Hagen. An der Ernst-Eversbusch-Schule in Hagen unterrichten Lehrer teilweise vor nur sechs oder sieben Schülern. Dieses Projekt soll helfen.
Es gibt Tage, sogar Wochen, da stehen die Lehrkräfte in der Ernst-Eversbusch-Hauptschule in Hagen vor gerade einmal sechs oder sieben Schülern. Es müssten knapp 30 sein. Es gibt Kinder, die kommen einfach nicht – wochenlang. Es gibt Kinder, die haben kein Material, keine Bücher, keine Stifte, sprechen kaum Deutsch.
„An unserer Schule haben knapp 85 Prozent der Schülerinnen und Schüler Migrationshintergrund“, sagt Simone Rutzki. Sie gehört zur erweiterten Schulleitung, erlebt Tag für Tag, dass die Schulmüdigkeit bei ebendiesen Kindern zunimmt, weil sie es zuhause nicht anders vorgelebt bekommen. „Wir hatten in einem fünften Jahrgang auch schon 20 Kinder, die hatten vorher noch nie eine Schule besucht“, sagt Simone Rutzki. Im sechsten Jahrgang wurden die Klassen geteilt, weil es eben viele Schüler gibt, die besonderen Unterstützungsbedarf haben.
Besonders betroffen dabei sind Kinder mit osteuropäischem Hintergrund. Eine Problemlage, mit der die Schule nicht alleine dasteht, von der sie aber in Hagen – gleichermaßen wie die zweite Hauptschule der Stadt – in besonderem Maße betroffen ist. „Es gibt viele Kinder im 9. oder 10. Jahrgang, bei denen wir keine realistische Hoffnung hatten, dass sie den Abschluss schaffen“, sagt der Kommissarische Leiter Dominik Torwesten. Zumindest nicht auf dem normalen Schulweg. „Wir möchten aber nicht resignieren und auch kein Scheitern akzeptieren“, erklärt er entschlossen.
Praxis-Klasse gegen die Schulmüdigkeit
Aus dieser Entschlossenheit heraus ist, in enger Zusammenarbeit zwischen Stadt, dem Träger Caritas und der Agentur für Arbeit und Agentur Mark ein besonderes Projekt entstanden. Ein Projekt, durch das eben diese Schüler erreicht werden sollen. „Praxisklasse“ heißt es. Es läuft schon seit Anfang des Jahres – und es zeigt bereits erste Erfolge. „Wir sehen eine positive Entwicklung, das Angebot wird gut angenommen, es kommen auch wieder mehr Kinder zum Unterricht“, sagt Torwesten.
Das Pilotprojekt (parallel gibt es viele weitere Unterstützungsprojekte auch für andere Schüler mit Migrationshintergrund) läuft zunächst testweise in einer Klasse. An zwei Tagen pro Woche gibt es Praxis unterricht in den Räumen der AWO in Haspe. Es wird mit Holz gearbeitet, mit Stoff, Metall, im Malerbereich, in der Küche. „In der Klasse sind 25 Schüler – zwischen 12 und 18 kommen regelmäßig zum Angebot, das ist für uns schon ein toller Erfolg. Es braucht natürlich Zeit“, erklärt Marco Michalski, Leiter der Beruflichen Eingliederung vom Caritasverband. Eine Sozialpädagogin, eine Hauswirtschaftskraft und ein Malermeister unterstützen vor Ort. „Wir möchten damit den Jugendlichen zeigen, dass sie durchaus Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt haben und auch das Thema Schule wieder mehr in den Fokus rücken“, erklärt Michalski die Idee. Wenngleich allen Beteiligten bewusst ist, dass nicht jeder aus der Klasse dadurch seinen Abschluss schaffen wird.
Eine Idee, die auch vom Land NRW gefördert wird. Staatssekretär Matthias Heidmeier (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales) überreichte am Mittwoch einen Förderbescheid der Bezirksregierung. Mit den Mitteln soll das Projekt weiter finanziert werden. „Ein tolles Projekt, das mit viel Leidenschaft vorangetrieben wird – wir müssen die Probleme anpacken“, betonte er bei seinem Besuch vor Ort.
Tropfen auf den heißen Stein
Dieses Projekt in dieser Klasse ist allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Wir reden hier über eine Klasse“, machte Dezernentin Martina Soddemann deutlich. „Wir haben in Hagen eine Konstellation, wo das erst der Anfang ist. Auch die anderen Schulen benötigen Unterstützung. Denn wir haben viele Schülerinnen und Schüler im System, die ohne Unterstützung ihren Weg nicht machen können.“ Eine Problemlage, die nicht aus dem Blick geraten dürfe, mahnte auch Caritas-Vorstandsmitglied Rolf Niewöhner.
Was passiert, wenn die Förderung ausläuft, ist offen. Oder wie Dezernentin Martina Soddemann es umschreibt: „Das Migrationsthema bleibt eine Daueraufgabe.“