Hagen. Ursula Tomahogh ist seit drei Monaten bei der Polizei Hagen. Auf dem Drei-Türme-Weg erzählt sie, warum sie Innenminister Reul weggedrückt hat.
Einer ist richtig gut vorbereitet. Und um das vorwegzunehmen: Ich bin’s nicht. Dafür Frau Präsidentin. Rucksack, zwei Trinkflaschen in den entsprechenden Fächern, vernünftiges Schuhwerk, leichte, funktionale Kleidung an diesem brütend heißen Sommertag in Hagen. Alles richtig gemacht. Wir wollen wandern. Der Reporter (in warmer Jeans) und die Neue, die ganz so neu nicht mehr ist. Auf dem Drei-Türme-Weg mit Ursula Tomahogh, die seit rund drei Monaten Polizeipräsidentin ist.
Es geht bergan. Was in der Vergangenheit schon mal dafür gesorgt hat, dass die Aufzeichnungen der Gespräche auf dem Smartphone wegen des schweren Atems nur schwer zu verstehen sind. Wir plaudern. Ursula Tomahogh ist gut in Form. Muss sie auch. Die nächste Reise führt sie ins Salzburger Land. Und dann mit dem Rad über die Alpen. Und selbst wenn das „seit einem Jahr einen Motor hat“ – ohne Kondition ist man ohne Chance.
Auch da also ist Ursula Tomahogh gut vorbereitet. Wie auch auf diese Stadt und diesen Weg, den wir immerhin im Schatten vieler Laubbäume zusammen unter die Füße nehmen. Die Frau, die täglich von Remscheid aus über die Autobahn zum Höing pendelt, will sich richtig auf Hagen einlassen. Diese Wanderung auf dem Drei-Türme-Weg ist nicht ihre erste. „Ich bin hier schon gewandert“, sagt sie, „traumhaft...“
Holzbank mit drei Türmen
Kurze Pause an jenem Punkt, wo eine Holzbank mit jenen drei Türmen steht, die diesem Weg den Namen geben. Ein Ort, an dem man das Handy für eine Panoramaaufnahme zücken müsste. Ursula Tomahogh blickt von links nach rechts. Hauptbahnhof, Innenstadt und dann der Betonklotz, der auf einem Hügel aus dem Grün herausragt. „Das müsste doch das Präsidium sein, oder“, sagt sie. Ein Präsidium ohne Präsidentin, ein Präsidium ohne Polizei. Auf der Hoheleye wird angebaut und saniert. Weite Teile der Behörde und der Mitarbeiter sind vorübergehend umgezogen ins ehemalige Telekom-Gebäude auf dem Höing. Auch die Präsidentin.
„Wunderschön“, sagt sie noch, bevor es weiter geht. „Wunderschön. Bislang bin ich auf der A1 immer vorbei gefahren. Kenne Hagen als Ausbildungsbehörde. Seit ich weiß, dass ich als Präsidentin nach Hagen komme, habe ich natürlich versucht, mir die Stadt zu Fuß zu erschließen. Ich war in den Wäldern unterwegs und am selben Tag am Hauptbahnhof. Natürlich ist das ein Gegensatz. Die Eindrücke, die man da gewinnt, bestätigen schnell das, was die Polizeistatistik sagt.“ Sie meint den Bahnhof, nicht den Wald.
Verzicht auf traumhaften Blick
Eugen-Richter-Turm – dieses historische Gemäuer. Schnell rauf. Wie schön wäre ein Blick von oben. Geht aber nicht. Ist dicht. Kein Hinweis darauf, wann die schwere Metalltür hier geöffnet ist. „War beim letzten Mal nicht anders“, sagt Ursula Tomahogh. Wir müssen auf den nächsten traumhaften Blick verzichten.
Also blicken wir kurz auf das zurück, was bisher geschah – mit ihr, mit Ursula Tomahogh, an der Spitze der Hagener Polizei. „Ich lege großes Augenmerk auf Kennenlernen derjenigen, die in Verantwortung stehen“, sagt sie. „Ich habe bereits alle Dienststellenleiter getroffen.“ Wer weiß, dass es sich um rund 90 Menschen handelt und wer ahnt, dass sich die Präsidentin Zeit nimmt, erkennt die Dimension dieses Prozesses. Aber: „Wer die Menschen kennenlernt, lernt auch die Themen kennen.“
Besuch bei Dienststellen der Polizei
Jetzt ist Ursula Tomahogh gerade dabei, die Dienststellen zu besuchen. „Ich war zuletzt in der Innenstadt, in Haspe, in Altenhagen“, sagt Ursula Tomahogh. Ankommen in der Behörde bedeutet auch ankommen im Netzwerk der Polizeipräsidenten. „Durch all das, was ich zuvor gemacht habe, kenne ich viele Kollegen bereits. Auch die Themen in den unterschiedlichen Behörden sind ähnlich.“
Es ist erstaunlich einsam an diesem Tag auf dem ausgezeichneten Wanderweg. Immer wieder werfen die Füße kleine Staubwolken auf. Ein richtiger, lang anhaltender Guss würde dem Stadtwald gut tun. Der aber ist nicht in Sicht. Sonne, Hitze, Schweiß. Und noch mehr Schweiß.
Polizei: Gute Perspektiven für den Nachwuchs
Der Nachwuchs beschäftigt uns. Der eigene – weil wir Kinder nahezu im selben Alter haben. Aber auch der der Branchen, für die wir brennen. Formal klingt das dann so: „Zurzeit beschäftigen wir uns mit dem polizeilichen Nachersatz“, sagt Ursula Tomahogh. „Der Innenminister wünscht sich in diesem Jahr 3000 neue Kommissarsanwärter.“ Ein hohes Ziel, das Kindern Perspektiven eröffnet. „Aus Elternsicht finde ich es gut, dass wir derzeit eher einen Arbeitnehmer-Markt haben.“ Ich nicke.
Einer der 3000: der Sohn der Präsidentin. 18 Jahre jung. Er fängt bei der Polizei an. Allerdings nicht in Hagen, wo seine Mutter die Chefin ist. „Das wäre nicht gut. Auch nicht für ihn“, sagt Ursula Tomahogh, „ganz egal, was er machen würde – es würde immer auch mit mir in Verbindung gebracht. Kinder, die in Behörden arbeiten, in denen ihre Eltern sind, stehen direkt in einem besonderen Fokus - ohne eigenes Zutun.“
Familien bei der Polizei
Es gibt sie, diese Dynastien bei der Polizei. Ganze Familien, die sich einem Beruf verschrieben haben, der aufgrund der Arbeitszeiten, aufgrund der Gefahren und der Sorgen, die damit verbunden sein können, so gar nicht familienfreundlich ist. Und trotzdem entscheiden sich Kinder, diesen Beruf zu ergreifen. Ursula Tomahogh ist Polizistin, ihr pensionierter Lebenspartner war Polizist, ihr Sohn wird Polizist, die Tochter (16) fällt wohl aus der Reihe: „Sie möchte Kinderärztin werden“, sagt Ursula Tomahogh.
Ursula Tomahogh, die Polizistin. Die Präsidentin hat lange Jahre Uniform getragen. Was sie von vielen Präsidenten – reine Juristen – unterscheidet. Auch sie hat sich den Rechtswissenschaften gewidmet, zwei Examina „ordentlich“ abgeschlossen. Dann aber ist sie nicht in einer Kanzlei, bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft gelandet, sondern hat im höheren Dienst bei der Polizei angefangen. Als Direkteinsteigerin. „Ich habe den Beruf nicht von der Pike auf gelernt, habe nicht die normale Ausbildung durchlaufen. Aber im Herzen bin ich eine Vollblut-Polizistin.“
Ungewöhnlicher Weg zur Polizeipräsidentin
Den Drei-Türme-Weg gibt es gefühlt schon immer. Der Weg, den Ursula Tomahogh gegangen ist, wurde erst 1995 geebnet. Ursula Tomahogh zählte zwei Jahre später noch zur ersten Generation, die ihn gewählt haben. „Natürlich gab es anfangs auch Vorbehalte“, sagt die 56-Jährige, „ich war Direkteinsteigerin, ich war eine der ersten, die den Weg gegangen ist, ich zählte zu den wenigen Frauen im höheren Dienst.“
Wir gehen auch. Weiter, immer weiter durch den Stadtwald. Das Turmsymbol an Bäumen weist den Weg. Die Sonne wirft immer wieder ihre Strahlen durch das Blätterdach. Dabei hätten wir ebenso gut radeln können: „Mit dem Rad fahren wir am Wochenende oft Richtung Köln, über Altenberg“, erzählt Ursula Tomahogh. „Aber seit ich hier bin, treibe ich viel zu wenig Sport...“
Einführung in kleinem Rahmen
Rückblick: die Einführung. Der offiziell erste Tag. Coronageprägt. Im kleinen Rahmen. „Normalerweise sind zu so einem Anlass alle Amtskollegen eingeladen“, sagt Ursula Tomahogh, „aber ich hätte das für ein falsches Signal gehalten. Ich kann nicht eine große Party geben, während sich alle Kolleginnen und Kollegen im Dienst an strenge Corona-Vorschriften halten sollen. Im Grunde genommen war es wie jede andere Einführung – nur in klein.“ In der Tat – kleiner Bahnhof: nur ein paar Musiker des Landespolizei-Orchesters, Innenminister Herbert Reul (CDU), etwas Polizei, drei Journalisten.
Reul war es auch, der Ursula Tomahogh quasi auserwählt hat: „Ich wurde vom Innenminister angerufen, als ich das erste Mal mit meinem Sohn beim begleiteten Fahren unterwegs war. Eine unbekannte Nummer auf meinem Diensthandy. Da hab ich gedacht, ich rufe zurück, wenn wir heile angekommen sind“, sagt Ursula Tomahogh. Also greift sie später zum Smartphone und hörte am anderen Ende: „Reul.“
Partner einst bei der Polizei
Der Familienrat des Familienmenschen Ursula Tomahogh tagt: „Mein Partner weiß, welche Einschränkungen eine solche Aufgabe im Privaten mit sich bringt. Aber er weiß eben auch, welchen Stellenwert das Amt hat.“
Wir kürzen ab. Runter am Saupark. Vorbei an Wildschweinen, die sich an diesem Tag im Schatten zu verstecken scheinen. Und plaudern über die Wildsäue, die zuletzt in Hagen die Polizei beschäftigt haben: das Wildschwein in der Lotto-Annahmestelle mitten in der City, das auf dem Sofa eines Einfamilienhauses in Halden lag.
Polizei setzt Schwerpunkt am Bahnhof
Die Schwerpunkte der Polizei werden unter der Führung von Ursula Tomahogh aber andere sein. „Einer liegt am Bahnhof und in der Innenstadt“, sagt die neue Präsidentin, die aber auch weiß: „Um das Bahnhofsumfeld so zu gestalten, dass es die Menschen sofort merken, braucht es andere Player dazu. Das kann Polizei alleine gar nicht stemmen.“
Die Fitnessuhr meldet sich. Zeit für den letzten Kilometer: 16 Minuten 21 Sekunden - bergab. „Ganz schlecht“, sagt Ursula Tomahogh. Sie will trainieren, Gas geben, vorbereitet sein – nicht nur für den Dienst. Sondern auch für die Tour über die Alpen. Wir sind wieder am Parkplatz. Ursula Tomahogh nimmt einen Schluck aus der Wasserflasche. Den Reporter dürstet es. Schlecht vorbereitet.