Hagen. Ralf Quardt, Bezirksbürgermeister in Hagen-Mitte, ist verzweifelt über die illegale Müllentsorgung und das dreiste Verhalten vieler Bürger.

Leere Trinkflaschen, Cheeseburgerschachteln und Zigarettenkippen, aber auch ausrangierte Matratzen und alte Autoreifen – die Vermüllung wird in ganz Hagen immer schlimmer. Auch in der Innenstadt muss leider niemand lange nach Abfällen jeglicher Art Ausschau halten.

Eigenverantwortung ist nicht mehr besonders ausgeprägt

Wir werden der Sache nicht Herr“, sagt Ralf Quardt desillusioniert. Der Bezirksbürgermeister Mitte schüttelt den Kopf, „Die Eigenverantwortung ist leider bei vielen Menschen nicht mehr besonders ausgeprägt. Oder sie fehlt gänzlich.“ Ralf Quardt fährt fort: „Mich nervt aber auch diese Vollversorgungsmentaliät mittlerweile ganz gehörig. Jeder glaubt, er hätte Anspruch, dass alles von anderen geregelt wird. Dabei muss sich jeder an die eigene Nase fassen.“ So würden zum Beispiel einige verdrängen, dass man als Hauseigentümer dazu verpflichtet sei, vor seinem Gebäude zu fegen und für Sauberkeit zu sorgen.

„Normales Alltagsverhalten“ ist bedauerlich

Ein noch größeres Problem sieht Ralf Quardt allerdings im „normalen Alltagsverhalten“ vieler jüngerer, aber auch älterer Leute. „Vor ein paar Tagen hab’ ich eine Situation auf der Springe mitbekommen. Drei Jungen – ich schätze mal zwischen 12 und 15 Jahren – ließen ihre Fast-Food-Verpackung einfach auf den Boden fallen. Ein Mann hatte das mitbekommen und sagte daraufhin zu ihnen ,Ihr habt da gerade etwas verloren. Hier vorne stehen Mülleimer’. Die Reaktion der drei Jungs? Patziger und rotziger geht’s kaum.“

Müll-Beobachter an 365 Tagen im Jahr in Hagen unterwegs

In der Stadt werden viele Diskussionen darüber geführt, wie man die Vermüllung in den Griff bekommen kann, Patentlösungen hat niemand parat. Zwar sind insgesamt 16 Waste-Watcher (Müll-Beobachter) an 365 Tagen im Jahr in Hagen unterwegs, doch ihr Einsatz scheint wie ein Kampf gegen Windmühlen zu sein.

Als Bezirksbürgermeister ist Ralf Quardt auch Mitglied im Arbeitskreis Innenstadt. Besagter Arbeitskreis setzt sich unter anderem aus Vertretern der Stadtverwaltung, Polizei, Feuerwehr, Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH), Hagen-Wirtschaftsentwicklung (früher Hagen-Agentur), City-Gemeinschaft und Schaustellern zusammen.

Bezirksbürgermeister Ralf Quardt ist auch Mitglied im Arbeitskreis Innenstadt. Auch dort wird das Thema Müll heiß diskutiert.
Bezirksbürgermeister Ralf Quardt ist auch Mitglied im Arbeitskreis Innenstadt. Auch dort wird das Thema Müll heiß diskutiert. © Michael Kleinrensing

„Auf einer Sitzung haben wir vor kurzem ein längeres Gespräch mit Uwe Unterseher-Herold – er ist Geschäftsführer des HEB – geführt. In dem Gespräch ging es zum Beispiel um die Möglichkeit der Veränderung von Leerungsrhythmen, sprich, ob es sinnvoll ist, in verschiedenen Straßenzügen eine verkürzte Taktung einzuführen. Und es ging in dem Gespräch auch um die richtige Dimensionierung von Mülltonnen.“ Ralf Quardt konkretisiert: „Es gibt leider viele große Familien, die aus Kostengründen nur sehr kleine Tonnen anfordern. Das kann bei dem hohen Abfallaufkommen aber nicht funktionieren.“

Der achtlos weggeworfene Müll ärgert viele Bürger in der Stadt.
Der achtlos weggeworfene Müll ärgert viele Bürger in der Stadt. © Michael Kleinrensing

Der Bezirksbürgermeister weiter: „Trotz der seit Jahren nicht nur angebotenen, sondern auch verpflichtenden Trennung von Müll wird unser Restmüllaufkommen immer größer. Und wo bleibt der ganze Abfall?“, schüttelt Quardt den Kopf.

Vor ein paar Wochen sei er an einem Sonntag im Freilichtmuseum gewesen. An der Bushaltestelle an der Selbecker Straße in Nähe des Parkplatzes zum Areal sei der Mülleimer übergequollen, „aber nicht von Abfällen, die die Besucher hinterlassen haben, also praktisch von ,Touristenmüll’, sondern die Mülleimer waren vollgestopft mit gängigem Hausmüll in durchsichtigen Tüten“.

Ausgeschlachteter Kühlschrank auf dem Bürgersteig

Und nur ein paar Tage später habe er mitten auf dem Bürgersteig an der Bergstraße einen ausgeschlachteten Kühlschrank stehen sehen, „am helllichten Tag, ich dachte, ich bin im falschen Film. Vor allem, wo man weiße Ware und Elektroschrott doch kostenlos beim HEB abgeben kann“.

Was er, Quardt, von einem Angebot für die Bürger, Sperrmüll kostenlos abholen lassen zu können, hält? „Das klingt verlockend, doch es ist doch klar, dass die dafür anfallenden Kosten im Vorfeld bei den Gebühren eingepflegt würden. Die Frage wäre in diesem Fall natürlich, um welchen Betrag die Gebühren dann steigen würden.“

16 Waste-Watcher im Einsatz

In Hagen sind zumindest laut Stellenplan 16 Wastewatcher im Einsatz. Es handelt sich um gemischte Zweier-Teams, sprich, jeweils ein Mitarbeiter wird vom Ordnungsamt gestellt, der andere vom Hagener Entsorgungsbetrieb (HEB).


Die Wastewatcher ahnden u.a. Müllsünder, die sie in flagranti ertappen (z.B. Zigarettenkippen- Wegschnipser), fahren regelmäßig neuralgische Problemgebiete und -straßen an und arbeiten systematisch die Nachrichten, die beim Mängelmelder der Stadt Hagen aufploppen, ab.

Drastische Geldstraßen für Müllsünder hält der Bezirksbürgermeister grundsätzlich für richtig, „allerdings zeigt die Erfahrung, dass viele Ertappte die Strafe niemals zahlen.“ In diesen Fällen Mahnverfahren auf den Weg zu bringen, wäre zwar angebracht, das Ganze sei aber zeitaufwendig und personalintensiv.

Müllsammeltage wie die „Aktion sauberes Hagen“, die in der Coronazeit nicht stattfanden, wohl aber fürs kommende Frühjahr wieder geplant sind, bewertet Ralf Quardt als sinnvoll, „leider flacht das Interesse an solchen Aktionstagen aber nach einer gewissen Zeit häufig ab. Trotzdem sind sie gut, da sie für das wichtige Thema Müll in unserer Stadt sensibilisieren“.

Der Bezirksbürgermeister ergänzt: „Das A und O muss sein, in Kita und Schule auf das Thema Müllvermeidung und richtige Abfallentsorgung immer wieder einzugehen. Und auch die Eltern sollten mit ins Boot geholt werden.“