Hagen. Valentin ist aufgeweckt, braucht viel Aufmerksamkeit und ist körperlich behindert. Die Familie des Neunjährigen ist voll eingespannt. Wir helfen.

Valentin hat einen wachen Blick und erzählt wie ein Großer. Dass er unbedingt noch einmal auf den Bauernhof im Allgäu möchte, „da war es schön, da gab es Kälbchen, und die Milch, die ich dort getrunken hab’, war warm und schmeckte richtig kräftig.“ Der Neunjährige schaut seine Eltern an. „Und Amsterdam soll auch toll sein. Da soll es ganz viele Kanäle mit kleinen Schiffen drauf geben.“

Valentins Eltern – Ines Papke und Rainer Obermann – schauen sich irritiert-lächelnd an, „wie kommt der Junge nur auf solche Sachen?“ Der Junge – Valentin – ist aufgeweckt, manchmal sehr anstrengend und körperlich behindert. Bei ihm hat nicht „eine Laune der Natur“ zugeschlagen, sondern gleich mehrere.

Valentin hatte es nicht leicht im Leben

Valentin, geboren am 2. Weihnachtstag 2013, kam mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKGS) auf die Welt, „viele sagen dazu auch Hasenscharte“, sagt Rainer Obermann, „man konnte Valentin vom Mund in die Nase schauen“. Doch das war nicht alles: Der Junge konnte kaum schlucken, hörte schlecht, hatte Knick-Senk-Spreizfüße, „und er hatte Gleichgewichtsprobleme, fiel immer wieder hin“, ergänzt Mutter Ines Papke. Es folgten zahlreiche Operationen in Spezialkliniken, Valentins Gesicht wurde praktisch wiederhergestellt, die Zahnstellungen wurden korrigiert.

Und heute? Der Junge ist noch immer entwicklungsverzögert, hat Konzentrationsprobleme, trägt spezielle Orthesenschuhe, die die Knöchel stützen. „Aber wir kriegen alles in den Griff. Wir müssen ja“, sagt Ines Papke mit einer Mischung aus Trotz und Zuversicht in der Stimme.

Valentin ist ein aufgewecktes Kind. Zwar ist der Neunjährige noch immer entwicklungsverzögert, doch er kommt – auch durch die Hilfe des Familienunterstützenden Dienstes der Caritas – im Alltag recht gut zurecht.
Valentin ist ein aufgewecktes Kind. Zwar ist der Neunjährige noch immer entwicklungsverzögert, doch er kommt – auch durch die Hilfe des Familienunterstützenden Dienstes der Caritas – im Alltag recht gut zurecht. © WP | Michael Kleinrensing

Die Familie meistert den Alltag auch deshalb, weil sie vom Familienunterstützenden Dienst (FUD) begleitet wird, und das seit Jahren. Konkret: Die Familie nutzt die von der Einrichtung der Caritas Hagen angebotene Freizeit- und Schulbegleitung. In der Coronazeit musste die Freizeitbegleitung ausgesetzt werden, nur der Bereich Schulbegleitung wurde unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen weitergeführt.

Freundschaft zu Studentin

„Gut, dass es in der Zeit Anna gab“, blickt Ines Papke dankbar zurück. Die damals 18-jährige Studentin hat mit Valentin Home-Schooling gemacht, so gut es ging. „Unser Junge war total trotzig, hat gewettert ,Ihr seid meine Eltern, nicht meine Lehrer, ihr könnt mir gar nichts sagen“, erinnert sich Rainer Obermann an die Zeit der Pandemie nur ungern zurück.

Nur Studentin Anna ließ Valentin damals an sich heran, „Anna hat sich seinen Respekt und seine Freundschaft hart erarbeitet, das war wirklich klasse“, loben die Eltern den persönlichen Einsatz der jungen Frau.

Die Stadtredaktion Hagen stellt ihre diesjährige Weihnachtsaktion unter das Motto „Mehr Freiraum für Familienglück – Erfüllendes Leben mit besonderen Kindern“, um genau Familien wie diese zu unterstützen, ihren Alltag mit einem behinderten Kind ein wenig leichter zu stemmen. Durch die ehrenamtlichen Helfer des FUD haben die Eltern oder Geschwisterkinder mal ein paar Stunden pro Woche Zeit, um durchzuatmen und neue Energie zu tanken.

Apropos Energie: „Valentin ist ein lebendiger, schlauer Junge, er besucht die vierte Klasse der Kipperschule“, sagt Ines Papke stolz. Mittlerweile ist die Familie, die in Westerbauer wohnt, froh, dass ihr Sohn auf eine städtische Regel-Grundschule geht, „obwohl es anfangs schwer für uns alle war“.

Hagen Weihnachtsaktion 2023 1sp/111 Freiraum Leben
Hagen Weihnachtsaktion 2023 1sp/111 Freiraum Leben © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Ines Papke ist in Teilzeit als Schaffnerin bei der Deutschen Bahn beschäftigt, Rainer Obermann in einem Betrieb in Boele als Tischler angestellt. Valentins wesentlich älterer Bruder hat mittlerweile eine eigene Wohnung.

Mutter Ines hat unregelmäßigen Schichtdienst, Vater Rainer in ihrem kleinen, fast 100 Jahre alten Haus immer was zu wurschteln, „aber wir versuchen, wann immer es möglich ist, den überaus aktiven Valentin spielerisch-sinnvoll zu beschäftigen“, sagt Rainer Obermann. „Fahrradfahren mit Papa“ gehört genau so dazu wie „Mensch ärgere dich nicht“ mit Mama zu spielen. „Es ist wichtig, Valentin aus seinem Stressbereich heraus zu holen, und spielen ist dafür das beste Mittel“.

Einfach mal ein paar Minuten entspannen

Knackpunkt: Beinahe jede Stunde eines Tages muss geplant und organisiert werden, „nach der Schule stehen häufig Arztbesuche oder Physiotherapietermine an. Das kostet alles viel Zeit und ist nur dank der Hilfe des FUDs zu schaffen“, betonen die Eltern. Derzeit besucht eine junge Frau, Christiane, die Familie als ehrenamtliche Helferin; sie begleitet Valentin zum Beispiel zu Terminen und spielt mit ihm Kinder-Monopoly oder Memory. „Wenn Christiane da ist, kann ich einfach mal ein paar Minuten aus dem Fenster schauen und weiß, dass Valentin gut versorgt ist“, sagt Ines Papke erleichtert.

Und Valentin? Der schwärmt weiterhin wortreich und mit vielen Gesten vom Bauernhof im Allgäu und von Amsterdam.

Doch auch Kurztrips kosten Geld. Und auch dafür sammelt die WP im Rahmen ihrer Weihnachtsaktion. Denn ein Tapetenwechsel ist für ein behindertes Kind, seine Geschwister und seine Eltern doppelt wichtig. „Ja, das wäre mal wirklich schön“, sagen Valentins Eltern versonnen.