Hagen. Rund um den Bahnübergang in Rummenohl im Süden von Hagen wachsen Gras und Chaos. „Neulich in Hagen“ – ganz im Süden der Stadt.

Der junge Mann blickt aus dem Glaskasten hinaus direkt auf diese Baustelle. Gestatten: Alexander Ebbert, Landtagskandidat der CDU aus Breckerfeld. Er wäre nun der Mann, der für das Volmetal, für seinen Wahlkreis, im Verkehrsministerium in Düsseldorf gegen das Chaos kämpfen könnte. Ebbert aber hat nicht gewonnen. Die Wahl ist längst vorbei. Was zumindest die Ortsunion im Volmetal in ihrem Schaukasten gegenüber des Bahnübergangs Rummenohl tapfer ignoriert.

„Neulich in Hagen“ – eine Serie, eine Reise. In diesem Fall in den tiefsten Süden der Stadt. Und weil ein Mann mit einem Stift und einem Block in der Hand und einer mit einer Kamera und Objektiv (noch viel mehr) auffallen, braucht es nicht lange, bis jene vorbeikommen, die unter dem Chaos leiden. Weil Politik bisher nichts erreicht hat, setzen sie ihre Hoffnung auf die beiden Reporter von der Zeitung.

40-Tonner auf der Straße

Also schreien wir uns an. Nicht weil streiten, weil wir eine Wut aufeinander hätten. Sondern weil eine Kommunikation im Epizentrum des Wahnsinns nicht anders möglich ist, wenn 40-Tonner in Reihe auf der Bundesstraße 54 vorbeischeppern. Dazu kommt eine Ampelschaltung, die angeblich optimiert ist, die mit schöner Regelmäßigkeit für Dauerstau in diversen Richtungen sorgt. „Und da können wir noch froh sein, dass die Bahn noch nicht wieder bis Lüdenscheid fährt und die Schranken nicht ständig schließen“, brüllt Uwe Bromm.

Lastwagen an Lastwagen: Die Belastung im Volmetal ist seit der Sperrung der Rahmedetalbrücke erheblich.
Lastwagen an Lastwagen: Die Belastung im Volmetal ist seit der Sperrung der Rahmedetalbrücke erheblich. © WP | Michael Kleinrensing

Es gab die Flut im Volmetal. Das Jahrhunderthochwasser, das auch in Rummenohl riesige Schäden verursacht hat. Und jetzt wird dieser Zipfel der Großstadt Hagen ein zweites Mal überflutet. Von Autos und noch viel schlimmer: von Lkws, die nach einem schnellen Weg suchen, um die Staus, die sich rund um die gesperrte Rahmedetalbrücke an der A 45 ergeben, zu umfahren.

Zu Fuß kommt man voran

„Letztes Wochenende haben wir uns komplett eingedeckt“, brüllt Bromm und blickt auf jenen Tag, als auch noch die Talbrücke Brunsbecke wegen einer intensiven Laser-Untersuchung gesperrt war. „Da war uns schon klar, dass wir kaum in der Lage sein würden, das Haus zu verlassen.“ Bromm geht mit dem Vierbeiner Gassi. Zu Fuß kommt man in Rummenohl noch voran. Vorausgesetzt, man führt keinen schreckhaften Vierbeiner an der Leine.

Gassitour in Rummenohl: Uwe Bromm dreht seine Runde.
Gassitour in Rummenohl: Uwe Bromm dreht seine Runde. © WP | Michael Kleinrensing

Bromm ist nicht der einzige, der an einem Montagabend seine Runde dreht. Eine Dame, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, weil die Stadt selbst ihr Arbeitgeber ist, lässt lautstark Dampf ab: „Hören Sie nur, die Geräusche der Dieselmotoren. Und wenn dann noch ein Kühl-Laster vorbeifährt und das Aggregat anspringt, dann wird man ganz bescheuert. Als wir vor 24 Jahren hier gebaut haben, war das noch an einer ruhigen Nebenstraße. Und jetzt...?“

Wir spüren es, wir hören es.

Straßen im Hagener Süden leiden

Der Verkehr bringt die Zerstörung. Die Straßen im Süden – in Teilen frisch hergerichtet – leiden. Die Bordsteine, über die Lastwagen beim Abbiegen aus und in die Heedfelder Straße fahren ebenso. Das Gewicht drückt die Randsteine in den Erdboden. Sie sinken ab, werden zu Stolperfallen.

Wirkt fast romantisch: Runde um den Bahnhof Rummenohl im Süden von Hagen breitet sich die Natur aus.
Wirkt fast romantisch: Runde um den Bahnhof Rummenohl im Süden von Hagen breitet sich die Natur aus. © WP | Michael Kleinrensing

Und dann ist ja da noch ein Verkehrsmittel, das für stressgeplagte Autofahrer eine Alternative sein könnte. Die Bahn, die Volmetalbahn. Ist sie aber nicht. Zumindest nicht in Richtung Süden. Denn das ist der Bahnhof Rummenohl seit geraumer Zeit zu einem Sackbahnhof geworden. An Bü 13,2 (was wohl für Bahnübergang stehen könnte) ist Schluss.

Natur gedeiht zwischen Gleisen

Wo kein Zug mehr rollt, erobert sich die Natur ihr Revier zurück. Zentimeter hoch wächst das Gras aus dem Gleisbett. Und wo es sich so schön ausbreitet, macht es auch vor einem Bahnsteig nicht halt, den man durch eine enge Grusel-Unterführung mit ausgetretenen Stufen erreichen kann. Menschen mit Rollatoren, Kinderwagen oder Rollstuhl werden spätestens hier ausgebremst. Die Verkehrswende scheint hier – allen 9-Euro-Tickets zum Trotz – an ihre Grenzen zu stoßen.

Die Gleise sind zugewachsen. Seit geraumer Zeit verkehren zwischen Rummenohl und Lüdenscheid keine Züge mehr.
Die Gleise sind zugewachsen. Seit geraumer Zeit verkehren zwischen Rummenohl und Lüdenscheid keine Züge mehr. © WP | Michael Kleinrensing

Uwe Bromm kommt noch einmal kurz vorbei. Hunderunde fast beendet. Der nächste 40-Tonner brettert gegenüber vom Hotel Dresel vorbei. Kein Auto vor der Tür. Montag ist Ruhetag. Wie sehr sehnen sich die Anwohner im Volmetal nach einem solchen.

Alle Folgen der Serie gibt es auch im Netz: www.wp.de/neulich-in-hagen.de