Oege. Vor 30 Jahren demonstrieren hunderte Arbeiter in Hohenlimburg für den Erhalt des Hoesch-Federnwerkes. Rückblick auf einen harten Arbeitskampf:

Es ist nunmehr drei Jahrzehnte her, da rauchten ab Anfang August an der Oeger Straße in Höhe des damaligen Hoesch-Federnwerkes (heute ThyssenKrupp Federn und Stabilisatoren GmbH) in Metallfässern die Feuer der Mahnwachen, rollten Lautsprecherwagen über die Hohenlimburger Straßen, um die Bevölkerung auf den Kampf der Federnwerker aufmerksam zu machen, zogen Hunderte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von der Oeger Straße in die Hohenlimburger Innenstadt, um an der Hohenlimburger Freiheit für den Erhalt ihres Werkes zu demonstrieren.

Ein Kampf zur Rettung von Arbeitsplätzen, der für Hohenlimburg beispiellos ist.....

Diese Zeitung hat vor 30 Jahren den Kampf der Arbeiter um ihr Federnwerk in Hohenlimburg-Oege dokumentiert. Anfang August 1993 legten hunderte Arbeiter morgens die Arbeit nieder und demonstrierten für ihr Werk. 
Diese Zeitung hat vor 30 Jahren den Kampf der Arbeiter um ihr Federnwerk in Hohenlimburg-Oege dokumentiert. Anfang August 1993 legten hunderte Arbeiter morgens die Arbeit nieder und demonstrierten für ihr Werk.  © WR Archiv

Arbeitsplätze verloren

Rückblende: Der Überraschungscoup der Essener Krupp AG im Oktober 1991, den damaligen Hoesch-Konzern in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu übernehmen, hatte auch gravierende Auswirkungen auf den Industriestandort und somit auf die Industriegeschichte Hohenlimburgs. Tausende Arbeitsplätze gingen durch die von Krupp-Chef Dr. Gerhard Cromme so geschickt initiierte „Elefantenhochzeit“ der beiden großen Stahlkonzerne auch an der Lenne verloren.

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Mehrere Werke angegliedert

So in der (Ober-)Nahmer mit den Krupp-Werken oder am Kronenburgplatz (Hoesch-Stahl); aber auch an der Oeger Straße, wo der Hoesch-Konzern mit der Mittelbandstraße und dem Federnwerk zwei Standorte besaß. Rund 7500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigten damals beide Unternehmen in Hohenlimburg; hinzu kamen angegliederte Werke in Werdohl, Letmathe und Westhofen, so dass sich die Zahl der Betroffenen in dieser Region auf rund 10000 einpendelte.

„Hohenlimburg muß leben“: Diese Zeitung hat vor 30 Jahren den Kampf der Arbeiter um ihr Federnwerk in Hohenlimburg-Oege dokumentiert. Die Zeitungsfotos von damals zeigen ernste Gesichter der Arbeiter. Sie wollen, dass der Standort des Werks in Hohenlimburg erhalten bleibt.
„Hohenlimburg muß leben“: Diese Zeitung hat vor 30 Jahren den Kampf der Arbeiter um ihr Federnwerk in Hohenlimburg-Oege dokumentiert. Die Zeitungsfotos von damals zeigen ernste Gesichter der Arbeiter. Sie wollen, dass der Standort des Werks in Hohenlimburg erhalten bleibt. © WR Archiv

Übernahme durch Krupp

Innerhalb eines Jahres wurde nach der feindlichen Übernahme vom 9. Oktober 1991 deutlich, dass sich Krupp aus der Nahmer zurückziehen und die dortigen Werke schließen werde. Doch wie sollte es bei der ehemaligen Hoesch Hohenlimburg AG weitergehen? Die Mittelbandstraße, landesweit als Perle des Konzerns bekannt, schien unantastbar. Aber was sollte mit dem Federnwerk und dessen Schwester-Standorten in Olpe und Werdohl geschehen?

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So sickerte schon im März 1993 durch, dass von den 700 Arbeitsplätzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Oeger Federnwerkes rund 160 abgebaut werden sollten. Der Anfang vom Ende? Gleichzeitig wurde das Federnwerk aus der Sparte „Verarbeitung“ und somit aus der Hoesch Hohenlimburg AG ausgegliedert und der Sparte „Automotive“ zugeschlagen.

Aufträge gehen zurück

Weil die Auftragslage im Federnwerk im Sommer 1993 mehr als angespannt war und der Abbau weiterer Arbeitsplätze und sogar die Schließung des Werkes an der Oeger Straße nach Aussagen der Geschäftsführung drohte, war die Stimmung unter den Arbeitnehmern aufgeheizt. „Es geht ums Überleben“, war die dramatische Botschaft des Betriebsratsvorsitzender Gerold Vogel bei der Belegschaftsversammlung Ende Juni 1993 im Letmather Saalbau.

„Elefantenhochzeit“

„Wer rote Zahlen schreibt, wird dichtgemacht. Wer schwarze Zahlen schreibt, hat mittelfristig eine Überlebenschance.“Doch dann machte der damalige Betriebsratsvorsitzende deutlich: „Kampflos werden wir das Feld und somit die rund 700 Arbeitsplätze nicht räumen.“ Unterstützung erhielten die Federnwerker von der nach der „Elefantenhochzeit“ gegründeten Hohenlimburger Bürgerinitiative „Arbeitsplätze verteidigen, Zukunft für Hohenlimburg“ um Volkmar Flöß (IG Metall), Pfarrer Walter Adams und Marie Schumann, deren Mitglieder sich Seite an Seite mit den Hoeschianern zeigten und die ab dem 5. August 1993 laufenden Protestaktionen unterstützten.

Aber auch aus der Bevölkerung. Gerold Vogel erinnert sich: „Was sich an den Mahnwachen abspielte, war einfach unbeschreiblich.“

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Intensive Proteste

Diese intensiven Protestaktionen hinterließen dann auch in der Krupp-Konzernspitze Wirkung. Mitte Oktober 1993 kehrten die Betriebsratsvorsitzenden Gerold Vogel und Axel Berg (Stellvertreter) mit der Information aus einer Sitzung der Sparte „Automotive“ zurück, dass 250 der zu diesem Zeitpunkt noch rund 550 Arbeitsplätze bestehen bleiben.

„Diese Chance, die wir heute erhalten haben, wollen wir nutzen“, schrieben Vogel und Berg, die damals diese Nachricht als die „positive Botschaft des Jahres“ ansahen, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ins Gebetbuch. Denn damit war eine gewisse Aufbruchstimmung geschaffen.

„Diese Federn sind für VW bestellt“, berichteten damals diese beiden Arbeiter im Federnwerk in Oege dieser Zeitung. In dem Hoesch-Werk in Hohenlimburg werden vornehmlich Federn für die Automobilindustrie produziert.
„Diese Federn sind für VW bestellt“, berichteten damals diese beiden Arbeiter im Federnwerk in Oege dieser Zeitung. In dem Hoesch-Werk in Hohenlimburg werden vornehmlich Federn für die Automobilindustrie produziert. © WR Archiv

Chance für die Zukunft

„Diese Entscheidung bietet dem Federnwerk und somit Hohenlimburg eine echte Chance. Wenn das Werk geschlossen worden wäre, wäre es nie wieder eröffnet worden“, sagte damals im Herbst 1993 Hans Griesel, langjähriger Betriebsratsvorsitzender der Hoesch Hohenlimburg AG, im Gespräch mit der WESTFALENPOST. Und Gerold Vogel freute sich: „Wir haben mehr erreicht, als die andere Seite zugestehen wollte.“

Ohne diese Aktionstage im August 1993 wäre es fraglich, ob auch heute noch an der Oeger Straße Federn produziert würden. Der Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze hat sich offenkundig gelohnt. Aber wie sieht aktuell die Zukunft des Federnwerkes aus? Dazu möchte sich auf Nachfrage der ThyssenKrupp-Konzern im September äußern.