Hagen. Die Träger von sozialen Einrichtungen und Diensten in Hagen schlagen Alarm: Selbst Kita-Schließungen werden nicht mehr ausgeschlossen.
Von einem Wendepunkt ist immer wieder die Rede. Das Wort historisch fällt. Und dann werden die Schreckensszenarien plötzlich ganz konkret: Kindergartenschließungen, Reduzierung des Offenen Ganztags an Grundschulen, keine Beratung für sozial Schwache mehr, selbst die Zukunft der Tafeln, die in Hagen die Ärmsten der Armen versorgen und ihnen eine Mahlzeit und ein Stück Würde geben, sind in Gefahr. Und das nicht etwa in einer fernen Zukunft, sondern schon zu Anfang des kommenden Jahres.
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Die Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege in Hagen (AGW) schlägt Alarm: Die Finanzierung von zahlreichen Angeboten, die das Diakonische Werk Mark-Ruhr, die Caritas, die Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Paritätische und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in der Stadt leisten, steht nicht nur auf der Kippe, sondern ist akut gefährdet, völlig ungewiss. Deshalb lädt die AGW Mitarbeiter, Kunden und Bürger zu einer Demonstration, die am kommenden Montag, 27. November, 11 Uhr, vor dem Rathaus 2 (Bahnhofsvorplatz) startet und um fünf vor zwölf mit einer Kundgebung vor dem Rathaus an der Volme endet.
Wohlfahrtsverbände in prekärer Situation
„Wir befinden uns in einer prekären Situation“, sagt Matthias Börner, Diakonie-Geschäftsführer und in diesem Jahr Sprecher der AGW. „Die gesamte soziale Infrastruktur in NRW steht vor einem kritischen Wendepunkt.“ In jenen Kommunen, denen wie Hagen das Wasser finanziell bis zum Halse steht, sind Kürzungen im Angebot der Träger noch wahrscheinlicher - und die Auswirkungen auf den sozialen Frieden in der Stadt noch gravierender.
Dabei machen den Sozialverbänden vor allem die Inflation und die - wie sie betonen - berechtigten Tarifsteigerungen ihrer Mitarbeiter nebst Inflationsausgleich zu schaffen. Der, so betont Torsten Gunnemann, Geschäftsführer der Caritas, habe allein seinen Verband eine Million Euro gekostet. „Wenn wir in der aktuellen Situation genau so viel Geld erhalten würden wie zuletzt, käme das für sich genommen schon einer Kürzung gleich.“ Nun aber greife auf Bundesebene die Schuldenbremse, der Haushalt für das kommende Jahr sei nicht verabschiedet und bereits zurückgenommene Kürzungen im sozialen Bereich drohten nun doch wirksam zu werden.
Große Ungewissheit
„Wir sind das letzte Glied in der Kette“, sagt da Heidrun Schulz-Rabenschlag, Fachbereichsleitung „Unterstützung und Beratung“ bei der Diakonie, zu dem beispielsweise die Bahnhofsmission oder der Fachdienst Migration und Integration zählen. „Aber das allerletzte Glied sind die Menschen, um die wir uns kümmern.“ Jede kleine Beratungsstelle betreue in Hagen hunderte Klienten. Wenn auch nur eine schließen müsse, potenziere sich das Ergebnis und gefährde den sozialen Frieden in der Stadt.
Die Ungewissheit ist groß - mit Blick auf den Bund, der gerade um seine Haushalte ringt, mit Blick auf das Land, aber auch mit Blick auf die Stadt Hagen, in der Kämmerer Christoph Gerbersmann Mitte Dezember den Etat einbringen wird. „Wir wissen, dass es erhebliche Einsparungen im sozialen Bereich geben soll“, sagt AWO-Geschäftsführerin Birgit Buchholz, die für die SPD im Stadtrat sitzt, „aber wir kennen noch keine Details.“ Die Folge: Wenn keine Finanzierungszusagen mehr gegeben werden, wenn keine Gelder fließen, könne das bereits ab dem 1. Januar Konsequenzen haben.
Demonstration am Montag
Dabei führten Kürzungen längst nicht zwangsläufig zu Einsparungen, wie Torsten Gunnemann am Beispiel der Beratung für Langzeitarbeitslose deutlich macht: „Wenn dort Maßnahmen gestrichen werden und es nicht mehr gelingt, Menschen, die seit langer Zeit ohne Job sind, in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, dann beziehen sie künftig Leistungen nach dem SGB II.“ Das komme die Gesellschaft teuer zu stehen.
Dass man die Stadt, der man ja seit langen Jahren partnerschaftlich zur Seite stehe, nicht angreifen wolle, betont Jan-Philipp Krawinkel, Geschäftsführer des Paritätischen. „Aber wir sind systemrelevant. Ohne uns wird die Gesellschaft nicht funktionieren.“ Deshalb müsse aus dem leisen nun ein lauter Protest werden. Auftakt in Hagen: am Montag.