Eilpe. Einschränkungen nach einem Tumor erschweren Julia Nowak lange die Jobsuche. Rewe ermöglicht ihr eine Ausbildung in Hagen.
Bis heute hat sie auf keine einzige Bewerbung, die sie geschrieben hat, eine Antwort bekommen. „Gar nichts“, sagt Julia Nowak. „Keine Absage. Einfach nichts. Das hat mich schon traurig gemacht. Ich habe das einfach nicht verstanden.“
Sie wirkt offen, freundlich – ein sympathisches junges Mädchen, 21 Jahre jung, dem man nicht ansieht, was sie alles schon durchgemacht hat. 2012 wurde bei ihr ein Hirnstammtumor diagnostiziert. „Das war eine schlimme Zeit“, sagt Julia Nowak. Dreimal wurde sie operiert.
+++ Lesen Sie auch: Vor Silvester – Ansturm auf Feuerwerk: Die Lage in Hagener Geschäften +++
„Ich fühle mich fit“
Sie erzählt das alles ganz nüchtern runter, als ob es das Normalste der Welt wäre. Für sie ist es das auch. Sie hat die Geschichte schon etliche Male erzählt. Das alles liegt hinter ihr. Aber bis heute hat sie Einschränkungen oder vielmehr ungewollte Erinnerungen an diese Zeit zurückbehalten: „Ich hatte lange ziemliche Kopfschmerzen, das ist zum Glück weg. Mein Bein hinkt aber bis heute. Das macht Probleme“. Und: „Ich fühle mich fit. Und ich verstehe alles“, sagt Julia Nowak, die seitdem einen Schwerbehindertenausweis hat, da sie auch kognitive Einschränkungen zurückbehalten hat.
Sie ist ein offener Mensch, liebt Theaterspielen – „auch wenn ich das lange schon nicht mehr gemacht habe“. Und: Sie wollte immer schon Verkäuferin werden. „Das ist seit vielen Jahren mein Traum“, sagt die junge Frau, die gebürtig aus Remscheid kommt, und lacht.
Ein Wunsch geht in Erfüllung
Sie ist erst in der Coronazeit gemeinsam mit ihrem Freund nach Hagen gezogen. Auch in der Hoffnung, hier endlich einen Job zu finden. „Ich habe mich hier bei der Arbeitsagentur gemeldet. Einfach, weil ich unbedingt was machen und nicht zuhause rumsitzen wollte.“ Julia Nowak absolviert ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Altenpflegeeinrichtung.
„Das war auch schön. Aber ich binde mich zu schnell an Menschen, ich hätte es nicht verkraften können, wenn jemand stirbt“, sagt die 21-Jährige. Und dann kam alles, wie es kommen sollte. Oder vielmehr: Wie Julia Nowak es sich gewünscht hatte.
„Wir haben uns zum ersten Mal draußen in Schwelm zum Spazierengehen getroffen“, sagt Susanna Ebbert. Sie ist bei der Arbeitsagentur Ansprechpartnerin für Menschen mit Einschränkungen/Behinderungen, aber gleichermaßen auch für Arbeitgeber. Sie vermittelte Julia Nowak, die nach der Förderschule an einer Volkshochschule ihren Abschluss nachholte, zum Rewe in Eilpe. Die Einkaufs-Anlaufstelle für viele Menschen in diesem Quartier.
Das, was Susanna Ebbert sagt, klingt jetzt für viele vielleicht selbstverständlich. Am Beispiel von Julia Nowak kann man aber sehen, dass es das auch heute noch nicht ist: „Man muss den Menschen sehen. Auch Menschen mit Einschränkungen können sehr, sehr gute und verlässliche Arbeit leisten. Arbeitgeber müssen sich nur trauen. Wir versuchen, für jeden individuell eine Lösung zu finden. Natürlich muss es dabei auch fachlich und persönlich passen.“
Für Julia Nowak war die Lösung, eine Ausbildung zur Verkäuferin im Rewe-Markt in Eilpe zu beginnen. „Seit August bin ich hier. Es gefällt mir super“, sagt die junge Frau, die noch anderthalb Jahre Ausbildung vor der Brust hat. Marktleiter Marc Martini erzählt: „Julia hat hier zuerst ein Praktikum gemacht, wir waren sofort von ihrer Art und gleichermaßen ihrer Arbeit begeistert. Für uns stand schnell fest, dass wir sie für die Ausbildung dabei haben möchten.“
Menschen eine Chance geben
Sie räumt Obst und Gemüse ein, sortiert die Waren – „und ich bin zuständig für den Marmeladen-Gang“, sagt sie und grinst. Eigentlich ist sie überall im Markt im Einsatz. Soll Einblicke in alle Bereiche bekommen. „Nach zwei Jahren könnte sie noch drittes Jahr für die Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel dranhängen. Sie durchläuft übrigens die gleiche Ausbildung, die jeder hier durchläuft“, betont Maximilian Baehr von der Rewe-Verwaltung. „Wir möchten jedem hier die Tür öffnen, der Lust auf eine Ausbildung bei uns hat – allein in Hagen bilden wir etwa 20 Azubis pro Jahr aus.“ In Zeiten des Fachkräftemangels umso wichtiger. Es geht in dieser Geschichte darum, die Stärken von Menschen in Vordergrund zu rücken. Darum, jedem erstmal eine Chance zu geben. Aber auch darum, den Menschen an sich zu sehen, und nicht nur den Lebenslauf und mögliche Probleme. Julia Nowak ist ein Mutmacher-Beispiel.
Für Firmen, aber auch für andere Betroffene, denen es ähnlich geht wie ihr. Die vielleicht noch nie eine Antwort auf eine Bewerbung bekommen haben, es aber trotzdem wert sind, gesehen und wertgeschätzt zu werden. Denn letztlich können sie oft die gleiche Arbeit leisten, wie viele andere Mitarbeiter auch. Wie Julia Nowak hier im Rewe in Eilpe. Für sie ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen.