Priorei. Tausende fahren an dem Haus im Hagener Volmetal vorbei. Bis jetzt fühlt sich Flutopfer Burkhard Schön von der Provinzial-Versicherung ignoriert.

Sein Haus ist zu einer Ikone der Flutfolgen geworden. „1. Katastrophe: Die Flut am 14.7.2021. 2. Katastrophe: Leider „Provinzial-versichert“, steht auf einem riesigen Banner, das Tausende Autofahrer auf B54 im Volmetal seither jeden Tag sehen. Vor 582 Tagen rauschte die Jahrhundertflut durchs Volmetal, überschwemmte Keller, Gebäude, zerstörte Straßen. Und sie flutete auch das Haus von Burkhard Schön in der Straße Roland Volme. Obwohl er elementarversichert ist, gilt das knapp 600 Quadratmeter große Haus, Baujahr 1900, als unbewohnbar. Und mittlerweile wahrscheinlich auch als verloren. (Lesen Sie auch: Das Jahrhunderthochwasser in Hagen – Millionen für Schäden in der ganzen Stadt)

Burkhard Schön in den Trümmern seines Hauses. Die Flut hatte das Erdgeschoss über einen Meter hoch überschwemmt. Tausende Liter Öl liefen zudem ins Mauerwerk und in die Böden
Burkhard Schön in den Trümmern seines Hauses. Die Flut hatte das Erdgeschoss über einen Meter hoch überschwemmt. Tausende Liter Öl liefen zudem ins Mauerwerk und in die Böden © Michael Kleinrensing

Es ist nicht so, dass Burkhard Schön, 36 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern, kein Geld von der Provinzial-Versicherung erhalten hätte. „Habe ich“, sagt er. „Die Versicherung hat einen Zeitwert festgesetzt für all die Dinge, die in unserem Haus zerstört worden sind.“

Das betrifft im Prinzip die gesamte Ausstattung von Holztreppen über Möbel, Küchen und vieles mehr. Dass es deutliche Differenzen zwischen Zeitwerten, gleitenden Neuwerten und aktuellen, realen Kosten gibt, ist ärgerlich für Burkhard Schön, aber nicht das eigentliche Hauptproblem, das er mit der Versicherung sieht. (Auch interessant: Was genau wurde nach der Jahrhundertflut in Hagen eigentlich unternommen? Eine Analyse)

Öl in jeder Ritze

Es geht nämlich um 4000 Liter Heizöl, die durch die Flut die gesamte untere Etage geflutet haben. Der Heizöltank im vollgelaufenen Keller war geplatzt, das Öl verteilte sich daraufhin, drang in Böden, Mauerwerk, Holzbalken, Zwischenräume ein.

Bei Betreten des Hauses schwebt der Ölduft penetrant in der Luft. „Das Haus ist für uns so unbewohnbar. Das Öl ist in alles eingezogen. In jede Ritze und in jeden Spalt. Allein der Duft macht es unmöglich, hier zu wohnen. Wie gesundheitsschädlich das ist, kann man sich vorstellen.“

Der Öl-Duft liegt überall im Haus. Es ist unbewohnbar geworden.
Der Öl-Duft liegt überall im Haus. Es ist unbewohnbar geworden. © WP | Michael Kleinrensing

Doch eine Regulierung dieses Folgeschadens, der ja quasi den gesamten Wert des Hauses eliminiert, wird es aus Sicht der Provinzial nicht geben. „Als Provinzial sind wir stets bemüht, die besten Lösungen für unsere Kunden zu finden und haben infolge der Unwetterkatastrophe bereits knapp 1,2 Mrd. Euro an unsere Kunden ausgezahlt“, rühmt sich die Versicherung.

„Auch Herr Schön hat bereits umfangreiche Zahlungen erhalten.“ Im Fall von Burkhard Schön seien bereits beim ersten Gutachtertermin im Juli 2021 unter anderem Ölspuren sowie entsprechender Geruch im Keller des Hauses festgestellt worden, jedoch nicht im Erdgeschoss, so die Versicherung. (Lesen Sie auch: Wie in Venedig – Hagen will die Volme mit Spundwänden aufhalten)

Ein Sanierungskonzept?

Schön sei dringend geraten worden, das verbliebene Wasser schnellstmöglich zu entfernen und es sei eine entsprechende Regulierungszusage gegeben worden – um etwaige Folgeschäden zu vermeiden, wie es heißt: „Die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen liegt jedoch in der Verantwortung des Versicherungsnehmers. Herr Schön ist weder der wiederholt geäußerten Empfehlung zur sofortigen Entfernung des Wassers nachgekommen, noch hat er anderweitige Maßnahmen zur Schadenminderung in die Wege geleitet – wie etwa das vorgeschlagene Sanierungskonzept des Chemikers, der sehr wohl vor Ort war. Daher können wir für entsprechende Folgeschäden keine Regulierungszusage machen.“

Blick in das, was mal die Wohnräume der Familie Schön waren.
Blick in das, was mal die Wohnräume der Familie Schön waren. © Michael Kleinrensing

Über diese Aussagen und die gesamte Abwicklung seines Falls kann sich Burkhard Schön nur wundern. Noch bevor ein Gutachter die Immobilie inspizierte, sei mit Rückbauarbeiten begonnen worden. Eine Firma habe das verbliebene Wasser aus dem Keller bis auf einen minimalen Bodensatz abgepumpt. „Leider floss aber immer wieder Wasser nach. Das wurde dem Gutachter mitgeteilt, aber nicht berücksichtigt“, sagt Burkhard Schön.

Für die Entfernung der Heizöl-Tanks habe er zunächst auf Empfehlung der Provinzial eine Firma beauftragt. „Diese führte den Auftrag aber nicht aus. Daher gab ich den Auftrag neu an eine Firma. Aufgrund der massiven Zahl an Schadenfällen konnte die Firma mir erst für Dezember 2021 einen Termin geben.“ Dabei wurde auch der Keller abgepumpt. (Lesen Sie auch: Ein Sonden-System soll Hohenlimburg künftig vor Hochwasser schützen)

Schon wieder Wasser im Keller

„Da das gesamte Mauerwerk bei der Überschwemmung Öl gezogen hatte, spülte immer wieder neues, durch das zerstörte Mauerwerk eindringendes Wasser Ölspuren mit in den Keller. Der Gutachter wollte das aber nicht verstehen und behauptete daher, es muss immer noch das alte Wasser sein“, erinnert sich Burkhard Schön. Mittlerweile steht wieder neues Wasser im Keller. Grundwasser, das durch die Beschädigungen im Mauerwerk nach der Katastrophe eindringt.

Uriges altes Wohnhaus aus dem Jahr 1902. Die Flut hat es so gut wie unbrauchbar gemacht.
Uriges altes Wohnhaus aus dem Jahr 1902. Die Flut hat es so gut wie unbrauchbar gemacht. © Michael Kleinrensing

„Die Aussage, dass im Erdgeschoss kein Öl gewesen sein soll, ist Quatsch“, ärgert sich Schön und zeigt ein Bild, auf dem man sehen kann, wie hoch das ölige Wasser an den Wänden stand. Es sei richtig, dass ein Chemiker zweimal vor Ort war. Er habe aber kein Sanierungskonzept vorgelegt, nur Empfehlungen gegeben, zurückzubauen. Burkhard Schön: „Das wurde aber von dem Gutachter der Versicherung abgelehnt.“

Der Bitte, die Schadstoffe zu untersuchen und festzustellen, sei der Versicherer bis heute nicht nachgekommen. Ein Versicherungsgutachter habe im August 2022 selber festgestellt, dass dies immer noch erforderlich sei.

„Mittlerweile haben wir selber ein solches Gutachten zur Feststellung der Schadstoffbelastung im tragenden Mauerwerk in Auftrag gegeben. Ich rechne Ende März mit diesem fertigen Gutachten“, sagt Schön. So lange bleibt weiter unklar, wie es weitergeht. Auch der Klageweg ist nicht ausgeschlossen.