Hagen. „Zeus“ hat‘s versucht, „Hoppy“ auch - jetzt prüft der Branchenriese „Lime“, ob er Elektroroller in Hagen anbieten möchte.

Sollte es wahrhaftig einen dritten E-Scooter-Anbieter geben, der sich auf dem offensichtlich komplizierten Hagener Markt für elektrobetriebene Tretroller versuchen möchte? Umweltdezernent André Erpenbach kündigte jetzt in der Bezirksvertretung Haspe an, dass in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Umwelt-, Klimaschutz und Mobilität am 6. Februar sich ein neuer Interessent aus der Branche vorstellen wolle. Nach Recherchen der Stadtredaktion handelt es sich hierbei um die 2017 in den USA gegründete Firma „Lime“, die mit E-Scooter- und E-Bike-Flotten in 200 Städten in 30 Ländern auf allen fünf Kontinenten rund um den Globus vertreten ist und zu den Branchenriesen zählt.

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Eigentlich wollten die Hasper – wie auch in allen anderen Bezirksvertretungen – nur wissen, wann in ihrem Beritt endlich die für E-Roller und E-Fahrräder reservierten Parkflächen wieder einkassiert würden, da es ja offenkundig eh keinen Anbieter für diese Verkehrssysteme in Hagen gebe. „Wir werden die Flächen in all den Bezirken freigeben, die nicht ,Mitte‘ heißen“, ließ Erpenbach die Katze zunächst scheibchenweise aus dem Sack. Denn offenkundig verfolgt Lime die Idee, zwar in der Innenstadt – wie von der Politik gefordert – seine E-Scooter-Flotte mit festen Abstellflächen zu betreiben. Aber in den Außenquartieren der Stadt soll auf das sogenannte „Free-Floating-System“ umgesattelt werden – die Roller dürfen also an jedem Ort abgestellt und anschließend dort auch gemietet werden. Dabei arbeitet Lime mit dem Konzept, dass beim Abstellen vom Nutzer das Gefährt fotografiert werden muss, um zu dokumentieren, dass das Zweirad nicht etwa im Weg steht oder irgendwo in der Walachei gelandet ist.

Wir werden die E-Scooter-Stellplatzflächen in all den Bezirken freigeben, die nicht ,Mitte‘ heißen.
André Erpenbach - Umweltdezernent

Zeus und Hoppy haben aufgegeben

Dass sich nach den beiden ersten Versuchen durch die Anbieter „Zeus“ und „Hoppy“ überhaupt so schnell wieder ein Interessent für den Hagener E-Scooter-Markt finden würde, überrascht. Zumal beide Unternehmen ihren Rückzug sowohl mit Vandalismus-Problemen sowie überschaubarem wirtschaftlichen Erfolg begründet hatten. Erst Ende Juli vergangenen Jahres war Hoppy in Hagen an den Start gegangen, um bereits im September schon wieder die Segel zu streichen.

Im Juni vergangenen Jahres präsentierte die Firma „Hoppy“ aus Belgien auf dem Bahnhofsvorplatz ihre Elektroroller. Zwei Monate später war die Firma wieder verschwunden.
Im Juni vergangenen Jahres präsentierte die Firma „Hoppy“ aus Belgien auf dem Bahnhofsvorplatz ihre Elektroroller. Zwei Monate später war die Firma wieder verschwunden. © WP | Michael Kleinrensing

Gestartet war das E-Roller-Projekt in Hagen ursprünglich mit der Firma Zeus bereits im Herbst 2022. Zunächst hatte sich der niederländische Verleiher auf ein Pilotprojekt in Haspe beschränkt, dann aber sein Engagement auf andere Stadtteile ausgedehnt, um bereits im März 2023 wieder seinen Ausstieg zu verkünden. Auf Zeus folgten die Belgier von Hoppy, die jedoch den wirtschaftlichen Erfolg vermissten. Die über 60 Verteilstationen ausgebreitete und angekündigte bis zu 400 Roller starke Flotte wurde in Hagen letztlich nie komplett ausgepackt.

Branche im Krisenmodus

Überhaupt tun in Deutschland die E-Scooter-Verleiher abseits der klassischen Tourismusstädte sich schwer. Denn zu einer echten Alternative im Stadtverkehr sind die Gefährte bislang nicht geworden. Etliche Anbieter, die sich zum Start gegenseitig Kunden abgejagten, haben bereits wieder aufgegeben. Doch die gesunkene Konkurrenz bedeutet nicht, dass der Rest profitabel arbeitet. Beispielsweise der größte deutsche Anbieter Tier, bekannt durch seine türkisfarbenen Roller und E-Bikes, kämpft augenscheinlich um seine Existenz. Ende vergangenen Jahres kündigte das Unternehmen bereits an, sich von einem Fünftel seiner Mitarbeiter trennen zu müssen. Gewinner der Branchen-Krise könnte Lime werden, Tiers schärfster Konkurrent auch auf den deutschen Straßen. Mit Uber haben die Amerikaner einen starken Anteilseigner im Rücken. Lime sieht sich nach einigen Strategieschwenks bereits seit fast zwei Jahren operativ profitabel und strebt an die Börse. Sollte das gelingen, hätte das Unternehmen wohl noch mehr Finanzkraft als schon bisher.

Alle Anbieter plagen die gleichen strukturellen Probleme: Damit die Kunden sich einigermaßen auf das Angebot verlassen können, müssen viele Roller in den Städten verteilt sein, stehen dort aber häufig herum. Zudem müssen die Akkus regelmäßig geladen und getauscht werden. Die hohen Kosten tragen letztlich die Kunden: Eine Fahrt ist meist spürbar teurer als Bus und Bahn – vor allem seit Einführung des Deutschland-Tickets. Immer mehr Städte regulieren zudem mit speziellen Parkplätzen oder großen Sperrzonen den Bewegungsraum der Roller – so auch in Hagen.

Diesen Anblick will man in Hagen vermeiden: Herumliegende oder die Bürgersteige blockierende Rollen machen das Stadtbild nicht schöner.
Diesen Anblick will man in Hagen vermeiden: Herumliegende oder die Bürgersteige blockierende Rollen machen das Stadtbild nicht schöner. © Essen | Kerstin Kokoska

Hier gilt bislang die Regel, dass die Nutzer, die den Roller per App mieten, diesen an festen Stationen ausleihen können, aber auch wieder abstellen müssen. Eine Limitierung, die in der Hagener Umweltverwaltung inzwischen hat Zweifel aufkommen lassen, ob das stationäre System tatsächlich der Weisheit letzter Schluss sei. Bislang herrschte vorzugsweise in der Politik die Sorge vor, dass Plätze und Bürgersteige durch herumliegende Roller verschandelt und blockiert würden. Eine jetzt angedachte Öffnung des bislang praktizierten, strengen Regelwerks zumindest in den Außenbezirken, wird die Politik sicherlich kontrovers diskutieren.

Lime schätzt den Standort Hagen

„Bisher haben wir lediglich ein erstes Interesse bekundet und keinen Antrag für den Verleih von Lime-Scootern eingereicht“, betont Unternehmenssprecherin Rania Bouaouina (Operation-Managerin), die auf Anfrage der Stadtredaktion zur Dimensionierung der Lime-Flotte noch keine Angaben machen möchte. Allerdings betont sie zugleich die Stärken des Standortes: „Hagen erfüllt als Großstadt und integraler Bestandteil des Ruhrgebietes viele infrastrukturelle Kriterien, die für ein erfolgreiches Angebot von E-Scootern maßgeblich sind. Zusätzlich hat die Stadtverwaltung mit der Umwidmung von Pkw-Parkplätzen in Mikromobilitätsflächen bereits die Grundlage für ein stadtverträgliches Angebot geschaffen.“

Hagen erfüllt als Großstadt und integraler Bestandteil des Ruhrgebietes viele infrastrukturelle Kriterien, die für ein erfolgreiches Angebot von E-Scootern maßgeblich sind.
Rania Bouaouina - Operation-Managerin bei „Lime“

Vor diesem Hintergrund prüfe Lime derzeit, „inwieweit unsere Dienstleistung eine gute und nachhaltige Mobilitätsergänzung für die Menschen in Hagen bieten könnte“. In geschliffenem Marketing-Sprech macht Rania Bouaouina deutlich: „Das Ziel von Lime ist es, eine zuverlässige und komfortable Alternative im Stadtverkehr zu bieten. Wir wollen den Menschen in Hagen dabei helfen, ihre Mobilität mit klimafreundlichen Verkehrsmitteln zu organisieren und weniger das Auto nutzen zu müssen.“