Hagen. 2016 gab es bei einem Fußball-Turnier in Hagen eine brutale Attacke auf einen Linienrichter und einen Trainer. Jetzt ist der Anstifter angeklagt.
Der 21. Juli 2016 ging als schwarzer Tag in die Hagener Sportgeschichte ein. Denn beim traditionellen „Fritz-Kahl“-Fußballturnier an der Wörthstraße in Eilpe kam es zu einem brutalen Zwischenfall: In der Halbzeitzeitpause des Viertelfinal-Spiels zwischen Cemspor Hagen und ETuS Schwerte stürmte ein Schlägertrupp den Platz in Hagen.
Sechs hart durchtrainierte Männer, die an Bodybuilder erinnerten, prügelten mit Fäusten den damaligen Cemspor-Trainer (51) und einen Linienrichter nieder, traten sie mit Schuhen krankenhausreif. Nunmehr sechs Jahre später, ab dem kommenden Montag, wird die blutige Prügelattacke erneut aufgerollt und vor dem Schwurgericht verhandelt. Neuere Erkenntnisse der Ermittler haben ergeben, wer der Auftraggeber des blutigen Überfalls auf dem Sportplatz gewesen sein soll: Ein Mitglied aus der bekannten, millionenschweren Hasper Spielhallenfamilie. Genauer: ein Bruder (43) des verurteilten Ex-Casinokonzern-Betreibers, der sich in die Türkei abgesetzt hat.
Rache und gekränkte Eitelkeit
Profi-Boxer muss vor Gericht aussagen
Das am Montag um 9.30 Uhr beginnende Verfahren hatte das Schwurgericht bereits für März 2020 terminiert – doch dann kam Corona dazwischen.
Die Vorwürfe lauten, so Gerichtssprecher Christian Potthast, gegen einen der beiden Angeklagten auf „versuchten Totschlag“. Gegen den anderen auf „Anstiftung zur Körperverletzung“.
Die Kammer hat insgesamt 34 Zeugen geladen.
Darunter befindet auch der frühere Schwurgerichts-Vorsitzenden Marcus Teich.
Auch der Profi-Boxer, der im ersten Verfahren verurteilt worden war, wird im aktuellen Verfahren aussagen müssen.
Er wurde im Dezember 2020 vom Landgericht Düsseldorf zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt und verbüßt derzeit die Haftstrafe.
Dieser Bruder war zum Tatzeitpunkt eigentlich Cemspor-Spieler, jedoch aufgrund eines Streits für das Fritz-Kahl-Turnier nicht aufgestellt worden. Aus Rache und womöglich auch gekränkter Ehre hätte er die Schlägertruppe organisiert, die den Trainer „zur Bestrafung körperlich angreifen, einschüchtern und züchtigen sollte“, lautet der Vorwurf.
Neben dem mutmaßlichen Anstifter ist auch ein weiterer ermittelter Mann aus dem Schlägertrupp angeklagt: Ihm wird versuchter Totschlag vorgeworfen.
Erster Prozess bereits 2017
Bereits im September und Oktober 2017 hatte sich die Hagener Justiz erstmals mit dem rabiaten und äußerst rücksichtslosen Angriff auf dem Sportgelände des SV Fichte zu beschäftigen. Damals stand ein heute 31-jähriger Profi-Boxer, wegen versuchten Totschlags angeklagt, wegen dieser Sache ebenfalls vor dem Schwurgericht. An acht Tagen musste die Kammer, damals in anderer richterlicher Besetzung, gegen das schillernde Muskelpaket aus dem Rheinland verhandeln.
Da er den Nachnamen einer arabischen Großfamilie trägt, die bundesweit für Clan-Kriminalität bekannt ist, war das Medienecho entsprechend groß. Mit der kriminellen Parallelgesellschaft und deren Machenschaften, so wurde vor laufenden Kameras betont, wolle er ausdrücklich nicht in Verbindung gebracht werden.
Am Ende des ersten Schwurgerichtsverfahrens standen glimpfliche 22 Monate Haft wegen gefährlicher Körperverletzung. Das Gericht setzte die Strafe sogar noch zur Bewährung aus und hielt im schriftlichen Urteil über den Angeklagten fest: „Sein Plan ist es, Ende 2019 um den Weltmeister-Titel zu kämpfen.“
Schwere Verletzungen
Auch die schweren Verletzungen, die der Schlägertrupp den beiden Opfern zugefügt hatte, wurden gerichtlich festgestellt. Der Linienrichter, der dem angegriffenen Trainer zur Hilfe eilen wollte, wurde niedergestreckt und am Boden liegend von allen Seiten und in schneller Abfolge mit Schuhen getreten. Er erlitt eine Mittelgesichtsfraktur, einen Bruch des Jochbeins und seiner Nase und er verlor das Bewusstsein.
Der Trainer wurde ebenfalls zu Boden geboxt und dort mit Schuhen getreten, auch gegen den Vorder- und Hinterkopf. Ein Arzt hat später den „Bruch der Mittelhand“ sowie „einen Schuhabdruck im Gesicht“ diagnostiziert. Beide schwer verletzten Opfer blieben wochenlang im Krankenhaus und wurden mehrfach operiert.
300 Zuschauer erleben brutalen Angriff
Zur Tatzeit waren etwa 300 Zuschauer auf dem Platz, die etwas von dem brutalen und blutigen Angriff mitbekommen haben müssen. Niemand hatte sich getraut, dem Schlägertrupp den Weg zu versperren oder sie aufzuhalten.
Kripobeamte waren bei den Ermittlungen auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. „Wie auf Kommando beendete die Truppe ihren Angriff und verließ geschlossen und in Seelenruhe unter den geschockten Augen der Spieler und Funktionäre beider Mannschaften sowie des Publikums den Platz und entfernte sich mit mehreren Autos“, hatte das Gericht im ersten Urteil festgestellt. Bei einem der Fahrzeuge handelte es sich um einen Porsche aus dem großen Fuhrpark der Hasper Spielhallenfamilie.