Hagen-Mitte. Auf der Körnerstraße in Hagen bilden sich zu den Stoßzeiten täglich lange Staus. Die Wut von Autofahrern und Anwohnern ist groß.

„Die Stadt Hagen sperrt uns ein.“ Jörg Elsner, Rechtsanwalt und Notar in Hagen, hilft normalerweise anderen Menschen. Doch jetzt braucht der Jurist selber Hilfe. Denn in seiner Kanzlei in der Neumarktstraße fühlt er sich von der Außenwelt abgeschnitten. Der Grund: das tägliche Verkehrschaos auf der Körnerstraße.

Seitdem die Stadt Hagen in der Körnerstraße zwei Busspuren eingerichtet hat, kommt es in den Stoßzeiten zu langen Staus. Bisweilen reicht die Schlange vom Sparkassenkarree bis zum Arbeitsamt. Für Autofahrer, die aus einer der Nebenstraßen in die Körnerstraße abbiegen wollen, tut sich kaum eine Lücke auf.

Auch Rechtsanwalt Elsner beklagt die Unmöglichkeit, aus seiner Kanzlei in der Neumarktstraße über die Körnerstraße in Richtung Landgericht zu fahren: „Zu Terminen fahre ich eine halbe Stunde früher los, sonst kann es passieren, dass ich nicht pünktlich erscheine.“

Ohne Rücksicht in die Kreuzung

In seiner Not fährt er einen Umweg: „Schneller geht es manchmal, wenn ich von der Neumarktstraße zunächst links abbiege, dann wieder links in die Grabenstraße und über Bahnhofstraße und Karl-Marx-Straße wieder rechts auf die Körnerstraße abbiege.“

Vor allem zwischen 12.30 und 14 Uhr sowie zwischen 16.30 und 18.30 spielten sich auf der Kreuzung Körnerstraße/Karl-Marx Straße „wilde Szenen“ ab, so Elsner: „Wer Grün bekommt, wartet nicht vorschriftsgemäß, dass erst die Kreuzungsräumer von den anderen Seiten eingefahren sind, sondern fährt in die Kreuzung ohne Rücksicht darauf, egal ob für die nächste Ampelphase die Kreuzung für den Querverkehr gesperrt wird. Und ganz ehrlich: Wenn man von der Körnerstraße nicht so vorschriftswidrig fährt, kommt man da nie raus.“

Mehr Platz für den Nahverkehr

Die Busspuren an der Körnerstraße stießen von Beginn mehrheitlich auf Ablehnung und Unverständnis in der Bevölkerung. Für die Stadtverwaltung war ihre Einrichtung 2019 dagegen ein Schritt in Richtung Verkehrswende, bei der dem Nahverkehr mehr Platz eingeräumt werden soll.

Und anders als Anwohner und Autofahrer bewertet die Stadt die Busspuren, die den Platz für den übrigen Verkehr um die Hälfte reduziert haben, deutlich positiv: „Die Fahrzeiten der Busse haben sich deutlich reduziert und somit die Konkurrenzfähigkeit des Busverkehrs gestärkt“, teilt Stadtsprecherin Clara Treude mit. Es komme kaum noch zu Verspätungen.

Und für die Staus seien nicht die Busstreifen verantwortlich, sondern die begrenzte Kapazität der jeweiligen Knotenpunkte am Anfang und am Ende der Körnerstraße. Vor dem Hintergrund der beabsichtigten Verkehrswende sei ein Rückbau der Busspuren denn auch undenkbar.

Auch die Hagener Straßenbahn AG teilt mit, dass die Entfernung der Busspuren zu massiven Verzögerungen im gesamten Busnetz führen würde und durch veränderte Umläufe zu Mehrkosten bei gleichzeitiger Verlangsamung des Gesamtsystems führen könnte.

Motorisierter Verkehr soll reduziert werden

Die Busspuren in der Körnerstraße bedeuteten eine deutliche Attraktivitätssteigerung für den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) in Hagen: „Durch weitere Busspuren im ganzen Stadtgebiet würde sich dieser Effekt weiter erhöhen und den ÖPNV deutlich aufwerten.“ Außerdem hofft die Stadt darauf, dass der Bus spätestens mit der Einführung des 49-Euro-Deutschland-Tickets für noch mehr Menschen eine attraktive Alternative zum eigenen Auto wird.

Auch das Argument, dass durch die häufigen Staus mehr Abgase in die Hagener Luft gepustet werden als zuvor, lässt die Stadtverwaltung nicht gelten. Im Gegenteil sei die „Erhöhung des Verkehrswiderstandes“ sinnvoll, um den motorisierten Verkehr in der Körnerstraße zu reduzieren.

Keine Probleme mehr mit den Grenzwerten

Sprich: Je unattraktiver, weil staulastiger die Körnerstraße für Autofahrer wird, desto eher werden diese bereit sein, auf den Öffentlichen Nahverkehr, den sie ja auf den stets freien Busspuren an sich vorbeirauschen sehen, umzusteigen. „Die letzte Überschreitung des zulässigen Jahresmittelwertes für Stickstoffdioxid wurde in Hagen 2019 festgestellt“, sieht sich die Stadtverwaltung in ihrer Strategie bestätigt. Seither würden die zulässigen Grenzwerte an allen Messstellen sicher eingehalten.

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Alle Maßnahmen im Rahmen der Verkehrswende zielten langfristig darauf ab, dass die Menschen ihr Mobilitätsverhalten ändern und zukünftig häufiger mit Verkehrsmitteln des Umweltverbunds in die Innenstadt führen und nicht mit dem Auto, betont die Stadt. Im Idealfall würde die Körnerstraße nur noch vom „Ziel- und Quellverkehr“ genutzt, also von Autofahrern, die dort wohnen, arbeiten oder etwas zu erledigen haben.

Da die Wirklichkeit tagtäglich ein anderes Bild bietet, bleibt Menschen wie Jörg Elsner keine Hoffnung, dass sich an ihrer jetzigen Situation etwas ändern wird. . .