Wehringhausen. Sozialarbeiter Andreas Binder kommt aus Rumänien und ist als Sprachmittler und Problemlöser im Quartier unterwegs. Über Probleme und Chancen.

„Wir sind das Notfallkommando“, sagt Andreas Binder, 55 Jahre alt. Er stammt gebürtig aus Rumänien und ist für die Stadt Hagen schon seit vielen Jahren im Quartier als Sprachmittler und Sozialarbeiter unterwegs. Weil er einen anderen Zugang zu den Menschen hat. Weil die Menschen ihn kennen, und ihm vertrauen. Er und seine Kollegen kommen dann, wenn es Probleme gibt. So wie bei den Angriffen auf die Busse durch herumlungernde Kinder an der Wehringhauser Straße.

„Da sind wir mit dem Ordnungsamt, den Buskontrolleuren und der Polizei hier vor Ort gewesen. Ich bin dann mit meinen Kollegen durch die Häuser gegangen und habe mit den Familien gesprochen. Ihnen gesagt, dass sie besser auf ihre Kinder achten müssen“, sagt Andreas Binder. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Die Arbeit ist vielfältiger. Mit Problemen. Aber auch schönen Seiten. Ein Besuch im Quartier.

Dass es Probleme gibt, das will der 55-Jährige gar nicht Schönreden. „Man muss die Dinge beim Namen nennen“, sagt Binder und schaut auf den Bodelschwinghplatz. Bei schönem Wetter tummeln sich normalerweise die südosteuropäischen Familien hier auf dem Platz, oder am Wilhelmsplatz. Heute, bei starkem Wind und Nieselregen, ist der Platz wie leergefegt. Sie wohnen hier, mitten in Hagen. Und sind doch, so scheint es, nicht richtig Teil dieser Stadtgesellschaft. Weil sie nicht wollen? Nicht können? Oder beides?

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„Den Menschen wird in vielen Hinsichten auch Unrecht getan“, sagt Andreas Binder. „Viele Hagener haben Vorurteile, hegen Groll gegen diese Menschen. Aber das sind nette, gläubige Menschen. Ein Großteil von ihnen lebte schon im Herkunftsland unter schlimmsten, teilweise ghettoartigen Bedingungen, weil sie dort der Minderheit angehören. Die Menschen und ihre Familien wurden jahrzehntelang verfolgt“, so Binder. „Sie haben kein Vertrauen ins System, die Behörden.

Weder in Rumänien, und erst Recht nicht hier. Ein banales Beispiel: Die Mütter lassen ihre Kinder nicht mit dem Bus alleine zur Schule fahren, weil sie Angst haben, die Kinder würden geklaut. In Rumänien ist so etwas wirklich passiert.“ Binder will all die Probleme nicht schönreden. Nein. Aber auch nicht einfach hinnehmen. Er will helfen. Als Mittler zwischen den Kulturen, die in Wehringhausen vielleicht noch stärker als in anderen Vierteln aufeinanderprallen.

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Viele der Menschen, die herkommen, haben einen schlechten Bildungsgrad, manche vielleicht nie eine Schule besucht oder schon nach wenigen Klassen abgebrochen. Das gilt auch für die Kinder und Jugendlichen, die dann hier vor allem vor Verständigungsproblemen stehen. „Die Männer gehen - oft unter schlechten Bedingungen - arbeiten. Die Frauen kümmern sich um Haushalt und Kinder“, sagt Binder über die Rollenverteilung in den meist eher kinderreichen Familien.

Ein großes Problem sei nach wie vor, dass diese Menschen ihre Rechte nicht kennen würden. Vermieter und Arbeitgeber würden sie ausnutzen, ihnen ranzige Wohnungen zu horrenden Preisen andrehen – und in vielen ,normalen Wohnungen’ würden rumänische oder bulgarische Familien ohnehin weggeschickt oder nicht einmal eingeladen, kann Binder aus den Erfahrungen beim Quartiersmanagement berichten.

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Hagen: Probleme angehen, Kinder frühzeitig abholen

Denn dort hilft man diesen Menschen auch bei allen Themen rund ums Wohnen (Mietführerschein, Kontrollen von Problemimmobilien), bei Anträgen, der Jobsuche, Papierkram, Integrations- und Sprachkursen, Schuldnerberatung oder Vermittlung in Notunterkünfte bei drohender Wohnungslosigkeit. „Man merkt, wie dankbar sie für die Hilfe sind“, sagt Binder, der schon 1990 nach Deutschland und zwei Jahre später nach Hagen gekommen ist. Und Hilfe gibt es viel. „Die Stadt und zahlreiche andere Engagierte haben viele Projekte ins Leben gerufen, um zu helfen.“ Auch wenn das nicht immer klappt. Und manchmal vielleicht auch von den Menschen nicht gewollt ist. „Es gibt immer schwarze Schafe. Man darf nicht alle über einen Kamm scheren“, sagt Andreas Binder.

Bei all den Integrationsbemühungen sei es vor allem wichtig, die Kinder frühzeitig abzuholen. „Wenn sie von klein auf die Sprache lernen, unsere Kultur kennenlernen – dann ist der Grundstein für eine gute Perspektive hier gelegt.“ Binder ist froh, dass er seinen Job machen darf. „Klar. Es gibt viele Herausforderungen. Aber im Mittelpunkt der Arbeit steht, dass man etwas Gutes tut. Für Menschen, die Teil unserer Stadt sind, aber nicht richtig als Teil der Stadtgesellschaft gesehen werden. Dafür mache ich das.“