Hagen. Der Emilienplatz ist die wohl am meisten befahrene Kreuzung in Hagen. Eindrücke von einem Verkehrshotspot der Stadt.

Stoppuhr, Knopf an der Ampel drücken, los. Wie lange braucht der Reporter für einen Umlauf zu Fuß? Was reicht für unzählige Eindrücke? Zum Beispiel für diesen hier: Die Frau mit dem Kopftuch am Steuer des Kleinwagens drückt erst genervt auf die Hupe; als dann der schlafmützige Mercedes-Fahrer endlich startet, aufs Gaspedal und schließlich ein zweites Mal auf die Hupe, als das Überholmanöver mitten auf der Kreuzung daran scheitert, dass der Mercedes-Fahrer sich doch für die linke statt die rechte Spur entscheidet. Vollbremsung. Emilienplatz, Hagen, 13.46 Uhr.

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Zwischen-stopp auf der Mittelinsel. Nicht alleine. Es wird eng. Vorne rot. Warten. Autos und 40-Tonner rauschen vorbei. 80 Zentimeter Abstand zum Bauchnabel. Gefühlt, nicht gemessen. Bin nicht der einzige, der hier steht. Schüler haben Schluss, eine Mutter schiebt einen Kinderwagen. Ein Passant mit Plastiktüte und Pilsflaschen zur Linken. Prost. Unkraut sprießt aus den Ritzen.

Fünf Radfahrer trauen sich auf die Kreuzung

Hagens wohl meistbefahrene Kreuzung – Autos, Busse, Lkw. Alles, was einen Motor hat, kann man nicht zählen. Alles, was keinen hat, schon. Zumindest die Zweiräder. Fünf sind es bei diesem Umlauf. Keine Münsteraner Verhältnisse. Aber immerhin.

Viele Autos auf einem Haufen – der Emilienplatz in Hagen.
Viele Autos auf einem Haufen – der Emilienplatz in Hagen. © WP | Michael Kleinrensing

Was uns zu der Frage bringt, wo diejenigen, die sich lebensmüde in diesen Trubel stürzen, eigentlich fahren sollen. Auf keinen Fall auf eigenen, breit angelegten Spuren. Die nächste Fußgängerampel springt auf Grün. Los, kein Aufenthalt auf der Mittelinsel diesmal. Auf der anderen Seite lässt sich ein Radweg erahnen. Rötlich gefärbte Pflastersteine, die wiederum gegenüber ins Nichts führen. Die Verkehrswende lässt auf sich warten.

Umwelthilfe klagt mit Erfolg

Der Emilienplatz ist eine Autokreuzung. Auch, wenn zunehmend versucht worden ist, den Autoverkehr auszubremsen. Keineswegs freiwillig. Die deutsche Umwelthilfe hat hier geklagt. Ein Ergebnis: Linksabbieger, die aus Richtung Landgericht kommend zum Bergischen Ring fahren, haben nur noch eine Spur – Schlangenbildung inklusive. Wieder schläft vorne einer, wieder hupen. Ein Auto schafft es bei Grün, passiert ein Tempo-30-Schild, unter dem das Wort „Luftreinhaltung“ steht.

Radfahrern verlangt der Verkehrsknotenpunkt Emilienplatz in Hagen besondere Tapferkeit ab.
Radfahrern verlangt der Verkehrsknotenpunkt Emilienplatz in Hagen besondere Tapferkeit ab. © WP | Michael Kleinrensing

Atme einmal tief durch die Nase ein und habe den Eindruck, dass hier noch Luft nach oben ist. Dafür muss ich nicht hupen. Der Fußgänger ist für sich selbst verantwortlich. Stehe vor dem Ricarda-Huch-Gymnasium. Wenn eine Schule die Bezeichnung Innenstadt-Gymnasium verdient, dann diese. Mehr Innenstadt geht nicht. Nächster Rettungswagen, umkurvt einen Sattelzug, sucht sich seinen Weg. Wieder Blaulicht, wieder Martinshorn.

Werbetafel trübt den Eindruck

Der Blick fällt auf eine Werbetafel, deren Anblick sich im Sekundentakt ändert. Warum ist so etwas an solch einer Stelle eigentlich erlaubt? Soll es den Autofahrer davon abhalten, sich auf den Verkehr an der komplexesten Kreuzung der Stadt zu konzentrieren? Und ehrlich: Habe noch nie etwas gekauft, was mir hier entgegengeflattert ist. Habe nicht den Telekommunikationsanbieter gewechselt, werde nicht einen Job in einem großen Sporthaus in Vorhalle antreten, und dass mir ein Nachrichtendienst ankündigt, dass die Queen jetzt ihr Thronjubiläum feiert, lässt mich kalt. Bin ja nicht eingeladen.

Die Werbetafel am Emilienplatz in Hagen – hier wird es laut.
Die Werbetafel am Emilienplatz in Hagen – hier wird es laut. © WP | Michael Kleinrensing

Noch einmal rüber über die Straße. Stehe unter der Werbetafel. Die verschandelt nicht nur das Stadtbild. Sie macht auch noch unglaublich viel Lärm.

Gott ist an der Kreuzung

„Grüß Gott“ steht an der Fassade des prächtigen Stadthauses, dass Immobilienbesitzer Udo Krollmann erworben und saniert hat. Es schmückt nun einen Platz, der nur so wenig Charme versprüht. Gott ist auch da. Vielleicht in jenem Gemeindezentrum auf der anderen Straßenseite, in dem es eine Tafel gibt, die die Armen der Stadt versorgt. Ein Ort der Nächstenliebe.

Gott ist da. Und ein Engel. Ein gelber, der sich gerade auf dem Parkplatz tief in eine Motorhaube beugt und versucht, einen VW Touran wiederzubeleben. Was gelingt. Der VW-Fahrer fährt weg. Mit Tempo 30, Lärmschutz. 3 Minuten und 44 Sekunden sind rum. Stoppuhr aus. Vier Hauptverkehrsadern überquert, acht Fußgängerampeln später ist eine Runde Emilienplatz rum.