Lennetal. Die Renaturierung der Lenne zeigt jetzt schon Erfolge. Seltene Vogelarten sind zurück. Und die Jahrhundertflut war ein Stresstest.

Das Jahrhundert-Hochwasser im vergangenen Juli war der Stresstest. Als gigantische Wassermassen durch das Lennetal tauschten, zeigte sich, wie wertvoll es war, dass die Lenne hier nach den ersten beiden fertigen Bauabschnitten 60.000 Kubikmeter Wasser mehr aufnehmen kann. Das größte Öko-Projekt in der Geschichte der Stadt soll nach dem finalen dritten Bauabschnitt, der nun ausgeschrieben wird, noch nicht zu Ende sein, wenn es nach den Verantwortlichen geht. Denn wie schnell das ökologisch alles Früchte trägt, ist bereits jetzt zu sehen.

Erster und zweiter Bauabschnitt der Lenne-Renaturierung in Hagen aus der Vogelperspektive.
Erster und zweiter Bauabschnitt der Lenne-Renaturierung in Hagen aus der Vogelperspektive. © Wirtschaftsbetrieb Hagen | Wirtschaftsbetrieb Hagen

Die Ausschreibung für den finalen, 900 Meter langen Bauabschnitt bis hinter das DHL-Depot (bislang reicht der zweite Bauabschnitt bis zum Abzweig nach Garenfeld) soll noch in diesem Jahr raus. Im Spätsommer oder Herbst könnten die Bagger wieder anrollen und die Lenne auf bis zu 70 Meter oder mehr verbreitern. Im Flussbett sollen wieder Inseln angeschüttet werden. „Es ist gewünscht, dass sich das ganze Gesamtbild verändert“, sagt Alexander Horn, Fachleiter Gewässer beim Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH).

Schwarzerlen gepflanzt

Der Fluss suche sich in seiner entfesselten Situation seine Wege und gestalte das Umfeld durch Strömungen und Überschwemmungen immer wieder neu. Initial wurden im Uferbereich Schwarzerlen gepflanzt. „Auch Weiden werden sich hier ansiedeln“, sagt Alexander Horn. Es entsteht eine völlig neue Auenlandschaft. Durch die Renaturierungsarbeiten an der Lenne sind Schotterflächen, Kiesbänke und Steilufer als natürliche Lebens- und Bruträume für die Vögel entstanden.

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Uferbepflanzung radikal entfernt

Das Projekt hat begonnen, eine Sünde aus den 70-er-Jahren zu korrigieren, als man die Lenne gefesselt und in einer nur 20 Meter breiten Rinne und einem zu tiefen Mutterbett am Gewerbegebiet Lennetal vorbeigeführt hat. „Dadurch war die Fließgeschwindigkeit der Lenne viel zu hoch, wodurch sich kein Kies mehr am Grund absetzen konnte. So kann hier zum Beispiel keine Forelle mehr laichen. Und die Lenne uferte erst viel zu spät aus. Jetzt, da wir die Uferbepflanzung radikal entfernt, das Flussbett bis um 70 Meter verbreitert und die Aue bis zu zwei Meter abgetragen haben, kann hier eine natürliche Auenlandschaft entstehen. Der Fluss regelt das jetzt“, sagte Gerald Fleischmann, Leiter des Fachbereich Grün beim WBH im vergangenen Jahr bereits gegenüber unserer Zeitung.

Die Lenne in Halden vor ihrer Renaturierung. Man sieht das von Menschenhand begradigte Flussbett.
Die Lenne in Halden vor ihrer Renaturierung. Man sieht das von Menschenhand begradigte Flussbett. © Wirtschaftsbetrieb Hagen

Seltene Vögel kehren zurück

Und das alles ist bereits korrigiert. Während der Arbeiten haben sich zehn Brutpaare der Uferschwalbe und zwei Brutpaare des Flussregenpfeifers dort angesiedelt. Doch weil das neu geschaffene Natur-Areal auch zahlreiche Menschen anlockt, kommt es zu Konflikten zwischen Bevölkerung und Tieren. Gerade die Jungvögel des Flussregenpfeifers sind auf den ersten Blick auf den Kiesbänken kaum zu erkennen. Daher ist es wichtig, die Kiesbänke nicht zu betreten und Hunde an der Leine zu führen. Auch Lärm und das Werfen von Steinen können die Elternvögel aufscheuchen und vertreiben, sodass die Gehege oder Bruthöhlen ohne Schutz und Wärme sind.

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Vogelhecke wird geschützt

Damit der Spagat zwischen Erholung für die Bürger und Lebens- und Bruträume für die Tieren gelingt, ist es erforderlich, einige Bereiche ausschließlich der Natur zur Verfügung zu stellen. So sollen die Auenwiesen entlang der Verbandsstraße dauerhaft beruhigt werden. Um die dort angelegte Vogelschutzhecke zu schützen sowie die nötige Ruhe für die Tierwelt zu gewährleisten, wird in diesem Bereich ein Zaun errichtet. Die andere Flussseite hingegen ist für den Freizeitbedarf vorgesehen und soll im Einklang mit der Natur genutzt werden können.

Die renaturierte Stelle an der Lenne aus der Vogelperspektive.
Die renaturierte Stelle an der Lenne aus der Vogelperspektive. © Marcel Krombusch

Infotafeln werden aufgestellt

„Entlang des Radweges stellen wir Infotafeln auf, die den Besucherinnen und Besuchern Informationen zu den sich dort ansiedelnden Tieren und den angemessenen Verhaltensweisen bieten sollen“, beschreibt Kai Gockel, Abteilungsleiter bei der Unteren Naturschutzbehörde.

Sowohl die Uferschwalbe als auch der Flussregenpfeifer kamen bereits in den 1970er Jahren für eine kurzen Zeitraum in Hagen vor. Aufgrund von Flussbegradigungen für die sich ausbreitende Industrie verschwanden die Vögel wieder. „Es ist schon bemerkenswert, zu sehen, was sich tut, wenn man dem Fluss seinen alten Verlauf zurückgibt“, sagt Alexander Horn. Fische können nun im feinen Sediment ablaichen

Bis zu acht Millionen Euro

Bis zu acht Millionen Euro werden die drei Bauabschnitte in Hagen am Ende gekostet haben. Weil die Stadt bei der ersten Antragstellung noch im Nothaushalt steckte, gewährte das Land eine 90-prozentige Förderung. Und man will gerne weitermachen.

„Wir können uns vorstellen, Richtung Hohenlimburg weiterzumachen. Zumindest bis zur Autobahn 46“, sagt Alexander Horn. Dafür wären allerdings weitere Förderungen nötig, die wiederum erst beantragt werden müssten.