Hagen. Bei einem grässlichen Unglück verbrannten die Hände der kleinen Zahra im Ofen. Ein Chirurg in Hagen gibt dem Mädchen wieder Hoffnung.
An das Unglück, das ihr Leben veränderte, kann sich die achtjährige Zahra nicht mehr erinnern. Glücklicherweise kann sie sich nicht mehr erinnern. Sie war zwei, als sie in den Erdofen fiel, in dem ihre Mutter Brot backte. Sie fiel auf die Hände, die sie instinktiv nach vorne riss.
In der heißen Glut verbrannten die Finger. Die Haut verkohlte, das Handgewebe versengte. Das kleine Kind muss furchtbare Schmerzen empfunden haben. Mit den dürftigen Mitteln, die ihnen in der Abgeschiedenheit der afghanischen Provinz Ghazni zur Verfügung standen, verbanden die Eltern die schwärenden Wunden.
Hände wurden zu Klumpen
Nach einigen Wochen wuchsen die durch die Hitze verkürzten Muskeln, Sehnen und Bänder zusammen. Das Gewebe vernarbte. Zahra konnte die Glieder nicht mehr strecken. Hände und Finger wurden zu einem formlosen Klumpen.
Irgendwann nach Monaten hörte sie auf zu schreien und zu wimmern.
Als die Verbände wieder abgenommen wurden, waren nur noch zwei Stümpfe übrig.
An Grenze der operativen Möglichkeiten
Dr. Ingo Kuhfuß (54) aus Hagen ist ein erfahrener Chirurg. Er ist ein Spezialist für die medizinische Kunst, geschädigte und verunstaltete Körperteile wiederherzustellen. Doch was die kleine Zahra an Verletzungen davongetragen hat, bringt ihn an die Grenzen seiner Möglichkeiten.
Dass verbrannte Körperteile oder das, was von ihnen übrig ist, verkleben und verwachsen, passiert in Deutschland nicht mehr. „Es muss furchtbar gewesen sein, was Zahra auszuhalten hatte“, sagt der Mediziner.
Kuhfuß, seit 14 Jahren Chefarzt der Abteilung für Plastische und Ästhetische Chirurgie am St.-Josefs-Hospital in Hagen, hat das kleine Mädchen an der rechten Hand operiert. Er hat die Narben gelöst, so dass Zahra die Hand wieder öffnen kann. Die Handfläche ist wieder zu sehen. Die unteren Fingerglieder sind wieder zu sehen.
Der Arzt hat Haut aus dem Oberschenkel des Mädchens entnommen und in die Hand transplantiert. Er hat die Fingerstümpfe mit Drähten stabilisiert, damit sie aufrecht bleiben, bis die Muskulatur wieder zu Kräften gekommen ist.
Hilfe für schwer verletzte Kinder
Noch ist unklar, welchen Erfolg der Eingriff haben wird. Ob die Finger jemals wieder in Opposition zum Daumen, der bereits einen guten Zug in die Handfläche aufweist, treten können und Zahra in der Lage sein wird zuzugreifen. „Viel wird davon abhängen, ob die Muskulatur noch arbeiten kann und wieviel sie zu leisten imstande ist“, sagt Kuhfuß.
Zahra ist jetzt seit Mitte November in Deutschland. Sie lebt im Friedensdorf Oberhausen, einer Organisation, die schwer verletzte und traumatisierte Kinder aus den ärmsten Gegenden dieser Welt zur Behandlung nach Deutschland holt. „In Afghanistan arbeiten wir eng mit dem Roten Halbmond zusammen“, berichtet Saskia Kosi, Mitarbeiterin im Friedensdorf und Betreuerin von Zahra. Die Taliban hätten zugestimmt, dass Zahra in Deutschland operiert werden dürfe.
Ein tapferes Mädchen in einer fremden Welt
Um sie herum fremde Gesichter, fremde Stimmen, fremdartige Häuser, Zimmer und Einrichtungsgegenstände. Die Eltern weit weg in Ghazni und keine Möglichkeit, mit ihnen zu sprechen. Ein kleines Mädchen in einer fremden Welt.
Doch Zahra ist tapfer. Sie hat zwei Schwestern und drei Brüder. Um den Heilungsprozess zu fördern, muss sie jetzt viel Physiotherapie machen. Sie malt häufig, sie hat die Schwestern auf der Station im Krankenhaus geschminkt. „Sie macht eben alles gern, was Mädchen in ihrem Alter so machen“, sagt ihre Betreuerin.
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Im Januar wird Dr. Kuhfuß Zahra wiedersehen und begutachten, welche Fortschritte die Hand seit der Operation gemacht hat. Die linke Hand soll auch noch operiert werden, sie ist ein konturloser Ballen. Ist es ein Wunder, dass Zahra es mit ihren zerstörten Händen fertigbringt zu malen und das Personal im Krankenhaus zu schminken?
Es ist ein Wunder.
Und alle, die um sie herum sind und die, die auf sie warten im fernen Afghanistan, hoffen auf ein zweites Wunder, wenn Dr. Kuhfuß den Verband abnehmen wird und Zahra vielleicht so etwas wie ein zweites Leben geschenkt wird.