Hagen. Ein besonderes Angebot der Stadt soll Mädchen mit Migrationsgeschichte stärken. Wir haben die Gruppe „Girls United“ in Berchum besucht.

In diesem Raum, an diesem Tisch im Jugendzentrum Berchum, sitzen acht Mädchen mit Migrationsgeschichte. Acht Mädchen, die vielleicht nicht immer die gleiche Chance haben wie andere in ihrem Alter, weil sie eben eine Migrationsgeschichte haben. Am Tisch sitzt auch Esra Sarioglu (39). Sie ist Mitarbeiterin des Jugendamtes in Hagen. „Aber so wird sie hier von uns nicht gesehen. Mehr als Tante. Oder noch eher: unsere Freundin“, sagt Soukaina Amraoui (17).

Hagen: „Habe einen Blick darauf, dass die Mädels weiterkommen“

Sie haben hier schon zwei Tage gemeinsam übernachtet. Gestalten ein Programm mit kreativen Workshops, mit Selbstreflexionen, gemeinsamen Spielen und Aktivitäten. Fünf Dinge, die sie an sich mögen, sollen die Mädchen aufschreiben. Und fünf Dinge, die sie gut können. Die jungen Frauen wollen irgendwann studieren. Ausbildungen machen. Zu Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen. „Sie haben ganz unterschiedliche Ziele. Aber das sie Ziele haben, das ist wichtig“, sagt Esra Sarioglu. „Ich habe schon einen Blick darauf, dass die Mädels weiterkommen. Weil mir das wichtig ist“, sagt Esra Sarioglu. Keinen strengen Blick. Nein. Mehr wie eine Freundin, mit einem wachen Auge.

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„Man merkt nicht mal, dass man hier was lernt“, sagt Medine Ilhan und lacht. Es passiert nebenbei. „Ich konnte zum Beispiel früher nie präsentieren“, sagt Elanur Erzurum (18). „Ich bin viel, viel selbstbewusster geworden, seitdem ich bei Girls United bin.“

„Girls United“: Jugendgruppe wächst stetig weiter

Girls United ist für diese acht Mädchen – und viele weitere (insgesamt aktuell 21) – mehr als nur eine einfache Jugendgruppe. Abseits der Workshops, der Ausflüge, der gemeinsamen Tage haben sich private Freundschaften gebildet. „Wir gehören zusammen“, sagt Soukaina Amraoui und lacht. „Wir werden uns gegenseitig nicht so schnell wieder los.“

Bei Girls United haben die Mädchen, die allesamt Hagener Schulen besuchen oder beispielsweise wie Selvinor Bayindir schon in Bochum studieren, eine Art zuhause in ihrer Freizeit gefunden. Eine Anlaufstelle. Einmal pro Woche trifft sich die Gruppe im Kultopia (bis zum Hochwasser im Allerwelthaus).

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„In den Ferien organisieren wir immer ein Programm. Wir machen Ausflüge nach Köln, Berlin, veranstalten Kreativ-Workshops. Ein buntes Programm“, fasst Esra Sarioglu das Projekt zusammen, das sie einst angestoßen hat. Damals, also 2020, lief es noch unter dem Namen „FreeSpace“ – mit einer 80-prozentigen Förderung vom LWL und einer 20-prozentigen Kostenübernahme durch die Stadt. „In den Jugendzentren waren kaum Mädels vertreten“, erinnert sich Esra Sarioglu. „Das wollte ich ändern.“

Hagen: Jugendarbeit mit dem Peer-to-Peer-Ansatz

Mit Erfolg. Wie man sehen kann. Zu der Gruppe, die mittlerweile „Girls United“ heißt (zweite Förderphase), zählen mittlerweile 21 junge Frauen. Tendenz steigend. „Die Mädels lernen hier auch, selbst Workshops zu leiten. Wir arbeiten viel nach dem Peer-to-Peer-Ansatz. Sie können das Programm selbst gestalten und ihr Wissen weitergeben“, so Esra Sarioglu.

„Durch die Gruppe hat sich komplett mein Blick darauf verändert, was ich für Ziele im Leben habe“, sagt Soukaina Amraoui. Ihre Freundin Medine Ilhan betont: „In der Freizeit war man nach der Schule oft zuhause. Oder hat mit Freunden abgehangen. Dass es sowas wie diese Gruppe überhaupt gibt, hätte ich ohne meine Freundin gar nicht mitbekommen. Ich bin ohne Erwartungen hierhin gekommen, und kann mir jetzt nicht mehr vorstellen, ohne diese Gruppe hier zu sein.“

Angebot auch für jüngere Mädchen in Hagen

Auf Initiative der acht jungen Frauen an diesem Tisch in Berchum wurde jetzt, gefördert durch das Programm „Aufholen nach Corona“, noch eine weitere Gruppe ins Leben gerufen, die sich an noch jüngere Mädchen im Alter von 7 bis 12 richtet und von den älteren Mädels begleitet wird: „Girls for Fun“. Um die Mädchen noch früher abzuholen. Ihnen eine Freundin, „aber auch ein Vorbild zu sein“, sagt Esra Sarioglu. Um Jugendliche zu fördern, die vielleicht nicht immer die gleichen Chancen haben, wie andere in ihrem Alter. „Wir sind für jeden da, der herkommen will. Und wer Spaß hat, darf gerne bleiben.“