Hagen. Erst im November wurde ein Wolf im nahen Halver nachgewiesen. In Hagen blickt man dem Kommen der grauen Räuber mit gemischten Gefühlen entgegen.

Um den Wolf ist es ruhig geworden. Nachdem der graue Räuber Anfang des Jahres in Hagen gesichtet wurde und beträchtliche Aufregung auslöste, hat man nicht mehr viel von den in vielen Gegenden Deutschlands wieder heimisch gewordenen Tieren gehört.

Waren es also wirklich Wölfe, die im Januar in Hagen beobachtet wurden? Streifen die Raubtiere nach wie vor durch die Hagener Wälder oder doch durch das nahe Sauer- oder das Bergische Land? Könnte sich irgendwann ein Rudel auf Hagener Stadtgebiet ansiedeln?

Trotz der mittlerweile recht zahlreichen Wolfssichtungen existiert nach wie vor kein gesicherter Nachweis, dass die Tiere tatsächlich je in Hagen aufgetaucht sind. Um den strengen Kriterien des Monitoring-Standards gerecht zu werden, verlangt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) genetische Spuren (von Fell, Losung oder einem Riss) oder ein Foto, auf dem Experten eindeutig einen Wolf identifizieren können. Und einen solchen Beleg gibt es in Hagen bisher nicht.

Das Für und Wider einer Ansiedlung des Wolfes

Trotzdem hält Ralf Blauscheck, Leiter des Biologischen Station Hagen, es für höchstwahrscheinlich, dass Wölfe in Hagen aufgetaucht sind: „Aber sie sind vermutlich nur durchgezogen und längst weiter gewandert.“ Einige der Sichtungen in Hagen seien durchaus glaubhaft und plausibel gewesen, so Blauscheck.

Für diese These spricht, dass am 3. November im nahen Halver ein Wolf nachgewiesen wurde. Die an einem Nutztierriss gesicherten genetischen Spuren ergaben, dass es sich um ein Weibchen handelte, das aus einem Rudel in Nisselhövede/Niedersachsen stammte. Zudem lief am 13. November in Wipperfürth ein Wolf in eine Fotofalle.

Vorhersage schwierig

Ein Wolf, der durch den Märkischen Kreis oder das Bergische Land streift, kann jederzeit in Hagen aufkreuzen. Die Experten des LANUV halten vor allem das südliche Stadtgebiet potenziell für die Gründung eines Wolfsrudels geeignet. Dr. Matthias Kaiser, der auch Leiter des Wolfsmonitorings in Nordrhein-Westfalen ist: „Es gibt dort große Wälder mit Offenland-Bestandteilen. So etwas lieben die Wölfe.“

Andererseits sei die vielbefahrene B54 mit den Dörfern im Volmetal eine Zäsur, die die Raubtiere möglicherweise davon abhalte, sich im Hagener Raum dauerhaft anzusiedeln. Grundsätzlich könne man dazu keine Vorhersage treffen, so Kaiser.

Konflikte mit Weidetierhaltern unvermeidlich

Ralf Blauscheck möchte sich in der Frage einer dauerhaften Ansiedlung der Wölfe in Hagen ebenfalls nicht festlegen, hält es aber für unwahrscheinlich, dass sich die Tiere im dichtbesiedelten Stadtgebiet niederlassen. Sollte das dennoch passieren, wären Konflikte mit den vielen Weidetierhaltern in Hagen wohl unvermeidlich, sagt der Leiter der Biologischen Station: „Dann würden die Bedürfnisse der Wölfe auf die der Tierhalter prallen.“

Es sei vorauszusehen, dass dann Nutztiere gerissen bzw. derart in Panik versetzt würden, dass sie kopflos auf eine Straße rennen und zum Verkehrsopfer würden: „Unsere Landschaft ist stark zerschnitten. Ein Kilometer Waldgebiet ohne Wege und Straßen reicht nicht aus, um Wölfen einen adäquaten Lebensraum zu bieten.“

Landwirte fordern Bejagung der Wölfe

So sehen es auch die heimischen Landwirte. Allerdings geht Kreislandwirt Dirk Kalthaus fest davon aus, dass sich Wölfe früher oder später hierzulande niederlassen werden. „Diese Entwicklung ist absehbar, auch wenn sie noch fünf Jahre in Anspruch nehmen kann.“

Kalthaus verweist darauf, dass sich die Wölfe, die im Norden und Osten Deutschlands immer weitere Verbreitung finden, gezwungen sein werden, sich neue Reviere zu suchen: „Früher haben auch alle gesagt, nach Niedersachsen würden sich die Wölfe nie ausbreiten. Und jetzt gibt es sie dort fast überall. So wird es auch bei uns kommen.“

Da die Ausbreitung des Wolfes nun einmal gesellschaftspolitisch gewollt sei, müsse man einen „vernünftigen Kompromiss“ finden, damit die Raubtiere nicht zu einer Gefährdung der gewachsenen landwirtschaftlichen Strukturen in Hagen und Umgebung würden: „Der strenge Naturschutz, unter dem die Wölfe stehen, muss aufgehoben werden“, fordert Kalthaus: „Wölfe müssen dem Jagdrecht unterstellt werden.“

Schutzmaßnahmen kaum durchführbar

Anders als Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern sei das Ruhrgebiet eine der am dichtesten besiedelten Regionen Europas: „Der Wolf passt hier nicht hin. Es wäre also nur dem gesunden Menschenverstand geschuldet, ihn zu bejagen.“

Wolfzäune oder ähnliche Schutzmaßnahmen, mit denen Bauern und andere Tierhalter ihr Vieh vor Angriffen der grauen Räuber bewahren könnten, seien unpraktikabel und viel zu aufwändig, zudem würden dadurch auch andere Waldtiere von der Nahrungssuche ausgeschlossen: „Und schließlich möchte ich als Landwirt einfach nicht, dass meine Tiere, die ich jahrelang gepflegt und großgezogen habe, von einem Wolf gerissen werden.“