Hagen. Die Corona-Pandemie belastet auch viele Jugendliche in Hagen. Sie berichten über Frust und Einsamkeit. Ein Projekt arbeitet das auf.

Die Erzählungen ähneln einander. Und doch machen sie immer wieder aufs Neue eine Dimension klar, die man vielleicht geahnt hat, die aber auf solch eine direkte Art kaum Wort geworden ist. „In der Schule geht es immer nur darum, ob die Leistungen erbracht werden, und dass Stoff vermittelt wird“, sagt Gandhi Chahine, „wie sich aber die Jugendlichen, die in Konferenzen vor ihren Bildschirmen hocken, in Wirklichkeit fühlen, was sie vermissen, was sie bewegt – das fragt niemand.“

Hier setzt es an, das Projekt „Corona-Chroniken“, das aus einer ganz anderen Perspektive noch einmal einen Zeitabschnitt in den Fokus rückt, von dem niemand weiß, ob er beendet ist oder nicht. Denn wenn in der nächsten Woche auch in Hagen die Schule wieder startet, wenn Schüler sich (freiwillig) testen, die Zahlen eventuell steigen und vielleicht sogar eine im Herbst neue Welle oder eine neue Variante kommt, dann lässt sich trotz aller politischen Bekundungen kaum sagen, wie Unterricht künftig stattfinden kann.

Handy rückt während Corona in den Mittelpunkt

Fest steht aber, wie die Vergangenheit war, wie die Jugendlichen sie empfunden haben. Zum Beispiel Nadine Burkhardt, die ihr Abi in der Coronazeit nicht geschafft hat und nun einen zweiten Anlauf nimmt. „Das Handy ist in den Mittelpunkt gerückt“, sagt die 19-Jährige, „letztlich hat dieses Projekt geholfen, aus einem Teufelskreis herauszukommen.“

Dabei war auch das Projekt, hinter dem mit „Heureka“ (Freies Institut für Bildung, Forschung und Innovation) ein Verein steht und das durch die Bundeszentrale für politische Bildung gefördert wurde, geprägt durch die Pandemie. „Als wir im Mai 2021 gestartet sind, waren Präsenzveranstaltungen auf für uns nicht möglich“, sagt Gandhi Chahine, „das hat uns zu Lehrenden und Lernenden zugleich gemacht.“ Denn auch Chahine und Dirk Schubert, die verantwortlich für die Durchführung zeichneten, hatten bis dahin kaum Erfahrungen mit Online-Veranstaltungen. „Wir haben uns da selber fortgebildet.“

Homeschooling mit Geschwistern im Zimmer

Corona-Chroniken in Hagen auf der Bühne

Am Projekt „Die Corona-Chroniken“ haben 40 Jugendliche teilgenommen.

Es ist gemündet in eine Aufführung, bei der im Jugendkulturzentrum Kultopia die Teilnehmer Szenen auf die Bühne gebracht haben.

Weitere Aufführungen sollen folgen.

Trotz dieser Vorzeichen entwickelt sich eine Arbeit, die die Jugendlichen bewegt und abholt. „Schon beim ersten Zoom-Meeting hat jeder erzählt, wie er sich wirklich fühlt“, sagt Aya Alali (19), die erst seit wenigen Jahren in Deutschland lebt, zu Hause kein eigenes Zimmer hat und an Online-Veranstaltungen teilgenommen hat, während parallel ihre Geschwister im gleichen Raum unterrichtet wurden. „In dieser Zeit war ich wirklich gestresst. Ich habe mich einsam gefühlt, gedacht, dass mich niemand ernst nimmt.“

„Es gibt viele Jugendliche, die in dieser Zeit Homeschooling am Handy gemacht haben, weil sie keine anderen Geräte zur Verfügung hatten“, sagt Gandhi Chahine, „das muss man sich mal vorstellen – so etwas kann nicht funktionieren.“ Und weiter: „Einige der Teilnehmer sind in dieser Zeit 18 Jahre alt geworden – gefeiert haben sie – wenn überhaupt – allein zu Hause ohne ihre Freunde.“

Zocken gegen die Einsamkeit

Die Jugendlichen berichten fast alle von Online-Veranstaltungen, an denen sie zwar formal teilgenommen haben, ohne das Endgerät im Blick zu haben. Virtuelle Welten treten an die Stelle der realen. „Ich machen eigentlich Kampfsport, treffe mich mit Freunden beim Training“, sagt Khtan Kaad (19), „es gab aber Zeiten, da habe ich nur noch gezockt. Irgendwann ist mir die Decke auf den Kopf gefallen. Ich wohne alleine hier in Hagen. Ich habe geweint, meine Mutter im Irak angerufen, sie angefleht, damit sie mir einen Ausweg zeigt.“

Einen einfachen Ausweg gibt es nicht. Aber zumindest ein Projekt, bei dem sich Jugendliche ernst genommen fühlen.