Hohenlimburg. Ein subjektiver Blick auf 36 Orte: Für unsere Sommerserie „Neulich in Hagen“ schwärmen die Reporter aus. Heute: die Hohenlimbugrer Innenstadt.

Man muss das nicht teilen. Aber ich persönlich halte dieses Lied für eines der besten, die je geschrieben wurden. „The Sounds of Silence“, der Klang der Stille, von „Simon & Garfunkel“.

Die englische Sprache, die ich in ihrer Ausdruckskraft gegenüber der deutschen eigentlich für limitiert halte, schafft es darin, ein Thema punktgenau zu setzen, das heute – mehr noch als im Jahr 1964, als das Lied entstand – bedeutend ist: Menschen, die sprechen, ohne etwas zu sagen. In all unserer Digitalität sind wir durchtränkt davon.

Ich stehe also auf dem Brucker Platz, mitten in der Hohenlimburger Altstadt. Und das Glockenspiel im Rathaus-Turm spielt dieses Lied. Und ich kann ihn hören. Den Klang der Stille.

Ganz und gar nicht aus der Zeit gefallen

66 Jahre lang schon spielt der Glockenturm des 1956 eröffneten Hohenlimburger Rathauses Melodien. Ich finde das ganz und gar nicht aus der Zeit gefallen, sondern irgendwie wunderschön.

Die Fußgängerzone bietet malerische Motive.
Die Fußgängerzone bietet malerische Motive. © WP | Michael Kleinrensing

Manchmal, wenn ich den Kollegen Marcel Krombusch in der Hohenlimburger Redaktion am Lenneufer besuche und das Glockenspiel mittags ertönt, öffne ich das Fenster, lehne mich zurück und lausche. Es dauert immer so ein paar Sekunden, bis man das Lied erraten hat. In diesem heutigen Fall war es sofort klar. „Hello darkness, my old friend, I’ve come to talk to you again.“ Hallo Dunkelheit, alte Freundin, ich bin gekommen, um wieder mit dir zu reden. Was für eine mächtige Zeile zum Beginn.

These von mir: Die Hohenlimburger Altstadt ist optisch und baulich der schönste Stadtteilkern, den wir in Hagen haben. In Haspe schwingt viel Historisches mit, immer auch die Hüttenzeit. In Boele gibt es ein schönes Kirchspiel und ein sehr vitales Zentrum. In Wehringhausen rund um den neuen „Willi“, den Wilhelmsplatz, gibt es tolle wilhelminische Bauten.

Die Schönheit in den Details

Vielleicht kann malerisch der Ortskern von Dahl, Zwischen den Brücken, mit der Kulisse der Hohenlimburger Altstadt mithalten. Generell aber glaube ich, dass viele Leute zum Beispiel in historische Städte in Süddeutschland fahren, um sich derartige Straßenzüge anzusehen – dabei liegen sie hier vor unserer Nase. Zwischen Hohenlimburger Rathaus und dem Bahnhofsbereich.

Dieses Format „Neulich in Hagen“ verleitet ein wenig dazu, die Dinge nicht nur neu, sondern auch positiver zu sehen. Ich glaube, dass das in der Natur der Sache liegt. Wer sich etwas entschleunigt, Zeit nimmt, zu betrachten, was er sonst flüchtig passieren lässt, der erkennt die Schönheit in den Details plötzlich. Oder den neuen Dreh eines Ortes.

Die Gaststätte „Olive“ in der Gaußstraße.
Die Gaststätte „Olive“ in der Gaußstraße. © WP | Michael Kleinrensing

Es kann also schnell so gehen, dass eine Verherrlichungstendenz entsteht. Ich will deshalb einordnen, dass ich weite Teile dieser Altstadt für eine Traumkulisse ohne Inhalt halte. Der Leerstand ist enorm. Beim besten Willen kann ich mir nicht vorstellen, wie man über 20 leere Ladenlokale in den Gassen wieder füllen will. Es ist ein Thema, dem wir uns in diesen Sommerferien noch widmen werden. An anderer Stelle im Blatt.

Als Hohenlimburg noch eigenständig war

Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass vor 50 Jahren und mehr, als Hohenlimburg noch eine eigenständige Stadt war, hier was los war. Diese Altstadt am Fluss als Zentrum eines kleinen Städtchens mit so unterschiedlichen Stadtteilen wie Elsey, der Nahmer, Oege oder Henkhausen. Herrlich.

Aber auch, wenn ich in einer länger zurückliegenden Berichterstattung mal darüber geschwärmt habe, wie schön man hier an den Hochwegen am Lenneufer laufen kann – wieso hat man baulich an keiner Stelle Luft gelassen, dass man den Fluss aus der Altstadt auch sehen kann? Wieso – und das kann vermutlich schon niemand mehr hören – gibt es kein Café mit Wasserblick? Warum ist dadurch heute ein Kopfsteinpflasterweg mit zahlreichen Leerständen der Blickfang und nicht das Wasser?

Ja, ich weiß. Heidelberg-Blick. Darauf gibt man viel in Hohenlimburg. Der Fluss, der Berg, das Schloss – all das erinnert an die Stadt am Neckar.

Den Bezirksbürgermeister in die Pflicht nehmen

Man muss aber schon ein paar meistens nicht in den Alltag passende Positionen einnehmen, um diesen Blick zu genießen. Indem man sich auf die Stennertbrücke stellt oder in den Lennepark. Hand aufs Herz – wie oft tun Sie das?

The sounds of silence: die Freiheitsstraße.
The sounds of silence: die Freiheitsstraße. © WP | Michael Kleinrensing

Ich glaube – und da will ich den Bezirksbürgermeister Jochen Eisermann erneut in die Pflicht nehmen, nicht zu vergessen, dass er in unserer Zeitung die Vision eines Hohenlimburger Lenneufers nach Altenaer Vorbild eröffnet hat –, hier muss was passieren. Für diese Altstadt reicht keine Herzdruckmassage durch gelegentliche Neubesetzung von leerstehenden Lokalen durch tapfere Einzelkämpfer.

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Ohne Missmut, dafür mit Wertschätzung, dass etwas versucht wird: Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (INSEK), über das wir schon so viele Zeilen geschrieben haben, wie Kopfsteinpflastersteine in der Altstadt liegen, ist ein Hoffnungsschimmer. Gegen das, was Simon&Garfunkel besingen. Den Klang der Stille.