Hagen-Mitte. Sie haben mehr zu bieten, als viele denken – vor allem inhabergeführte Geschäfte und Gastronomie. Ein Besuch in den Seitenarmen der City.

Die Hagener Innenstadt. Sie ist mehr als nur die beiden Galerien und die Fußgängerzone. Wenn man über die Innenstadt spricht, dann meistens über die Haupt-Anziehungspunkte wie den Ebert-Platz, die Elberfelder Straße, oder Mittelstraße, oder eben die Galerien – in denen es nun mal viele Geschäfte oder gastronomische Angebote gibt. Was oft vergessen wird, das sind die Seitenarme.

Die Zuläufe, über die viele Menschen in die Stadt kommen, oder sie wieder verlassen. Und die, wenn man sie ganz bewusst und aufmerksam entlangschlendert, mehr zu bieten haben, als viele denken. In denen es Geschäfte gibt, die diese Stadt schon seit vielen Jahren prägen und die, ein Stück abseits des Innenstadttrubels, trotzdem ihren Platz gefunden haben und ihren Beitrag dazu leisten, dass diese Innenstadt belebt bleibt. Ein Besuch in den Seitenarmen der City.

Die Seitenstraßen der Hagener Innenstadt
Die Seitenstraßen der Hagener Innenstadt © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Die Goldbergstraße

„Wir gehören auch zur Innenstadt und wir geben jeden Tag alles, um hier überleben zu können und die City zu beleben. Wir wünschen uns deswegen, dass auch mal ein Zeichen zurückkommt“, sagt Annette Gora, die einen Friseursalon in der Goldbergstraße betreibt. Die Händler und Dienstleister hier in der Straße verstehen sich untereinander gut, bilden eine echte Gemeinschaft. Und in dieser Gemeinschaft gibt es Frust. Vor allem über die mangelnde Stadtsauberkeit.

Direkt vor der Ladentür, aber auch grundsätzlich in der Stadt. Im Eingangsbereich eines verlassenen Ladenlokals liegen vollgeschnupfte Taschentücher, auf der anderen Straßenseite stehen gefüllte Müllsäcke am Rand und die vor langem eingeschlagene Scheibe des ehemaligen Tattoo-Studios, das vor Jahren einen Abgang gemacht hat, ist provisorisch zusammengeklebt. „Das macht die Straße einfach hässlich“, sagt Binak Nikqi („Pino“) ohne Umschweife. Er hat vor kurzem mit seiner Frau Lucia das Restaurant „Nikqi“ eröffnet. „Die Leute schmeißen ihren Müll einfach auf die Straße oder urinieren vor die Eingänge, wir hatten schon angemampfte Döner, die am Beauty-Salon auf die Fensterbank gelegt wurden. Es haben sich schon Kunden beschwert, weil es hier stinkt – der Zustand ist unhaltbar“, sagt der Gastronom.

In der Goldbergstraße gibt es zu viel Ärger um Dreck und Müll.
In der Goldbergstraße gibt es zu viel Ärger um Dreck und Müll. © WP | Michael Kleinrensing

Mit seinem Ärger ist er nicht allein. Vielmehr haben sich Ladenbesitzer aus der oberen Goldbergstraße (bis Kreuzung Hochstraße) zusammengeschlossen und fordern Veränderungen. Sie wollen gehört werden mit ihren Problemen. Sie – das sind Anke Cramer (Bild und Rahmen Möller), Evgenia Golik (Beauty-Skin-Institut), Annette Gora, Janina Jost-Gaida (Goldbergs Törtchen) und Rita Merkel (Mewis Basar) – alles Anliegergeschäfte. „So kann es nicht weitergehen“, sagt auch Anke Cramer erschöpft. Weil das Müllthema ein Dauerproblem für sie ist. Wird er weggeräumt, landet am nächsten Tag neuer auf der Straße. „Auch das große Geschäft haben Leute schon hier hinterlassen. Und es gibt immer wieder Probleme mit Vandalen“, sagt die Hagenerin.

Besonders schlimm sei es nach dem Wochenende, betont auch Janina Jost-Gaida, die ebenfalls schon genervte Kunden beschwichtigen musste. Und obwohl sie wissen, dass hier die ignoranten Müllferkel das Problem sind, die mehr Müll produzieren, als man wegräumen kann, wünschen sie sich stärkere Kontrollen des Ordnungsamtes. Eine Nachricht dürfte die Händler hingegen freuen: Das rund 180 Quadratmeter große Ladenlokal, in dem vorher der Tätowierer ansässig war, soll nicht mehr lange leer stehen, wenn es nach der Agentur „Ruhrwert Immobilien“ geht, die für die Vermarktung zuständig ist. „Wir und der Eigentümer sind bemüht, schnellstmöglich einen geeigneten Nachmieter zu finden, der die Immobilie – und die gesamte Straße – weiter mit aufwertet und sich mit dem Konzept gut einfügt“, sagt ein Mitarbeiter auf Nachfrage der Redaktion. Dazu liefen bereits die Gespräche.

Die Spinngasse

Ein paar Straßen weiter: Spinngasse. Hier gibt es noch einen Schuhmacher, das Comic-Zentrum, einen Kiosk, eine kleine Bäckerei, ein Burgerladen, der neu eröffnen soll und ein traurig-großer Leerstand auf der rechten Seite. Im Comic-Zentrum steht Martina Friske hinter der Kasse. Das Geschäft hat seinen Platz hier gefunden. Seit 33 Jahren. „Ich bin immer bereit, eine Lanze für Hagen zu brechen“, sagt Martina Friske. „Es gibt hier noch so viele inhabergeführte Geschäfte. Das muss man auch mal positiv hervorheben“, sagt die Inhaberin. Zuletzt hätte sie Besuch aus Australien gehabt – und der sei ganz begeistert gewesen von der Innenstadt.

„Es gibt immer viel zu meckern – oft auch berechtigt, zum Beispiel mit Blick auf den Müll. Aber auch da: Wenn ich anrufe und mich beschwere, kümmert sich zügig jemand“, sagt Martina Friske. Sie würde sich mehr Veranstaltungen in der Innenstadt wünschen, oder eine bessere Beleuchtung in der Straße. „Aktuell ist das Parkplatz-Thema für die Kunden schwierig, durch die geschlossenen Galerien. Aber auch das wird sich ja hoffentlich bald wieder erledigen.“ Ihr Geschäft, ist sie überzeugt, würde anderswo nicht funktionieren. Sie hat eben ihren Platz hier gefunden, „und ich bin super zufrieden in Hagen.“

Martina Friske ist mit ihrem Comiccentrum seit Jahren in der Innenstadt vertreten.
Martina Friske ist mit ihrem Comiccentrum seit Jahren in der Innenstadt vertreten. © WP | Michael Kleinrensing

Die Dahlenkampstraße

Das gilt auch für die Dahlenkampstraße, in der es immerhin noch ein Immobilienbüro, einen Friseursalon, einen Beauty-Salon, einen Handy-Reparatur-Laden, mit dem Vivere ein Restaurant, den EMS-Point, ein Nagelstudio sowie eine Buchhandlung gibt. Besuch in einem Geschäft. Eine Mitarbeiterin sagt: „Wir sind zufrieden hier. Die Lage ist gut, die Mieten sind günstiger als direkt im Zentrum und über den nahe liegenden Parkplatz kommen viele Leute durch die Straße.“ Auch hier gebe es immer wieder Ärger mit Müll – vorwiegend am Wochenende. Aber bei Beschwerden würden die Missstände schnell behoben.

Die Marienstraße

Marienstraße. Ein Zulauf, der vor allem durch das angrenzende Parkhaus von vielen genutzt wird. Abseits der Kritik an der Stadtsauberkeit, die auch für die Händler in der Mariengasse Thema ist, beschäftigt Jürgen Grund und Burkhard Urbe, die seit 16 Jahren ihre Meisterwerkstatt hier betreiben, vor allem die Schließung der Rathaus-Galerie: „Das ist ein großes Thema bei uns in der Straße, die Kundenfrequenz hat dadurch massiv abgenommen. Durch die geschlossene Galerie ist die Innenstadt einfach deutlich weniger attraktiv“, sagt Jürgen Grund. Viele Geschäfte hätten deshalb ihre Öffnungszeiten verkürzt, „wir übrigens auch. Statt vorher bis 18 Uhr haben wir nur noch bis 16 Uhr geöffnet. Wir blicken angesichts der Situation auch eher pessimistisch auf das Weihnachtsgeschäft.“

Die Uhrmacher Jürgen Grund (rechts) und Burkhard Urbe.
Die Uhrmacher Jürgen Grund (rechts) und Burkhard Urbe. © WP | Michael Kleinrensing

Auch bei ihren Kunden, die teilweise sogar bis aus Düsseldorf zur Meisterwerkstatt in Hagen kommen, um ihre Uhren reparieren zu lassen, sei vor allem die unzufriedenstellende Sauberkeit ein Thema. „Der Bereich vor unserem Geschäft ist überdacht. Es kommt also immer wieder dazu, das Leute hier in den Eingang urinieren oder sich Müll hier sammelt“, sagt Jürgen Grund. „Auch wir würden uns stärkere Kontrollen wünschen. Aber vor allem, dass die Leerstände wieder belebt werden würden. Schade, dass es selbst trotz Förderprogrammen für günstige Geschäftsanmietungen kaum Interessenten zu geben scheint. Das würde die Innenstadt nach vorne bringen. Wir müssen die Leerstände wiederbeleben.“

Abseits von ihnen Meisterwerkstatt finden sich hier mit der Kneipe „Rose“ noch ein echter Anziehungspunkt am Wochenende, zudem ein Nagelstudio, an der Ecke das Schuhgeschäft „Salamander“, ein Bubble-Tea-Laden, eine Buchhandlung, der Computer-Store und ein Spielbüro. Es ist also durchaus was los.