Hagen. Gunther Exner, Historiker aus Hagen, hat die Geschichte der Reichskanzlei erforscht und sich mit der Persönlichkeit von Adolf Hitler beschäftigt.
Was war Hitler für ein Mensch? Warum ist er zu einer Art Ausgeburt des Bösen auf Erden geworden? Welche Charakterzüge haben ihn ausgezeichnet?
Das sind Fragen, die sich Gunther Exner (57) aus Hagen im Rahmen seiner Tätigkeit als Historiker häufig gestellt hat. Auch bei seinen Forschungen zur Trilogie über die Geschichte der Reichskanzlei hat er sich natürlich immer wieder mit der Person des Diktators auseinandersetzen müssen. „Ich weiß nicht, ob er von Kindesbeinen an ein im Kern schlechter Mensch war, aber er hat sich auf jeden Fall zu einem bösartigen Charakter entwickelt“, betont Exner: „Wer das nicht versteht, der hat gar nichts verstanden.“
Gunther Exner hat sich als Historiker einen Namen gemacht. Sein 1999 erschienenes Buch „Hitlers zweite Reichskanzlei“, eine architektur-historische Dokumentation über die Dienststelle in Berchtesgaden, findet sich heute in einigen bedeutenden Bibliotheken der Welt – etwa dem Institut für Zeitgeschichte in München, der Library of congress in Washington, der Harvard University in Stanford oder der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. In der Vergangenheit hat Exner, der seit Vollendung des ersten Lebensjahres in Hagen wohnt, auch an Fernsehproduktionen wie „Die letzte Schlacht“ und dem Mehrteiler „Speer und er“ mitgewirkt.
Verschollene Bauakten entdeckt
Seine Forschungen über die Reichskanzlei hat er nun zu einem dreiteiligen Werk ausgeweitet, von dem Band 1 über Hitlers „zweite Reichskanzlei“ in den bayerischen Alpen im vergangenen Jahr erschienen ist. Mit dieser Zweigstelle in Berchtesgaden ist nicht der berühmt-berüchtigte Berghof auf dem Obersalzberg gemeint, den Hitler zur Residenz ausbauen ließ und wo er Staatsgäste empfing.
Vielmehr handelte es sich um den offiziellen zweiten Regierungssitz des NS-Reiches, den Hitler Mitte der 30er Jahre errichten ließ, um die Koordinierung und Umsetzung seines Willens auch dann sicherzustellen, wenn er sich auf dem Berghof aufhielt. Sein Arbeitszimmer in der „Reichskanzlei, Dienststelle Berchtesgaden“ (so die offizielle Bezeichnung) benutze er hingegen nur selten.
Das Gebäude existiere heute noch, es war bis 1996 militärisch abgeriegelter Sitz des „General Manager Berchtesgaden Recreation Area USRC“ der US-Streitkräfte und befindet sich seit 2001 in Privatbesitz, berichtet Exner, der zu Recherchezwecken häufig vor Ort war: „Ich habe die als verschollen geltenden Bauakten der kleinen Reichskanzlei in einem Archiv entdeckt und herausgefunden, dass der Bunker unterhalb des Gebäudes von Zwangsarbeitern errichtet wurde.“
Reichskanzlei der regionalen Bauweise angepasst
Der Schwerpunkt seines Buches liege auf der Architektur, so Exner. Auf den Bau in Berchtesgaden hat Hitler zwar viel Einfluss genommen, aber sein Mitwirken ist zeichnerisch nur durch wenige Skizzierungen auf den Bauplänen auszumachen. Architekt der Berchtesgadener Reichskanzlei war Alois Degano, ein Vertreter volkstümlichen Bauens.
Die Anpassung von Behörden- oder Parteibauten an den jeweiligen volkstümlichen Stil war eine in Ideologie und Propaganda verwurzelte Erscheinungsform des NS-Staates. Die Berchtesgadener Reichskanzlei sollte nach der propagandistischen Darstellung den Eindruck erwecken, sie habe immer schon dort gestanden – musste sich also der regionalen Bauweise anpassen, um nicht als Fremdkörper aufzufallen.
Hitler hielt sich für verhinderten Architekten
In den Bau der Reichskanzlei in Berlin habe Hitler stärker eingegriffen, so Exner. Der Diktator, der sich für einen verhinderten Architekten hielt, habe die erste rudimentäre Skizze des Gebäude gezeichnet, die Ausführung des Baus aber in die Hände seines Lieblingsarchitekten und späteren Rüstungsministers Albert Speer gelegt. Und der habe bei seinen Bauten stets die Funktionalität bzw. die Verwaltungsarbeit der Repräsentation untergeordnet: „Man darf aber nicht vergessen, dass der Auftrag, in diesem Stil zu bauen, eindeutig von Hitler kam.“
Eines der Ziele dieser bombastischen Architektur sei es gewesen, Besuchern das Gefühl von Unbedeutendheit und Verlorenheit zu vermitteln: „Den Versuch auf diese Weise zu beeindrucken, findet man heutzutage beispielsweise in manchen Bankgebäuden“, sagt Exner. Hitlers Arbeitszimmer ist in der Berliner Reichskanzlei ein zentrales Element, in der Berchtesgadener Reichskanzlei ein Zimmer von vielen.
Während seiner Forschungen lernte Exner so manchen Zeitzeugen kennen, etwa Hitlers Sekretärin Traudl Junge, seinen persönlichen SS-Adjutanten Otto Günsche und den Arzt Ernst-Günther Schenk, der 1945 in der Reichskanzlei tätig war. Frau Junge habe ihm gesagt, sie schäme sich wahnsinnig dafür, aber sie habe Hitler gemocht und seine destruktiven und zerstörerischen Seiten nicht erkannt. „Sie hat mir erzählt, dass ihr Chef supergut Witze erzählen konnte und ein fotografisches Gedächtnis besaß.“
Die Gefahr hinter der freundlichen Fassade
Auch von anderen Menschen aus Hitlers Entourage wisse man, dass der Diktator im persönlichen Umgang ein humorvoller und höflicher Mann gewesen sei. „Ich glaube, er war unaufrichtig, unnahbar und äußerst geschickt in der Selbstdarstellung“, so Exner: „Er war wie der Mörder im Nachbarhaus, dem man solch schreckliche Taten niemals zutrauen würde.“
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Doch für das historische Verständnis sei es wichtig, Hitler nicht zu entmenschlichen, indem man seine positiven Eigenschaften, mit denen er Wirkung auf seine Mitmenschen erzielte, unterschlage: „Das wirklich Gefährliche lauerte hinter dieser Fassade.“ Wenn man das vernachlässige, bestehe die Gefahr, dass man auch zukünftig nicht die üblen Absichten erkenne, die sich hinter einem freundlich und leutselig daherkommenden Politiker verbergen könnten.