Hohenlimburg. Zufällig finden Schüler und Lehrer im Keller des Gymnasiums Hohenlimburg alte Schulakten und Lehrbücher aus der Nazi-Zeit – und noch weit älter:

Berichte aus der Zeit des Nationalsozialismus und weit davor: Einen großen Fundus an historischen Unterlagen aus dem Schulalltag im Gymnasium Hohenlimburg haben Lehrer und Schüler im Keller des Schulgebäudes entdeckt. Sie erzählen aus dem Leben an der Schule bis zurück in die Zeit vor dem Deutschen Kaiserreich. Nun sollen die Unterlagen aufgearbeitet werden.

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Lesebuch zur Deutschen Kultur

Merle Marie Steinmann beugt sich über ein Schulbuch, aus dem seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gelesen wurde. Das „Lesebuch zur Einführung in die ältere deutsche Dichtung“ erschien im Jahr 1921 und war Lehrwerk für viele Schülerinnen und Schüler nicht nur in Hohenlimburg. Der deutschtümelnde Zungenschlag setzt sich im Inneren, zwischen den Buchklappen, fort: „Zur Fortführung und Ergänzung des Deutschen Lesebuches dienen folgende Bücher“, liest Merle Steinmann vor. „Deutsche Kultur – ein Lesebuch von deutscher Art und Kunst für die Oberstufe höherer Schulen und zum Selbstunterricht.“

Schülerin Merle Marie Steinmann liest aus dem alten „Lesebuch zur Einführung in die ältere deutsche Dichtung“ aus dem Jahr 1921 – früher ein Lehrwerk für die Schülerinnen und Schüler in Hohenlimburg. 
Schülerin Merle Marie Steinmann liest aus dem alten „Lesebuch zur Einführung in die ältere deutsche Dichtung“ aus dem Jahr 1921 – früher ein Lehrwerk für die Schülerinnen und Schüler in Hohenlimburg.  © Marcel Krombusch

Nur eines von vielen Büchern, das zusammen mit Zeugnissen, Schülerlisten, Klassenbüchern und Schulakten aus mehr als hundert Jahren vor ihr ausgebreitet liegt. Neben ihr blättern vier weitere Schülerinnen und Schüler aus der achten und neunten Klasse in den alten Unterlagen, dabei im Gespräch mit den Lehrern Christian Rasche und Vassiliki Papenburg.

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Zusammen bilden sie die Redaktion der „Greenlionz“, der Schülerzeitung des Gymnasiums, die sich anlässlich des 170. Geburtstages der Schule auf Spurensuche zu den Wurzeln der Lehranstalt in Hohenlimburg begibt. Diese öffnete ihre Pforten im Jahre 1852 als Rektoratsschule.

Unterlagen im Keller entdeckt

Zu dieser Zeit, zwei Jahrzehnte vor dem Kaiserreich, war der Eiffelturm in Paris noch nicht gebaut und Hohenlimburg ein kleines Städtchen namens Limburg. Unterlagen aus den ersten Jahren der Schule fand Lehrer Christian Rasche allerdings nicht, als er mit seinen Jung-Redakteuren der Schülerzeitung die Spinde im Keller des Gymnasiums durchsuchte.

„Wir wollten aus Interesse mal gucken, ob wir alte Zeugnisse und Klassenbücher finden“, berichtet Rasche. Die Recherche anlässlich des Schuljubiläums brachte allerdings weit mehr zum Vorschein, als die Beteiligten erwartet hätten. „Die Unterlagen, die wir fanden, wurden immer älter und älter.“

Schüler und Lehrer fanden alte historische Unterlagen im Keller des Gymnasiums Hohenlimburg - darunter Papiere, die viele Jahrzehnte in die Historie der Schule zurückreichen und noch aus der Nazi-Zeit und dem Deutschen Kaiserreich stammen - wie hier von 1880. 
Schüler und Lehrer fanden alte historische Unterlagen im Keller des Gymnasiums Hohenlimburg - darunter Papiere, die viele Jahrzehnte in die Historie der Schule zurückreichen und noch aus der Nazi-Zeit und dem Deutschen Kaiserreich stammen - wie hier von 1880.  © Marcel Krombusch

Von Fotografien von Schulklassen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts über Zeugnisse und Akten aus dem Schulleben während des zweiten Weltkrieges und in den Jahren danach. Die ältesten Dokumente, die sie fanden, stammen aus den 1860er-Jahren. „Es ist schon etwas Besonderes, wenn man ein Buch aufschlägt, das gefühlt mehr als 140 Jahre nicht mehr aufgeschlagen wurde“, sagt Rasche. Dazu die alten Schüllerlisten, die zum Teil verbreitete Nachnamen aus Hohenlimburg enthalten.

Bekannte Nachnamen des Ortes

Namen, die Rasche unter seinen Schülern bis heute begegnen. Den Schatz an alten Dokumenten, von denen viele sehr gut erhalten sind, will die Schule nun langsam für sich heben. Für die Schülerzeitung soll ein großer Bericht und ein Podcast zum Thema entstehen. Darüber hinaus bietet das Material auch eine anschauliche Grundlage für den Unterricht.

In Pädagogik etwa gibt der Lehrplan auch das Thema Erziehung im Nationalsozialismus vor, berichtet Fachlehrer Christian Rasche. „Hier konnten wir die Zeugnisse von damals als Material im Unterricht besprechen. Die Namen haben wir geschwärzt.“

Die Redaktion der Schüler-Zeitung um Hermine Halupczoka, Merle Marie Steinmann, Lilien Schwitallik und Ronja Biedermann arbeitet die historischen Unterlagen für einen Bericht auf, unterstützt von den Lehrern Christian Rasche und Vassiliki Papenburg. 
Die Redaktion der Schüler-Zeitung um Hermine Halupczoka, Merle Marie Steinmann, Lilien Schwitallik und Ronja Biedermann arbeitet die historischen Unterlagen für einen Bericht auf, unterstützt von den Lehrern Christian Rasche und Vassiliki Papenburg.  © WP Hagen | Marcel Krombusch

Die Schulreform der Nationalsozialisten machte aus der Städtischen Realschule eine Deutsche Oberschule für Jungen, die Gerade die Berichte aus der Zeit des zweiten Weltkrieges bewegen. So berichten die Unterlagen etwa, dass die Schule ausfiel, weil Schüler bei der Kartoffelernte auf den Feldern helfen mussten.

Oder geben Einblicke in einen Kriegseinsatz der Hohenlimburger Schüler in Lippstadt, berichtet aus Sicht des Lehrers. „Schon lange hatten unsere Jungen auf einen Kriegseinsatz hin gefiebert“, schreibt dieser. Er berichtet etwa vom schlechten Schlaf seiner Schüler in der ersten Nacht.

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Berichte einordnen

Berichte wie diese mit den Schülern richtig einzuordnen und zu besprechen, ist für Lehrer Christian Rasche dabei besonders wichtig. „Die Jungen freuten sich, in den Krieg zu gehen? Es ist schon spannend zu sehen, wie beschönigend das alles damals geschrieben wurde.“ Die Aufarbeitung der Unterlagen werde die Schülerzeitung noch den Rest des Schuljahres weiter begleiten.

Auch für Britta Auerbach, Rektorin des Gymnasiums Hohenlimburg, ist der Fund der teils weit über hundert Jahre alten Schulunterlagen etwas besonderes. „Es sind Zeitdokumente, teilweise verstörend, teilweise spannend, wie der Blick damals ein ganz Anderer war, sich manche Dinge aber auch nie ändern.“

Pünktlich im Unterricht zu erscheinen, das war zum Beispiel schon zu Kaisers Zeiten hohes Gebot, auch davon erzählen die historischen Dokumente.