Hagen. Das Bahnhofskino Bali (später Metropolis-Filmpalast in Hagen) ist längst Geschichte. Was die Deutsche Bahn mit dem „Lost place“ vor hat.
Über das Vorhaben, den Hagener Hauptbahnhof im großen Stil zu modernisieren (immerhin werden 69 Millionen Euro investiert), ist Jens Severin sehr glücklich, noch mehr freut sich der Bahnhofsmanager allerdings über das Wachküssen eines ganz besonderen „Lost Place“. Dem früheren Metropolis-Filmpalast im Bahnhofsgebäude, einem wahrlich „vergessenen Ort“, wird nämlich neues Leben eingehaucht. Der Ursprungsname des 1954 eröffneten Bahnhofskinos lautete übrigens Bali.
Räume werden seit vielen Jahren nicht genutzt
In die seit etlichen Jahren leerstehenden Räume des Metropolis-Filmpalastes, in denen früher Cineasten Leinwand-Neuheiten und -Klassiker mit den Augen verschlangen, zieht das zentrale Fundbüro der Deutschen Bahn (DB), das bisher in Wuppertal beheimatet ist. „Das frühere Kino wird seit Jahren nicht mehr genutzt. Hier wird demnächst etwas Tolles entstehen, was das ganze Viertel aufwertet“, ist sich Jens Severin sicher.
Zum Hintergrund: Das historische Gebäude des Wuppertaler Hauptbahnhofs, in dem sich auch das zentrale Fundbüro der Bahn befindet, wurde im September 2022 an einen Wittener Investor verkauft. Die Folge: Die DB musste sich nach einem neuen Standort für die Einrichtung, in der Gegenstände, die Reisende im Zug liegengelassen haben, zwischengelagert und später dem Besitzer wieder ausgehändigt oder aber versteigert werden, umschauen. Die Wahl fiel auf Hagen.
Pro Tag werden in Zügen 700 Dinge vergessen
Deutschlandweit verlieren Reisende jährlich rund 250.000 Gegenstände in Bahnhöfen und Zügen der Deutschen Bahn (DB). Das sind knapp 700 vergessene Dinge pro Tag.
Dazu gehören alltägliche Gegenstände wie Mobiltelefone, aber auch Kuriositäten wie Gebisse, Brautkleider oder Richterroben. Doch Liegenlassen bedeutet nicht gleich Verlust, denn durchschnittlich 60 Prozent der Gegenstände können an ihre Besitzer zurückgegeben werden, in hochwertigen Warengruppen wie Notebooks sogar bis zu 90 Prozent.
Wird ein Gegenstand an Bahnhöfen oder in Zügen der Deutschen Bahn AG oder ihren Vertragspartnern in Deutschland gefunden, ist der Weg genau festgelegt. Wer im Zug zum Beispiel eine Reisetasche findet, kann sie beim Zugpersonal abgeben. Die Tasche wird dann sieben Tage lang an der entsprechenden lokalen Fundstelle (es gibt insgesamt über 80 lokale Fundbüros) aufbewahrt. Hier suchen Mitarbeitende nach Hinweisen, um den Besitzer ausfindig zu machen und zu kontaktieren.
Wird der Inhaber ermittelt, kann die Tasche innerhalb von drei Wochen abgeholt oder entgeltlich an eine Wunschadresse versendet werden. Wurde der Eigentümer der Tasche nicht innerhalb von sieben Tagen gefunden, geht es für das Fundstück in das zentrale Fundbüro, bislang also nach Wuppertal. Dort lagern auf 1.300 Quadratmetern täglich zwischen 15.000 und 16.000 Gegenstände.
Aber auch das dortige Fundbüro ist zunächst nicht die Endstation für das gefundene Gepäckstück. Weitere vier Wochen lang wird nach dem Besitzer geforscht, die Tasche wird bis zu 90 Tage aufbewahrt. Um die entstehenden Kosten zu decken, wird je nach Art und Zeitpunkt der Abholung eine Bearbeitungsgebühr zwischen 5 und 35 Euro erhoben. Wohnt der Besitzer im Ausland, ist auch ein Versand dorthin möglich.
Sollte sich auch in diesem Zeitrahmen kein Eigentümer gemeldet haben, kommt das Fundstück (in diesem Fall die Reisetasche) unter den Hammer. -yh-
Versteigerungsraum im 1. Obergeschoss
„Das zentrale Fundbüro wird in Hagen auf zwei Etagen, die komplett saniert werden, eingerichtet. Im Erdgeschoss baut die DB die ehemaligen Kinosäle zu einem Lager um. Der große, ehemalige Kinosaal im 1. Obergeschoss wird ein Versteigerungsraum“, erläutert Stefan Deffner, NRW-Pressesprecher der Deutschen Bahn.
Die Fläche, von der die Rede ist, beläuft sich auf 1800 Quadratmeter. „Aktuell befinden wir uns in der Ausführungsplanung, einige Teilgewerke sind bereits ausgeschrieben. Wenn alles glatt läuft, können die Arbeiten im dritten Quartal, also im Spätherbst, beginnen“, skizziert Deffner die zeitliche Schiene.
Umzug für 2024/25 geplant
Der Umzug der Einrichtung werde nach aktuellem Stand dann in 2024/25 stattfinden. Die Investition für den Umbau und den Umzug des Fundbüros werden mit etwa neun Millionen Euro veranschlagt.
Beim Gang durch das frühere Kino Bali bzw. den Metropolis-Filmpalast, in dem in einigen Bereichen durchaus schon Baustellen-Flair herrscht, wird man in eine andere Zeit versetzt. Zwar gibt es keine Bestuhlung mehr, doch die alten Vorhänge und nostalgischen Tulpenlampen hängen immer noch.
„Wir richten in der oberen Etage einen Versteigerungsraum mit 199 Plätzen ein. Den Saal wollen wir - natürlich denkmalgerecht – herrichten und ihn auch als Tagungs- und Eventstätte anbieten“, schwärmt Jens Severin mit Vorfreude in der Stimme.
Im Erdgeschoss werden künftig die Fundsachen aufbewahrt und können dort auch direkt abgeholt werden, auf Wunsch werden die Gegenstände dem Besitzer aber auch zugeschickt. „Das frühere Metropolis, von dessen Terrasse man einen freien Blick auf das Bahnhofsgelände hat, ist für mich ein wahres Schatzkästchen“, freut sich der 50-Jährige über die Wiederbelebung des seit etlichen Jahren vergessenen Ortes.
Bahnhof bekommt Hochwasserschutz
Die Modernisierung des Hagener Hauptbahnhofs wurde verschoben, da die DB nach der Flut im Sommer 2021 nun einen umfassenden Hochwasserschutz in die bestehenden Planungen integriert. Die ersten Arbeiten für das Großprojekt beginnen im Jahr 2024, die Sanierungsarbeiten sollen Ende 2028 abgeschlossen sein.
Anfangs wurden die Modernisierungskosten des Bahnhofs mit 60 Millionen Euro angegeben, durch die erweiterte Planung liegen sie mittlerweile bei 69 Millionen Euro.
Hinzu kommen die Umbau- und Umzugskosten für das zentrale Fundbüro in Höhe von 9 Euro Millionen.
Apropos Jens Severin: Der gebürtige Berliner ist in Hagen noch „recht frisch“. Im April 2022 hat er seinen Vorgänger Ralf Fielenbach im Amt beerbt.
Für 109 Bahnhöfe zuständig
Severin, der mit seiner Familie seit 24 Jahren in Solingen lebt, ist für 109 Bahnhofe in Hagen, im Sauer- sowie im Siegerland zuständig. „Ich bin ein echter Eisenbahner“, lacht der bärtige Mann, „ich bin seit 1991 bei der Deutschen Bahn, hab’ an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Mainz Eisenbahnwesen studiert und war danach in verschiedenen Bereichen bei der DB tätig.“ Die Stelle als Bahnhofsmanager in Hagen findet Severin besonders spannend, da in dem denkmalgeschützten Bahnhofsgebäude und dem Drumherum in den kommenden Jahren eine Menge passieren wird.