Hagen. Die alte Brücke in Dahl ist nicht erst seit der Flut ein besonderer Ort. Eindrücke von einem Bauwerk im Rahmen der Serie „Neulich in Hagen“.

Komme gerade aus dem Urlaub. Das aber nur am Rande. Weil dort die (oder eine) Ache mit kaum vorstellbarer Wucht durch das Tal brauste. Die Volme braust nicht, sie plätschert. Sie plätschert hindurch durch den Ortsteil Dahl und unter einer Brücke entlang, die Mitte des 19. Jahrhunderts an dieser Stelle im Süden von Hagen errichtet wurde. Kinder könnten unter der Brücke spielen, ihre Füße bei Sonnenschein und 30 Grad ins kalte Wasser tauchen und niemand würde die geringste Gefahr wittern.

Vor gut einem Jahr da plätscherte sie nicht, da brauste sie nicht einmal mehr – die Volme. Im Grunde gab es gar kein festgelegtes Flussbett mehr. Die Volme hatte sich ausgedehnt wie der Amazonas nach sieben Wochen Dauerregen bei Hochwasser. Sie hatte das ganze Tal überspült, und von der Brücke mitten in Dahl war kaum noch etwas zu sehen.

Brücke in Hagen hält der Flut stand

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Sie hat aber stand gehalten, diese Brücke. Was sie von anderen Bauwerken flussabwärts, die unter dem immensen Druck zusammenbrachen und bis heute nicht wieder aufgebaut sind, unterscheidet. Eine Brücke, die rund 170 Jahre alt und aus einzelnen Steinen zusammengebaut ist, trotzt den Wassermassen. Ein Fels in der Brandung – fast im wahrsten Sinne.

Die alte Brücke in Dahl hat der Jahrhundertflut getrotzt.
Die alte Brücke in Dahl hat der Jahrhundertflut getrotzt. © Alex Talash | Alex Talash

Diese Tage der Jahrhundertflut im Sommer 2021 wirken bis heute. Auch an einem Tag, an dem der Fluss bei Sommerhitze und nach ausbleibenden Regenfällen kaum Wasser führt. Pflanzen suchen sich um die beiden Brückenpfeiler ihren Weg durch die Kieselsteine. Ihr Erfolg ist Zeichen dafür, dass die kleinen Inseln schon länger nicht mehr überspült wurden.

Ein Ort der Geschichte im Süden von Hagen

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Geschichtsträchtig ist er, dieser Ort. Nicht erst seit einem Jahr, weil ein Hochwasser bisher ungeahnten Ausmaßes das Tal überflutete. Die Menschen, die hier links und rechts der Volme wohnen, mögen Stoßgebete gen Himmel schicken, dass diese Jahrhundertflut auch wirklich eine solche war und sich nicht nach wenigen Jahren wiederholt. Geschichtsträchtig ist der Ort, weil man hier eine Zeitreise antreten kann zurück zu den Dahler Ursprüngen.

Das Unkraut sucht sich den Weg durch die Ritzen an der Brücke in Dahl.
Das Unkraut sucht sich den Weg durch die Ritzen an der Brücke in Dahl. © WP | Michael Kleinrensing

Die nach der Flut noch immer geschlossene Dorfkirche, die man über die Brücke erreicht, wenn man auch noch die Bundesstraße 54 bei reichlich Verkehr irgendwie quert, hat ihre Ursprünge gar im 13. Jahrhundert. Zu einer Zeit – wie man auf Tafeln allenthalben lesen kann – als an eine Straße durch das Tal noch lange nicht zu denken war. Über Jahrhunderte wurden Waren und Rohstoffe über die Höhen transportiert – quasi auf einem frühen Vorläufer der Autobahn 45.

Ausgangspunkt für Wanderung im Hagener Süden

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Wer diese Höhen aus dem Tal erklimmen will, für den kann die Brücke über die Volme der Ausgangspunkt sein. Eine Wandertafel des Sauerländer Gebirgsvereins steht nur wenige Meter entfernt an der B 54 und informiert über die Möglichkeiten, die Fußgänger von hier aus haben: Touren zwischen eineinhalb und zweidreiviertel Stunden stehen zur Auswahl. Oder eine Acht-Stunden-Runde einmal komplett um Dahl herum.

Die Brücke in Dahl liegt direkt an der Bundesstraße 54 in Hagen. Immerhin: Hier gilt seit einigen Tagen ein Tempolimit.
Die Brücke in Dahl liegt direkt an der Bundesstraße 54 in Hagen. Immerhin: Hier gilt seit einigen Tagen ein Tempolimit. © WP | Michael Kleinrensing

So viel Zeit bleibt an diesem Vormittag leider nicht. Muss ja noch in die Redaktion, um diesen Text, den Sie gerade lesen, zu schreiben.

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Pfeil weist den Weg von Hagen zum Mond

Also noch einmal zurück über das Kopfsteinpflaster, durch das an den Rändern ebenfalls das Grün sprießt. Hinüber auf die andere Seite des Flusses, wo ein Wegweiser den Wanderer noch einmal leitet. Auch hinauf bis zum Mond, wie ein Schild mit Pfeil gen Himmel nahelegt. 384.600 Kilometer steht dort zu lesen. In 3205 Tagen wäre man bereits da – vorausgesetzt, man würde 24 Stunden durchmarschieren.

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Schneller ist man da an der nächsten Brücke, die nur einen Steinwurf entfern liegt und vermutlich dafür verantwortlich ist, dass die Postadresse hier „Zwischen den Brücken“ lautet. Über dieses Bauwerk, dessen hintererer Teil komplett saniert und neugebaut wurde, rollt die Volmetalbahn – wenn sie denn rollt. Momentan ist in Rummenohl Endstation. Und weil eine weitere Brücke in Richtung Lüdenscheid marode und die Strecke gesperrt ist, besteht auf Jahre keine Hoffnung, dass die Eisenbahn auf gewohnter Strecke fährt.

Die kalte Brücke aus Beton

Die in Teilen neu gebaute Brücke in Dahl ist natürlich alles anderes als marode. Sie ist eine neue Brücke. Eine kalte Brücke aus Beton, die ein Anwohner, an dessen Garten dieses sterile Bauwerk grenzt, zumindest ein wenig dekoriert hat. Mit bunten Gießkannen, mit einem Vogelhaus und mit einem Plastikflugzeug, die auf Vorsprüngen aufgestellt sind. Dazu ein Fliederbusch, auf dem Schmetterlinge aller Farben vor grauer Kulisse durcheinander tanzen.

Die alte Brücke über die Volme scheint zu atmen, scheint zu leben. Ein besonderes Bauwerk – und das seit 170 Jahren. Es hat der Jahrhundertflut getrotzt. Und seit vor einigen Monaten Taucher die Standsicherheit noch einmal untermauert haben, steht fest, dass sie auch weiterhin fest steht. Egal ob die Volme plätschert, braust oder – was der liebe Gott verhindern möge – noch einmal über ihre Ufer tritt.

Alle Folgen zur Serie finden Sie hier.