Bereichen besteht“, gibt Sassenberg Einblicke.
Von den guten Erfahrungen der Schulen habe sich dann letztlich auch die Stadt überzeugen lassen, betont Fachbereichsleiterin Regina Pott. „Wenn die Schulen überzeugt sind, unterstützen wir das natürlich.“ Auch seitens der Schulaufsicht habe man große Unterstützung erfahren. Im Hintergrund arbeitet der IT-Fachbereich stetig daran, dass Sicherheitsstandards eingehalten und technische Voraussetzungen dafür an den Einrichtungen geschaffen sind, wenn man es ganz vereinfacht sagt.
So oder so: Für die Schulen sei das Programm ein echter Gewinn und deutlich aufschlussreicher, als mit Spielnachmittagen zu arbeiten, betont Daniela Scheuermann. In zwei nicht-städtischen Kitas soll schon bald das Kita-Programm getestet werden. Wieder Hagen als Pilotstadt.