Ambrock. Wenn Medizin und Technik sich ergänzen: Durch eine robotergestützte Intensivtherapie können Patienten in Hagen lernen, sich wieder zu bewegen.
Ein Pferde-Roboter im Krankenhaus. Das wirkt ungewöhnlich auf den ersten Blick. Technik, die man zunächst nicht im Gesundheitssektor oder einer Klinik vermuten würde. In der Ambrocker Klinik im Hagener Süden gibt es das Angebot aber schon länger.
Dr. Christoph Schäfer, Chefarzt des neurologischen Klinikbereichs, informiert über die Vorteile im medizinischen Therapiebereich: „Das Thema Robotik in der Medizin hat schon bereits vor über 20 Jahren angefangen. Die Robotik ersetzt dabei keine Therapeuten, sondern eröffnet uns Therapiemöglichkeiten, die wir sonst nicht hätten.“ Vorteil für Betroffene, die Hilfe suchen: Die Therapeuten können sich noch besser auf ihre Patienten konzentrieren.
Roboter-Beine zur Unterstützung beim Gehen
Eines der Anwendungsbeispiele für schwerstbetroffene Patienten, die nicht selber sitzen oder stehen können, ist der Therapieroboter Lokomat. Hierbei geht es darum, Patienten das Gehen mit Hilfe der Robotik wieder zu ermöglichen. Nach einer schweren Verletzung oder Erkrankung müssen Menschen oft Bewegungsabläufe neu erlernen.
„Es sind Roboterbeine, die an die Beine des Patienten geschnallt werden. Dadurch können die Beine des Patienten gezielt bewegt werden“, erklärt Dr. Schäfer. Dank eines ausgefeilten Stützmechanismus mit dynamischer Körpergewichtsentlastung, dem sogenannten Exoskelett, erleben selbst schwerstbetroffene Patienten, z. B. nach einem Schlaganfall, wie es ist, auf eigenen Füßen zu stehen und sukzessive viele Schritte zu gehen.
Bewegungsabläufe neu lernen
Bei Patienten mit einer nicht vollständigen Querschnittslähmung können die Gehfunktionen gestärkt werden, wenn durch Robotikgeräte die Schwerkraft aufgehoben wird. Auch bei schweren Funktionsstörungen der Arme und Hände hilft eine robotergestützte Intensivtherapie. Hierbei wird die Schwerkraft durch ein Roboter-Gerät aufgehoben. Der Arm kann fast frei schweben. „Die meisten Patienten haben noch eine ansatzweise Funktion im Arm, die Kraft reicht jedoch nicht mehr für Bewegungsabläufe aus“, erklärt Dr. Schäfer.
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Nervenzellen und ihre Verbindungen können sich jedoch bis ins hohe Alter verändern und neue Aufgaben übernehmen. Die Patienten lernen durch die wiederholten Übungen Bewegungsabläufe neu. Die entsprechenden Impulse erfolgen direkt durch das Gehirn. Der Arm wird dabei mit der Robotikeinheit verbunden. Die Aufhebung der Schwerkraft ermöglicht es den Patienten, vorhandene Funktionsansätze zu nutzen und damit weitreichende Bewegungen auszuführen und zu üben, was ohne Gerät nicht möglich wäre. Arm- und Schulterfunktionen können sich dadurch erheblich verbessern, Kraft kann wiedergewonnen werden. Gewohnte Bewegungsabläufe können wieder erlernt werden.
Hippotherapie seit 1995
Auch beim therapeutischen Reiten (auch Hippotherapie genannt) wird in Ambrock mit zukunftsorientierter Gesundheitstechnik gearbeitet. Diese spezielle Therapieform gibt es in Ambrock schon seit 1995, zuerst auf dem Rücken von Pferden, seit kurzem in Form eines mit pferdeähnlichen Eigenschaften gebauten Therapieroboters. Die Ursprungsform ist ein Industrieroboter, der die Bewegungsabläufe von Pferden durch entsprechende Programmierung der Software perfekt simulieren kann. Dieser Roboter braucht weder Futter und Wasser noch Streicheleinheiten.
Vorteile wissenschaftlich nachgewiesen
Übrigens handelt es sich dabei um ein in der Umgebung einmaliges Therapieangebot. Diese technische Innovation ermöglicht es, Patienten mit neurologischen Defiziten ohne den üblichen Zeitaufwand einer Hippotherapie mit „echten Pferden“ effektiv zu behandeln. Die Bewegungen können präzise dosiert werden. „Sowohl Parkinson als auch MS gehen mit Haltungsstörungen einher. Die Patienten sind extrem sturzgefährdet“, erklärt Dr. Schäfer, „die dreidimensionale Bewegung des Roboters fordert vom Patienten die ständige aktive Aufrichtung des Rumpfes, so dass seine Rumpfkontrolle und -stabilität deutlich verbessert wird.“ Die Hippotherapie unterstützt auch Patienten nach Schlaganfällen oder Schädel-Hirn-Traumata in ihrer Rehabilitationsphase.
Die Vorteile dieser Therapie sind wissenschaftlich nachgewiesen. Sie hat einen besonders nachhaltigen Effekt, die Patienten sind im Nachgang deutlich sicherer auf den Beinen.
Neue Therapie-App
Ein neues Therapieangebot der Klinik Ambrock gibt es auch im Bereich Digitalisierung – mit der Fortführung der Therapie in der Klinik über eine digitale App. Hierbei wird der Patient nicht nur wie bei anderen bekannten Fitness-Apps mit Videos begleitet, sondern auch mit „echten“ Therapeuten. Über die Deutsche Rentenversicherung versicherte Patienten können bei entsprechender Eignung bereits ihre Therapie über diese App sechs Monate lang weiter fortführen. Ein großer Vorteil gerade für Patienten, die weiter entfernt wohnen.
Allerdings: „Schummeln ist nicht wirklich möglich, die App registriert die Aktivitäten“, schmunzelt Dr. Schäfer und ergänzt: „Der Patient hat aber vor allem den großen Vorteil, dass er selbst die Therapie in seinen persönlichen Alltag einbauen kann.“