Hagen. Der Preis für Milch steigt und Milchbauer Dirk Hüsecken aus Berchum bekommt mehr Geld für sein Produkt – doch von dem Plus profitiert er kaum
Auch wenn nach dem Einkauf im Supermarkt der Blick auf die Rechnung zeigt, dass der Preis für seine Milch gestiegen ist – Dirk Hüsecken kann sich darüber kaum freuen. Der Landwirt betreibt mit seinem Bruder einen Milchviehbetrieb in Berchum-Tiefendorf, nennt rund 230 Milchkühe sein Eigen, plus mehrere hundert Tiere für die Nachzucht. Zwar geben seine Milchkühe fleißig Milch, jedoch machen die gestiegenen Kosten rundherum dem Landwirt das Leben schwer: „Was mehr an Gewinn kommt, das wird direkt umverteilt“, sagt Hüsecken.
Kosten für Futter verdoppelt
So hätten sich seit vergangenem Jahr allein die Kosten für das Futter verdoppelt. Dazu kommen die steigenden Kosten etwa für die nötigen Ersatzteile des Maschinenparks und den Diesel, um die Landmaschinen in Bewegung zu bringen. Und, auch das ist ein Grund für den hohen Preis der Milch: es gibt weniger als früher. Laut Landesvereinigung Milch NRW geben von derzeit rund 5.000 Milchbauern jedes Jahr drei bis fünf Prozent ihre Betriebe auf. Die meisten von ihnen können die finanziellen Lasten nicht mehr stemmen.
Weniger Landwirtschaft in Hagen
Ganz allgemein ist auch die Landwirtschaft auf Hagener Stadtgebiet in den vergangenen Jahrzehnten geschrumpft. Hüsecken erinnert sich: „Ich habe 1985 meine Lehre gemacht, da gab es in Reh und Holthausen noch mehrere Betriebe. Die sind heute alle weg.“ Und die, die es noch gab, wuchsen in den Jahren von Bauernhöfen immer mehr zu modernen Landwirtschaftsbetrieben. Betrieben, die eine ebenso wachsende Bevölkerung ernähren müssen. Das ist weniger wohlig und idyllisch als es Heimatfilme oder die lila Kuh aus der Fernsehwerbung suggerieren – und viele scheinen damit zu fremdeln, so der Eindruck des Landwirts aus Berchum.
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Beschwerden bei Gülle-Fahrten
Schon häufig traf er auf Gegenwehr, wenn er die Gülle, die seine Kühe hinterlassen, von beauftragten Spediteuren auf seine Felder in Holthausen und Reh fahren ließ. „Wenn wir zehn Mal mit dem Trecker kommen, dann ist das kein Problem“, so Hüsecken. „Doch sobald ein Lkw kommt, denken die Leute, was kommt da wieder auf das Feld? Dann heißt es, wir kriegen Gülle aus dem Ausland. Das stimmt aber gar nicht.“ Dies begreiflich zu machen, erweist sich als schwierig. Denn das Misstrauen ist groß. Oft sei er bereits angezeigt worden.
Misstrauen bei Anwohnern
„Einmal haben wir Gülle in Reh gefahren mit einem Lkw, der hatte ein Viersener Kennzeichen. Eine Frau hat sich beschwert und ich habe ihr gesagt, die Gülle kommt von meinem Betrieb, sie könne gerne mitfahren. Aber sie hat es nicht geglaubt.“ Ein anderes Mal habe ihn ein Mann angekeift. Der sei danach ins Krankenhaus gegangen, habe über Atembeschwerden durch den Gülle-Geruch vom Feld geklagt. „Auf der einen Seite wollen die Leute regionale Lebensmittel, aber andererseits kriegt man dann die Knüppel vor die Beine geworfen.“
Kritik an Agrarpolitik
Auf den eigenen Betrieb geblickt, kann sich Dirk Hüsecken aktuell keine größeren Investitionen vorstellen. Man beschränke sich auf das Nötigste und warte ab, was die nächste Zeit bringt – auch politisch. Grund dafür sind Signale, die von der EU-Kommission in Brüssel kommen: Dort verhandeln die Kommissare der Mitgliedsstaaten zurzeit die Richtlinien der gemeinsamen Agrarpolitik ab 2023 – und damit, welche Auflagen künftig für Landwirte gelten, um Gelder aus dem EU-Fördertopf zu bekommen.
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Maßnahmen umstritten
Ein strittiger Punkt: Aus Gründen des Klimaschutzes sollen Landwirte künftig vier Prozent ihrer Flächen brach liegen lassen. Für Hüsecken, der rund 250 Hektar bewirtschaftet, wären das rund 10 Hektar. „Das kann ich nicht verstehen. Wenn wir vier Prozent stilllegen sollen, dann muss ich diese vier Prozent doch auch nehmen, um die Artenvielfalt zu fördern.“ Doch statt Wildwiese müsse die Fläche brach liegen. Ausverhandelt ist dieses Thema noch nicht.
Es sind auch solche Beispiele, die ihn an der politischen Großwetterlage ärgern. Er vermisst klare Zielvorgaben aus der Politik, die Naturschutz und verantwortungsbewusste Landwirtschaft in Einklang bringen.
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Zukunft des Betriebs gesichert
Doch trotz aller Ungewissheit und Ärgernisse dieser Tage: Dass der Milchviehbetrieb seiner Familie, den sein Vater vor 54 Jahren mit nur zwölf Kühen aufgebaut hat, auch eine Zukunft hat, davon ist er überzeugt. Und mit Jana Hüsecken steht die dritte Generation der Familie schon in den Startlöchern, um den Betrieb eines Tages weiterzuführen. „Lebensmittel werden immer gebraucht, egal ob Fleisch oder Milch.“