Haßley. Viele Haßleyer nahmen ein Gesprächsangebot der Redaktion wahr. Sie ließen Dampf ab und hinterfragen das Vorgehen der Stadt.
Dass es wie aus Kübeln schüttet, hat Symbolkraft. Denn die Bewohner des Dorfes Haßley lässt man seitens der Politik und der Verwaltung ziemlich im Regen stehen. Diese Woche war durch unsere Zeitung bekannt geworden, dass die Stadt einen Flächen-Deal vorbereitet. Sie will die 22 Hektar große Industrie-Potenzialfläche des ehemaligen Dolomitwerks im Lennetal haben. Dafür ist die Stadt – aktuell nicht Höchstbietender im Verfahren – bereit, den beliebten Wanderweg auf Haßley an Rheinkalk zu veräußern, der quasi an die bisherige Steinbruchkante grenzt und ein Türöffner für eine Steinbrucherweiterung sein soll – in Richtung des Dorfes Haßley. Zahlreiche Haßleyer folgten gestern der Einladung der Redaktion zum Gespräch am Haßleyer Ententeich.
Es herrschen im Prinzip zwei Gefühle vor. Erstens: Fassungslosigkeit. Darüber, dass eine Verwaltung ernsthaft glaubt, Flächen für Industriebetriebe schmackhaft zu machen, die ihr gar nicht gehören. „Der Wanderweg ist doch nur die Eingangstür. Hier oben ist doch keiner blöd“, ruft einer aus der Menge unter Regenschirmen. Das zweite Gefühl: Respektlosigkeit. Denn weder aus der Verwaltung und auch nicht aus der Politik werde versucht einzufangen, was hier gerade losrennt. Protest und Ablehnung nämlich. „Da lässt man dich dumm sterben.“
Und die vielen Argumente sind schlüssig. Eine der wichtigsten Landwirtschaftsflächen werde geopfert, eines der beliebtesten Naturschutzgebiete gestört. Wie wichtig Getreideanbau sei, werde doch durch die große kriegsbedingte Lebensmittelkrise gerade offenkundig. Die Bedeutung des Naherholungsgebietes für den gesamten Emster Raum heben sie hervor. Aber sie fragen sich auch, wie lang der Ball eigentlich ist, der hier schon gespielt wird. „Die Stadt hat die Steinbrucherweiterung seinerzeit abgelehnt, erfahren wir aus der Zeitung. Die Politik war dafür. Auf welcher Grundlage sind die Entscheidungen getroffen worden?“, sagt der Haßleyer Stefan Gerigk, seines Zeichens in Hagen gut vernetzter Architekt.
Er hat sich den aktuellen Regionalplan angesehen, der – vereinfacht gesagt – den Raum durch planerische Vorgaben ordnet. „Da ist die erweiterte Fläche des Steinbruchs schon zu sehen“, sagt Gerigk. „Wie kann das sein? Wie kommen solche Zeichnungen zustande? Wer schickt das an den Regionalrat, wann dürfen Bürger was sagen, wo gibt es Einsprüche?“ An dem ganzen Fall werde für die Haßleyer deutlich, dass vieles in Hagen einfach am Bürger vorbeigefädelt wird. „Die Stadt kommt doch nie raus, um mal was zu erklären oder ein Thema mal sauber in der Öffentlichkeit darzustellen. Dieser Fall wäre doch so einer gewesen“, sagt ein Haßleyer.
Ähnlich wie am Böhfeld in Boele, wo allein schon kein Gewerbegebiet entwickelt werden kann, weil den Flächenbesitzern die gebotenen Millionen-Summen egal sind, setzen die Haßleyer auch bei sich darauf, dass Flächenbesitzer wie der Zahnarzt Klaus Partenheimer („Ich will überhaupt keine Flächen verkaufen“) nicht die Seele Haßleys verhökern. „Das passiert hier nicht“, sagt Friedrich Middendorf, der in Haßley auch Flächen besitzt, für die man ihm auch schon Geld geboten hatte. „Kommt mir nicht in die Tüte, das ist unsere Heimat.“
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Bei Begehungen im Jahr 2003 sei schon augenscheinlich gewesen, wie sehr die wöchentlichen Sprengungen im Steinbruch der Häusersubstanz in Haßley zusetzen. Risse in Wänden, verzogene Türen, wackelnde Schränke. „Die Belastung ist schon jetzt irre hoch“, sagt ein Haßleyer. Und Stefan Gerigk wirft das Thema „Abstandserlass“ mit in die Diskussion. „Wie weit darf ein Steinbruch an ein Wohngebiet heranrücken. Nach meiner Kenntnis 300 Meter, und das wäre sehr nah.“ Das ist aber korrekt. Es gilt ein Mindestabstand von 300 Metern dann, wenn Sprengstoffe im Steinbruch verwendet werden.
Die Redaktion bleibt an den Sorgen und Nöten der Haßleyer dran und wird in den kommenden Ausgaben weitere Themen und Perspektiven aufgreifen, die die Anwohner im Gespräch vor Ort aufgebracht haben.