Hagen. Eine halbe Stunde (M)untere Elbe: Die untere Elberfelder Straße hat viele Billigläden und einen etwas verlassen wirkenden Platz. Und was noch?
Den Mann kenn‘ ich irgendwoher, zumindest vom Sehen. „Hallo. Guten Hunger!“ Der Rentner lacht, „danke, danke“. Wir kommen im unteren Bereich der City vor Brödis kurz ins Gespräch. Es gibt wohl kaum einen Moment, in dem vor dem Billigbäcker keine Menschenschlange steht. So auch an diesem bewölkten, frischen Nachmittag. „Essen Sie ruhig weiter“, sage ich zu dem Mann. Er spießt ein Stück Currywurst mit einer kleinen Gabel auf und beißt in ein trockenes Brötchen. „Ich bin häufig hier. Hier kann ich’s mir wenigstens leisten. Da kann ich auch mal zwei Currywürste essen.“ Sein Begleiter nickt. „Dann Ihnen beiden noch einen schönen Tag.“
Wortspiel (M)untere Elbe
Ich schlendere die Elberfelder Straße in Hagen weiter. (M)untere Elbe – das Wortspiel kenn‘ ich noch von früher. Aber wirklich munter sieht es hier nicht aus. Etliche Handwerkerfahrzeuge flankieren die Straße und verhindern die Sicht auf die Schaufenster der gegenüberliegenden Seite. Eine Frau mit einem Rezept in der Hand geht in die Bärenapotheke, ein junges Pärchen, das aus Woolworth kommt, verstaut seine Einkäufe in einem Rucksack.
Auf dem Bürgersteig vor einem Klamottenladen steht ein verwitterter Karton mit ausgedienten Kleiderbügeln. „Gratis zum Mitnehmen“ steht auf der Pappe geschrieben. Aber niemand interessiert sich – zumindest in diesem Moment – für die Kleiderbügel.
„Sören“ präsentiert sportliche Mode im stylisch-schicken Rundschaufenster. Das Bekleidungsgeschäft mit Garderobe im höheren Preissegment fällt seit Jahren im unteren Bereich der Innenstadt aus dem Rahmen. Die Betreiber setzen nicht auf Lauf-, sondern auf Stammkundschaft aus Hagen und vor allem den Nachbarstädten.
Heizstrahler sorgen für Wärme
Vor Vincenzo’s Kaffeebar ein paar Meter weiter sitzen einige Leute und trinken Cappuccino. Plexiglastrennwände schützen die Gäste vor Wind, Heizstrahler sorgen für Wärme. Sieht gemütlich aus, hier würde ich mich jetzt gern ein paar Minuten hinsetzen, doch auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdecke ich eine Bekannte.
Ich flitze rüber. „Mensch, lange nicht mehr gesehen. Wie geht’s euch denn so?“, frage ich meine frühere Schulfreundin. Wir sprechen über dies und das, „ja dann, mach’s gut, vielleicht bis bald mal wieder.“
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Der Platz über der Tiefgarage der Märkischen Bank ist weitläufig, er wirkt fast immer verlassen. Es ist eben kein gediegener Marktplatz in einer italienischen Altstadt. Ich setze mich auf eine Bank, mache mal nichts. Irgendwo höre ich einen Vogel zwitschern, hinter mir hupt ein Auto, drei junge Frauen zwei Bänke weiter erzählen und lachen lautstark. Für mich ein wenig zu laut.
Gegenüber auf dem Bürgersteig ein Beet mit sprießenden Wiesenblumen. Ein bisschen Natur, ein kleiner Hingucker und ein schöner Farbklecks in dem sonst eher grau wirkenden unteren Bereich der Innenstadt, der irgendwie „Nicht Fisch und nicht Fleisch“ ist. Nicht lebendig, aber auch nicht tot. Nicht schön, aber auch nicht ausnahmslos hässlich.
Vor einem Stromkasten hat sich ein Obdachloser mit seinem Schlafsack platziert. Er bettelt still und unauffällig. Zwei Frauen – die eine schiebt einen Buggy mit Kind vor sich her, die andere hat ein Kleinkind an der Hand – sind in Richtung Bahnhof unterwegs. Eine der Mütter entdeckt den müde wirkenden Mann, kramt in ihrer Tasche, legt eine Münze in sein Spendenkörbchen, sagt „Alles Gute für Sie.“ Der Mann nickt stumm und lächelt.
Die Folgen unserer diesjährigen Sommerserie „Neulich in Hagen“ finden Sie auch auf unserem Internetauftritt www.wp.de/neulich-in-hagen